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lo« gewesen wäre, gewiß nichl überwärm werden. Wahrhaftig, von unerschöpflichem Elend ist die Ui erdrückung des Instinkts schwanger, indem er ja unsere physisc e Natur bestimmt; die Rechenkunst kann die zahlreichen Quelle,, des Uebclbefindens im civilisinen Leden nicht hcrza'hlcn, keine Un: rsuchung sie alle aus- wiliern. Gerade z. B. das gewöhnliche Wüster, dieses anschei nend unschädliche patzulum, ist, sobald es durch den Schmutz volk reicher Stadie verdorben, ein lödtlicher und heimtückischer Zerstö rer.') Wer kann sich wundern, daß alle die Amegungeminel zur Tugend, welche Gott selbst in der Bibel hinstelli, vergeblicher und von geringerer Wirkung gewesen sind, al« die Erzählung einer Amine; und daß jene Glaubenssätze, durch welche er die wildesten Neigungen erregt und gerechtfertigt Hal, einzig und allein für wesentlich gegolten haben, so lange Christen alle jene Lebcnsgcbräuche tagtäglich ausübcn, welche nicht nur die verwor fene» Söhne, sonder» auch diese begünstigten Kinder der Liebe des Vaters Aller mit Krankheit und Verbrechen angestcckl haben? Die Allmacht selbst konnte sie von den Folgen dieser Erb- und allgemeinen Sünde nicht erretten. Es gicbt keine Krankheit, weder des Körpers, noch des Geiste«, welche die Anwendung der Pflanzenkost und des bloßen Wassers nicht untrüglich gelindert hätte, wo nämlich der Versuch auf vernünftige Weise augcstcllt wurde. Schwache wurde allmä- lig in Stärke, Unwohlscyn in vollkommene Gesundheit umgewan- delt: Wahnsinn — in all seiner schrecklichen Mannigfaltigkeit, von dem Rasen des gefesselten Tollen bis za den unberechenbaren Irra tionalitäten übler Laune, welche eine Hölle im häuslichen Leben erzeugt — in eine stille und bedächtige Gcmülhsruhe, die allein ein sicheres Unterpfand der künftigen moralischen Reformation der Gesellschaft darbieten dürfte. Bei einem natürlichen System der Nahrungsweisc wäre hohes Aller unsere legte und einzige Krankheit; das Ziel unseres Lebens würde weiter hinausgerückt werden; wir würden das Leben genießen und nicht länger Andere vom Genüsse desselben ansschließcn; alle sinnliche Vergnügungen würden weit ausgesuchter und vollkommener seyn; die wahre Empfindung de« Seyn« wäre dann eine fortgesetzte Wonne, so wie wir sie jetzt in einigen wenigen günstigen Augenblicken unserer Jugend empfinden. (Schluß folgt.) Belgien. Lüttich und seine Denkmäler. Sechster Artikel. Die Stadt Lüttich zählte zur Zeil Karl s des Kühnen mehr als 120,000 Einwohner, doch vcrminderlc sich diese Zahl bedeutend durch die harten Bedrückungen und politischen Proscripsionen des Her zoglichen Stellvertreters Humbercourl, der sich in Lüttich auf Lem Pom d'Jle wie in einer Festung verschanzte, nur von seinen Gar den begleitet durch die Stadl rill und so allen denen Trotz boi, die durch seine beständigen Bedrückungen erbittert wurden. Die Frei treppe, das Symbol der Lütticher Freiheiten, welches aus dem Stadt« Wappen schon verbannt war, ließ er vom Lütticher Marktplatz nach Brügge bringen und auf der dortigen Börse mit einer für Lüttich schimpflichen Inschrift aufstellen. Als er einst die Stadt verlassen haue, um sich zum Burgundischen Herre zu begeben, zeigte sich ganz unvcrmulhel ein zahlreicher Haufe elender, ganz abgemagerter und entstellter Männer vor den Thoren von Lüttich; es waren die Ver bannten, die schon seil Monaicn im Ardenner-Walde umherirncn und nun ihre Vaierstadl Wiedersehen wollien, um wenigstens dort zu sterben. Der Päpstliche Legal verwandle sich für sie, und gewiß haue derselbe eine Aussöhnung zwischen ihnen und Ludwig von Bourbon zu Stande" gebracht, wenn nicht der unbeugsame Stolz Karl'« des Kühnen dazwischen getreten wäre. Kaum Halle dieser in Peronnc