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492 Zeit von de» Neuverehelichten ausgeiausch, werden, zum Zeichen, daß das Leben der beide» Gauen von nun an i» einander auf gehl. Sodann werden Kerzen angezündel, Weihrauch vcrbranm, und die Priester stimme» eine Hymne an, wobei sie dreimal den Aliar umschrcilen. Ferner werfen die Anwesende» Zuckerwcrk zu den Füßen der Gailen, es werden Erfrischungen herumgereich«, und die Neuvermählte iheilt unter die Jünglinge und Jung frauen Goldschnüre aus. Die Griechen taufen ihre Kinder wenige Tage nach der Ge burt; stürben sie vorher, so, glauben sie, würden ihnen die Thore des Paradieses verschlossen. Bei der Taufe wird das Kind ins Wasser getaucht; nachher wird es mit geweihtem Oel auf der Stirn, dem Munde, den Augen, den Ohren, der Nase, den Händen und den Füßen gesalbt. Die Religion, welche das Kind mit so vieler Feierlichkeit in ihren Schoß aufnimmi, emfaliei eine nicht geringere Pracht, wenn sie den Menschen am Rande des Grabes empfängt. Mit Blumen geschmückt, ruht kzer Todle in einer offenen Bahre; er ist mil seinen besten Kleidern angeihan und sein Gesicht nicht verhüllt. Die Bahre wird von den Freunden des Verstorbenen getragen; eine Menge Priester ziehen vorauf und singen Hymnen. Der Sarg wird zuerst nach der Kirche gebracht und dort eine Messe gelesen; hierauf umringen ihn die Verwandten und Freunde, küssen die Stirn des Verstorbenen und tragen ihn nach dem Grabe. Die Todienmesse ist sehr schön; sie mag deshalb miigeiheill werden: ,,Kommet, Brüder, komme«, Brüder, und laßt uns dem Tobten einen letzten Kuß geben, indem wir Go» danken. Er Hal die Aclrern verlaffen; er ist auf dem Wege zum Grabe und fragt nicht mehr nach der Eitelkeit der Erde und dem Gelüste des Fleisches. Wo sind jetzt die Verwandten und Verbrüderten? Wir sind getrennt! ach! wir sind geirciinl. Bitten wir Gott, daß er ihn zu seiner Ruhe eingehen läßt." „Welche Trennung, o Bruder! welche Trauer! welche Kla gen ob der Veränderung! Auf, umarmen wir ihn, der vor kurzem noch bei uns war. Er ist dem Grabe verfallen, er ruht unter einem Steine, seine Wohnung ist in der Finsterniß, er schlum mert bei den Tobten, wir sind getrennt. Billen wir Gott, daß er ihn zu seiner Ruhe eingehen läßt." „Alle Uebel und alle eille» Freuden der Welt sind zu Ende; warum Hai der Geist seine Zelle verlaffen? Ist der Thon schwarz geworden oder das Gefäß zerbrochen? Er ist stumm, fühllos, lodt, unbeweglich. Indem er dem Grabe anheimfälli, bitten wir Goli, daß er ihn für immer zu seiner Ruhe eingehen läßi." „Unser Leben ist in der Thai wie eine Blume, wie ein Dunst, wie ein Morgenkhau. Sehen wir aufmerksam in das Grab. Wo ist die Anmuch des Körpers? Wo die Jugend? Wo die Augen und die Schönheit des Fleisches? Alles ist vertrocknet -wie das Gras des Feldes, Alles hingeschwunden. Kommet doch und weinet zu den Füßen Christi." „Komme« doch, o Söhne Adam's! Sehet den, der nach unse rem Bilde geformt war, der Erde übergeben. Alle seine Anmulh ist verschwunden; sie ist im Sarge zerflossen, sie dient den Würmern zur Speise, sie ist in Finsterniß begraben. Jetzt sind wir getrennt; bitten wir Gott, daß er ihn zu seiner Ruhe eingehe» läßt." . Die Griechen sind größtentheil« sehr abergläubisch; sie glau ben an Zauberei und nehmen gern zu Hexeiimeiflern ihre Zu flucht. Die unterste Volksklaffe ist wild und rachsüchtig; die Reliquien hält sie in hohen Ehren. Diese kräftigen Seelen be dürfen einer Anregung, und eben so glühend wie sic »ach dem Besitze einer Reliquie streben, eben so hitzig verfolgen sie auch den Gegenstand ihrer Rache, deren Erfüllung sie für eine heilige Pflicht