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444 gehörig verstanden oder es für unmöglich gehalten haben, mit einem einzigen Bataillon fast ohne Munition sich im Louvre zu halten, er entblößte allmälig von Truppen die Galerieen und die Kolonnade dieses Palais und führte nach dem Carrouffel und den Tuilerieen die Truppen, welchen ihre Venheidigung anver traut war. Wie man sagt, sühne Herr von Salis nur auf wie derholte Vorstellungen dieses Manöver aus, das die Niederlage der Königlichen Sache entschied. Denn als die auf dem Platze der Kolonnade versammelten Pariser bemerkten, daß diese Si'el- lmzg nicht mehr besetz« war, stürzten sie sich in die Giller, dran gen in das Louvre ein und verbrennen sich in dem sogenannten Saale der großen Männer, wo einige verwundere Schweizer durch die Unmenschlichkeit der Sieger noch vollends den Rest er hielten. Man drang in die Gärten de« Infamen, in das Museum für Skulptur und in das der Marine. Vergeben« riefen die fliehenden Schweizer, daß die Feindseligkeiten eingestellt waren; man antwortete ihnen nur durch Flintenschüsse. Lin dreizehn- bis vierzehnjähriges Kind erstieg zuerst die Terrasse, pflanzte dort die dreifarbige Fahne auf und stieg mit violer Geschicklich keit hinunter, um das Feuer der Schweizer zu vermeiden. Ein anderes Kind, fast von demselben Alter, erstieg ein Giller des Louvre inmitten eines Hagels von Kugeln. . (Fortsetzung folgt.) England. Der Engländer außer dem Hause. lNach dem ^tia«.) Der große Unterschied zwischen dem Charakter der Engländer und der Franzosen oder Belgier tritt erst in der freien Luft am deut lichsten hervor. Auf einem Theil des Kontinents leben die Leute gewissermaßen außerhalb ihrer Häuser, was ohne Zweifel dem Klima mit zugeschrieben werden muß; John Bull hingegen lebt mehr in seinen vier Pfählen, was freilich auch dem Klima, aber doch hauptsächlich dem kaufmännischen Wesen des Engländers bei zumessen ist. Das Aeußere >ener Äonlinemalbewohner zeigt Heiter keit und allgemeine Freundlichkeit, wie sie aus einem freien ge mischten Verkehr entspringen, während eine mürrische Verdrießlich keit, durch das Schweigen und den umhätigen Ernst des häuslichen Lebens genährt, die kalte Erscheinung des Engländers bezeichnet. Diese verschiedenen Charakter-Richtungen mögen jede an sich ganz naturgemäß seyn, doch ist der Vorcheil gewiß allein auf der Seile der heileren Lebens-Philosophie. Auf dem Kontinente strebt fast die ganze Bevölkerung nach Genuß; um die Städie herum sind angenehme, schattige Spazier gänge angelegt, die Häuser werden größtemheils mit Balkonen und vielen Fenstern versehen; dort reiht sich beständig Vergnügen an Vergnügen, doch mit möglichst geringem Kostenaufwands, und die Absonderungssucht ist da so wenig Sitte oder Bedürfniß, daß selbst die höchsten Klaffen ohne Ausnahme an den Volksfesten- Theil nehmen. In England sind die grünen Alleen etwas Un bekanntes, es ist nicht anständig, sich außer dem Hause anders als im Wagen zu zeigen; ländliche Lustbarkeiten werden für die Feiertage aufgespan und sind nur fürs Volk, und unsere Häuser werden mit Fensterläden und Vorhängen, mit Decken und Tape ten wohl verwahrt. Herr Buckingham Hai Session vor Session dem Parlamente eine Bill vorgelegt, in welcher er auf die Ein richtung einiger Spaziergänge in der Umgegend der Stadt an trug, aber dieser Vorschlag war dem Volksaeiste durchaus zuwi der, und obgleich er seinen Antrag mit demselben Eifer und der selben Hartnäckigkeit wiederholte, wie Herr Bish seinen Rath, die Sitzungen des Parlaments zuweilen in Dublin zu halten, so konnte er dem Hause doch nie die geringste Theilnahme dafür , abgewinnen; es giebl gewisse Dinge, bei welchen der Verstand der Engländer still steht, und Alles, was auf eine Milderung der strengen Unterschiede eines künstlichen Gesellschaflszustandes hin zielt, gehör« zu dieser Kategorie. Vor einiger Zeil erlebten wir einmal eine Probe von der Art und Weise, wie sich der Englän der bei Unterhaltungen im Freien benimm«. In Beulah-Spaa, einem niedlichen Thale, das wie ein Vogelnest zwischen den Mi- uiatur-Hügeln von Norwood lieg«, war unter hoher Leitung ein Konzen zu einem wohlihäiiqen Zweckel zu Stande