erfahren, daß Lüttich seine Thore den von ihm Verbannien geöffnel habe, so beschloß er die Zerstörung der rebellischen Siad«, umzingelte sie am 27. Oktober 1408 von allen Seiten und gab sie der Plünderung und den Flammen preis; 40,000 Männer wurden niedcrgemetzcll, 12,000 Frauen cnränki; die ganze Stadt branme, bis auf einige Kirchen und wenige Wohnun gen von Geistlichen, völlig ab; alle die, welche Li« Zerstörung ihrer Vaterstadt überlebten, suchten eine Zuflucht in dem Arden- ner-Walde, wo sie bis zum Abzüge der Burgundischen Truppen sich versteckten, die sieben Wochen lang ihr Verheerungswcrk trieben. Dann sammelten sich die Flüchtlinge wieder und bauten sich um die stehengebliebenen Kirchen an, wie einst in den ersten Zeilen Lüttichs, wo die Gläubigen sich um die Kapelle des heili gen Cosmus und des heiligen Damian angefledell hallen; doch diese Erde, auf welcher sie geboren, gehkne ihnen nichl mehr, sie mußlen sie erst zurrückkaufen, bevor ihnen erlaubt ward, dort zu leben. Nach mehreren Konferenzen mit dem Bischöfe Halle der Herzog von Burgund gestattet, daß in der Nähe der St. Lam- berls-Kirche 24 und bei den anderen Neben-Kirchen 12 Hänser für die obdachlosen Geistlichen und 104 für die zum Dienste der Kirche noihwendigen Laien erbau« werden durften- Wahrscheinlich als Dank für dic>e große Gnade, bewilligte Ludwig von Bourbon dem Herzoge das Recht, von jedem dieser neu erbauten Häuser eine jährliche Abgabe zu erheben, dann überließ er ihm auch für dreißig Jahre alle Abgaben, welche auf den Waaren lasteten, die durch die Bogen-Brücke geführt wurden, und da« sich auf ein Dreißigstel des Wenhes belief. Außerdem bclehnie der Bischof 1 Lamhes Berichte über de« Krebs- 471 den Herzog noch für einige Zeiten mil demjenigen Theil des Lütticher Gebiets, der die Siadiinsel heißt, und gestand ihm das Recht zu, hier eine Stadl oder eine Festung ganz nach seinem Belieben zu erbauen. Dafür erließ der Herzog dem Bischöfe und dem Kapiiel die für dieselben während des Krieges gemachien Ausgaben, welche sich auf mehr als 400,000 Gulden beliefen. Die Erlaubniß, bauen zu dürfen, welche Karl der Kühne erkheill Halle, wurde von Jedem aufs eifrigste benutz«; es ent standen eine Menge Hütten aus Holz oder Stroh, denn steinerne Häuser wurden erst in späterer Zeit wieder in Lüttich erbau«; Jeder bemächliglc sich des ersten besten S«ück Landes, man zahlle dem Burgundiichcn Statthalter die gebührenden Abgaben und baute dann darauf los, ohne Laß man irgend daran dachte, mit seinem Nachbar gleiche Linie zu halten; noch Henie bemerkt man in Lüttich die Spuren dieses allgemeinen Wirrwarrs. Humbercourl, der sich in; Insel-Viertel förmlich verschanzt Hane, setzte zur Verwaltung der aus ihrer Asche sich wieder er hebenden Stadt einen aus neun Personen bestehenden Rach ein, welcher ganz vom Herzog abhängig war und nur nach dessen Gefallen handeln durfte. Unterdessen wuchs die Bevölkerung von Lüttich nach und nach immer mehr, und Humbercourl und der Bischof übersahen cs absichllich, daß mal« viel mehr Woh nungen erbaute, als Ler Herzog eigentlich gestattet Hane; dieser aber, der von der Uebcnretung seiner Vorschrift benachrichtigt wurde und schon über die Verzögerung der auserlegten Straf summe erzürnt war, sandle Abgeordnete »ach Lüttich mit dem Befehl, alle überzählige Häuser einreißen zu lassen. Ls mußte nun in möglichster Lil Gold aufgelricben werden, um den Zorn des Siegers zu dämpfen; doch fiel der Herzog schon 1477 im Kampfe g'gcn die Schweizer bei Nancy. Sobald Ludwig von Bourbon den Tod Karl's des Kühnen erfuhr und er sich dadurch seines mächtigen Beschützers beraubt sah, Lachte cr auf Mittel, um sich so bald als möglich mit seinen Unterchanen auszusöhnen. Er begab sich also »ach Gent