halten. Ich erinnere mich eines Jünglings, dessen Bruder in einem Streite geiödiei wurde. Er löhnte sich mit dem Mör der aus und schwur, ihm zu verzeihen; er wurde sogar scheinbar dessen Freund. Ein Jahr lang brütete er Rache. Als endlich der Jahrestag des Mordes gekommen war, da führte er den Mörder in eine Schenke, und als die Stunde schlug, in welcher sein Bruder geiödiei worden war, stieß er den Dolch in das Herz seines Mörders. Die Griechen glauben, daß die Armenier verdammt sind. Von den Katholiken und Protestanten haben sie diese Meinung nicht. Ihre Kirche nimmt größtentheils die Lehre von der Gnade an, wie sie Johannes Eassianus, der Schüler des Johannes ChrysostomuS, gelehrt Hai; es ist eine semi-pclagianische Lehre. Sie glauben, daß der erste Anstoß zum Guten vom freien Willen ausgeht, den die Gnade dann erleuchtet. Den Papst verabscheuen die Griechen; ferner leugnen sie das Fegefeuer und erkennen nur die Bibel und die sieben ersten Konzilien an. Sie behaupten, daß der heilige Geist nicht vom Vater und Sohne, sondern bloß vom Vater auggeht. Sie nehmen das Abendmahl unter beiderlei Gestalten. Bildsäule» nehmen sie in ihre Kirchen und Häuser nicht auf, weil sie glauben, daß dies dem zweiten Gebote zuwider sey- Dagegen stehen die Bilder bei ihnen in großer Verehrung. Sie verehren die Heiligen und besonders die Jungfrau. Die Griechische Geistlichkeit ist im Allgemeinen sehr fana tisch, und sie erhält das Volk im tiefsten Aberglauben, um es desto besser leiten zu können. In Budscha, einem Dorfe bei Smyrna, habe ich gesehen, daß Griechische Priester einen Jüng ling in den Bann lhaien, weil er eine Katholikin geheiraihei Haxe. Den Ladenbesitzern war verboten worden, ihm etwas zu verkaufen, und da diese hier sämmilich Griechen sind, so war der unglückliche Jüngling gezwungen, alle Tage sein Brod bei den Europäischen Familien zu erbetteln. Das Hqupt der Griechische» Kirche ist der Patriarch in Konstantinopel; er wird von zwölf Erzbischöfen und Bischöfen erwählt und bedarf der Bestätigung der Pfone. Von der Geist lichkeit und den Grieche» erhält er kostbare Geschenke, und wenn er sein Ami aufgiebi, bewahrt er den Titel Er-Pawiarch. Es giebt noch zwei andere Patriarchen im Türkische» Reiche, de» zu Jerusalem und den zu Kahira. Man zählt fast l2N Erz bischöfe und Bischöfe. Die Geistlichkeit zerfällt in zwei Klaffen, die Mönche und die Laienbrüder. Den ersteren verbleibe» alle hohe geistliche Armier; diese könne» auch »ach ihrer Verhei- raihung noch die Aufnahme erhalten, aber sie dürfen auf keine Beförderung Anspruch machen, und wenn sie ihre Frauen durch den Tod verlieren, ist es ihnen untersagt, eine zweite Ehe einzu- gehen. Dieses Verbot wird auf folgende Weise moiivir,: Die Griechische Kirche gestattet ihren Glaubensgenossen nur, sich drei mal zu verheiraihen, und diese Vorschrift wenden die Priester auch auf ihr Verhälmiß an. Die erste Ehe des Priesters ist diejenige, welche er bei seiner Ordination zum Diakonus mit Christus eingehi, die zweite seine Weihe zum Priester und die dritte die Ablegung der Mönchegelübde. Stirbt seine Frau, so kann er also nicht noch eine vierte Ehe eingehen. Im Griechischen Ritus sind drei Messen täglich verordnet; die beiden ersten werden Morgens um 4 und um 7 Uhr, die dritte um 12 Uhr gehalten. Alic Gebete werden in Altgriechischer Sprache verrichtet. Die Priester müssen täglich vierzig Kyrie Eleison'« hersagen und einmal wöchentlich die Psalmen abbeien. Verheiraiheie Priester dürfen an den Tagen, wo sie ihren Frauen beigewohnl haben, nicht die Messe lesen. Hiermit mag diese Betrachtung der Sitten und Tinrichtun- geu der Raja'« abgebrochen werden. Sie haue keine» anderen Zweck, als den eigemhümlicheii Charakter einer jeden dieser Völ kerschaften hcrvorzuheben, die Berührungspunkte zwischen ihnen und de» Muselmänner» aufzuzeigen, so wie auf die Haupwer« schiedenhciien aufmerksam zu machen, welche sie gegenseitig von einander trennen. So viel ist sicher, daß, wenn alle Raja'« den selben religiösen Glauben hätten und unter dem Einflüsse dessel ben Prinzip« ständen, sie eine festgeschlosiene Masse sey» würden, welche einen Staat im Staate bilden und die Grundpfeiler der Osmanischen Herrschaft untergraben kömne Aber der religiöse Haß, welcher die Griechen, die katholischen und schismatnchen Armenier und die Juden scheidet, beding! nicht nur die Ober herrschaft der Muselmänner, sondern läßt sie sogar al» vonheil» Haft erscheinen. Wollte die Türkische Regierung die Anforde rungen der Zeit berücksichtigen und den Raja's bürgerliche und polnische Freiheit zugestehe», so würde» dieselben ein mächtiger Hebel zur Wiedergeburt und Wohlfahrt des Türkischen Reiches seyn- vr. V. Morpurgo. Mannigfaltiges — Aus Dänemark. Unter den jüngeren Dänischen Dich tern, die den Fußstapfcn Baggesen's und Ochlenschläger's folg ten und namentlich die alinorvischcn Sioffe, mit denen uns die verdienstvolle gelehrte Gesellschaft in Kopenhagen steis vertranter macht, auf poetische Weise zu benutze» verstanden, wird mit Aus zeichnung der Name Henrik Hery genannt. Zuerst war cr anonym als Verfasser von „Briefen eines Verstorbenen" ausge treten, die jedoch keine Nachahmung der Episteln von Muskau waren, sondern sich als Briefe des verstorbene» Dichters Bagge- sen über die neuesten Erscheinungen der Dänischen Literatur dar- stellcn. Diese Briefe machten so viel Aufsehen und gefiele» in Dänemark so allgemein, daß der König dem jungen Verfasser, nachdem er ermittel« worden war, ein Reisestipendium bewilligte, das ihn in den Stand setzte, Deutschland und Italien zu besuchen. Nach seinem Vaierlandc zurückgekchn, Hai er demnächst einen Cyklus von Dichtungen nach Thorwaldsenschen Basreliefs: „Amors Geniestreiche" und endlich eine Sammlung kleiner Lustspiele er scheinen lassen. Als seine gelungenste Arbeit wird mdeffen eine romantische Tragödie genannt, die den Titel führt: „Das Hau« des Svend Dyring" und deren Stoff den altnordischen Volksgesängen (Kiem;wvi8<>r) entlehnt ist. Man Hai dieses Trauerspiel bereits mil glücklichem Erfolg auf die Kopenhagener Bühne gebrach,, und namentlich sollen die darin eingestreuie» Lieder und Chöre von großem Effekt seyn. Eine Deutsche Uebersetzung desselben ist so eben in Hamburg und Kiel von einem Ungenannte» erschienen. — Unterricht in Frankreich. Die Anzahl der Franzö sische» Unterrichts-Anstalten Hal sich in den legten Jahren sehr vermehr,; dieselben sollen sich je»' auf etwa 4M,0<M belaufen, und die Zahl derjenigen, die darin Umerrich, erhallen, wird auf vier Millionen berechne,. So groß nun diese Zahl auch schein,, und so sehr sie die effeklive Anzahl der Lernenden in der Tha, über steigen mag, denn der Ueberschlag ist ein sehr summarischer und wahrscheinlich nur der runden Summe wegen in dieser Weise angegeben, so erreich, sie doch nicht das Verhälmiß der Lernen den zu der Bevölkerung, da» in Preußen stattsinde,. Während hier nämlich schon ein Lernender aus sechs bi« sieben Seelen (Z auf 2(y kommt, würde in Frankreich höchsten« Einer auf Acht zu rechnen seyu. In Rußland zähl« man, den letzten amt lichen Berichten zufolge, einen Lernenden aus 43 Seelen. Herausgegeben von der Redaction der Allg. Preuß. StaatS-Zeitung. Redigirt von Z- Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.