zu seiner Nichte Maria von Bur gund, der einzigen Tochter Karl's des Kühnen, und erlangte von der jungen Fürstin für die Lütticher großmüihigen Erlaß aller vom Herzog auferlcgien Strafsun.mcm Sie entsagte dem Besitz des Lütticher Insel-Viertels, so wie der Oberherrschaft über das ganze Land, und befahl die Zurückgabe aller Dokumente, Frei briefe und Schriften der Stadl, welche nach Bergen gebrach« worden waren; doch kam es nicht zu dieser Zurückgabe, weil bald darauf wieder Unruhen in Flandern ausbrache». Aus Dankbarkeit wiesen die Lütticher alle Anträge zurück, die ihnen der König von Frankreich, Ludwig XI., machte, der sich gegen die Fürstin rüstete,' der schlaue und treulose Charakter des Königs stand bei den Lüttichern noch in zu frischem Andenken, und sie wollten nichts davon wissen, den Interessen Frankreichs beizutrelen. Am S. April 1477 berief der Bischof das ganze Volk im Viertel Humbercourl zusammen und las ihnen die aulhenlische Erklärung Maria's von Burgund vor- Wenige Tage darauf .stattete der Adel mit dein berüchtigten Wilhelm von der Mark, der unter dem Namen des Ebers der Ardennen so bekannt ist, Lem Fürsten seinen Dank ab und ersuchte ihn, alle Körperschaften und Gerechtsame des Landes wicdcrherzustellen, was Ludwig von Bourbon auch bewilligte. Die Hinsbcrgische Gesrtzordnung trat wieder in Kraft, die 32 Gewerke wurden in ihre alten Rechte eingesetzt, und man durste die Bürgermeister wieder selbst wählen. Diese Maßregeln wurden vom Volke mit lebhaftem Beifall aus genommen; am meisten aber war es darüber entzück«, daß es ihm gestalte« seyn sollte, das Wappen der S«ad« Lüttich wieder zurück zu holen, das vor zehn Jahren nach Brügge gebrach« worden uzar. Man sandle zu diesen« Zweck eine zahlreiche und glänzende Rcnerschaar ab, au« den vornehmsten Familien des Landes er wähl!, deren Nachkommen dafür, zum Gedächtniß des dabei be wiesenen Eifers, alle Rechle und Privilegien der 32 Handwerke der Siadl genossen, ein Vorzug, der ihnen bi» zum Jahre I78S verblieb. Im Jahre 1478 kamen die Abgeordneten zurück, und man stellte das Palladium der Stadl auf Ler großen Fomaine, der Violette gegenüber, auf. Noch aber war die Stadl von allen Seilen offen, und sie besaß weder einen Schatz, noch reiche Bürger, die zur Aufführung von Mauern ceistcucrn konmcn; man forderte daher die Kirchgemeinden auf, jede ein Viertel, so gm es ihnen möglich wäre, zu befestigen, und so entstanden denn nach und nach wieder einige Maucrstreckcn; Loch wurden diese Arbeiten bald durch neue sehr ernste Unruhen unterbrochen. Wilhelm von Ler Mark d'Arembcrg, der Eber der Ardennen, der insgeheim durch den König von Frankreich aufgereizr war, stellte sich an die Spitze der Unzufriedenen und Vertriebenen und lchme sich gegen den Bischof auf; zwar versöhnte cr sich Oir einige Zeit wieder mit ihm und wohnte bei ihm im Bischöflichen Palast, machte sich aber Lurch seine Anmaßungen und seine Rohheit so verhaßt, daß ihn die Schöffen aus Ler Sladl verbann ten. Um sich dafür zu rächen, stellte er sich an die Spitze von S — 0000 Mann und ging auf Lüttich los, wo er noch viele Anhänger zählte. Bei Ler Nachricht von seinem Anrückcn ließ der Bischof die Stadttruppen und die Bürgerschaft zusammcnberufen, beichtete und stellte sich selbst an die Spitze seiner Leute, nachdem er ihnen zuvor Wein Halle reichen lassen. Als cr zum Thore von Amcr, coeur hinabgcrittcn war, erblickle cr den Feind in geringer Em- fernung in den Hohlwegen nahe am Karlhäuscrkloster aufgestelll; kaum näherte sich der Bischof einem dieser Hohlwege, so sah er sich plötzlich von den Banden de» Eber« umrigt: sein wilder Gegner stürzie mil aufgehobenem Schwene auf ihn los; „Gnade, Gnade, mein Fürst, ich bin Euer Gefangener!" ries der Bischof.