gekommen, in welchem die Jialiänischen Künstler und die Alpensänger mitwir ken sollten. Als ich von einer der waldbewachsenen Höhen in die Vertiefung hinunter blickte, wo die Gesellschaft versammelt ivar, überraschic mich die angenehme Färbung der Scene; die Menge der Herbeigeeilien hauchte der Wald-Einsamkeit Leben ein, es herrschte gerade so viel Mumerkei«, als nöihig war, um den Kontrast gegen die Ruhe der Natur hervorzuheben; du« Sum men und Geräusch der fashionablen Unterhaltung klang »ach Heiterkeit und Frohsinn. Als wir aber hinunlerstiegen und uns unier die Gesellschaft mischten, verschwand der ganze Zauber; es war nicht« als eine Versammlung von einigen Hundert Men schen, die sich dem Orchester gegenüber zusammendränglen und seit einer Stunde auf die Ankunft der Grisi warteten; und wie hübsch wir uns auch in der Phantasie die ländliche Idylle aus- gemali hatten, so erblickten wir doch eigentlich nichts Anderes al« das an einen ländlichen Ort hin versetzte Theater, mit seiner Hitze, seinem Gedränge, seinem Anstarren und seinem Lärm; Alles war nur hergekommen, um die Grisi zu hören; Wald und Wasser, Blumen und Gra«, kurz die ganze Landschaft ward kei nes Blickes gewürdigt. Es sah au«, als fürchte sich die Gesell schaft völlig, daß sie am Ende doch noch in einen ländlichen Paroxysmus verfallen könne, und einige Wenige ausgenommen, die sich im schattigen Labyrinthe ergingen und in freier Bewe gung sich glücklich zu fühlen schienen, waren alle so förmlich, so nackt und so gelangweilt, al» es der stolzeste Aristokrat nur immer wünschen konnte. Die Gegend von Beulah-Spaa eignet sich auch nicht recht zu einem fashionablen Feste; e» giebt da eine Menge von Häus chen, in denen man Thee bereiten oder kalte Mahlzeiten verzeh ren kann, und es Hai Alles das Ansehen von Vergnügen im Sinne der Volkes. Man muß jeden Augenblick gewärtig seyn, unter den Bäumen Leute gelagert zu finden, die große Körbe voll Schinken und Champagner bei sich haben und von deren nahem Freudengeschrei das Gehölz wiederhalli. So etwas verstößt nun sehr gegen da« Englische Schicklichkeitsgefühl; in Frankreich sieht sich die Eigenliebe nie durch den Konflikt mit der lärmenden Lustig keit des Volkes gekränkt, in England aber sind Berührungen die ser Art von sehr störendem Einfluß. Die Erscheinung des Herzogs von Sussex bei dieser Gele genheit war das wichtigste Lreigniß dieses Tages; an verschie denen Punkten des Thales wurde der Prinz mit der National« Hymne begrüßt, und in der ganzen Versammlung «hat sich die wärmste Theilnahme für seine Person kund. In Bezug auf den Volksgesang aber machten wir diesmal und auch schon frü her die Bemerkung, daß er im Publikum nicht mehr denselben Anklang wie sonst findet; das Volk zeigt nicht mehr die Begei sterung dafür wie in jenen Kriegszeilen, wo Siege und wichtige Eroberungen in uns einen wahrhaft fieberhaften Enthusiasmus erregten. Ein langer Friede kühlt die Vaterlandsliebe der Menge ab, und der Engländer verhält sich heutzutage bei solchen Gele genheiten so ruhig, als wenn seine National-Gefühle ganz abge stumpft wären. Das Volk hat noch keinen rechten Anlaß, bsi dem Namen der Königin Viktoria in Jubel auszubrechen; sie Hal bis jegl noch wenig oder gar nicht« all c»prAmluui gelhan, sie Hal noch kein fremdes Land besiegt, kein Schiff in die Luft gesprengt, es muß erst irgend eine große Begebenheit sich ihrem Namen «»schließen, sonst bringt er keine Wirkung hervor. Es fehlt uns ein Anlaß zu Feuerwerken und Freudenfeuer», und so lange wir nicht etwas mit Enthusiasmus zu feiern haben, steht unsere Na« tionaliiät in Gefahr, ganz zu erkalten. Wir sind eine träge Raye und können nur durch beständige Aufregung in Bewegung erhal ten werden. Wir verstehen uns nicht auf Emeuien, wir müssen dazu verleitet und erst in Leidenschaft versetzt werden, wir müssen Krieg und Auflagen bekommen, wenn unsere alte Kraft sich wie der in uns regen soll. Und auch hierin sind wir ganz verschieden von jenen Völkern des Koniinenl«, die sich selbst aufzureizen wissen, wenn es gleich an einem äußeren Anlaß dazu fehl«. Mannigfaltiges. — Englisches Uriheil über die Deutsche Viertel« jahrschrifi. Das Erscheinen einer An von ljurrterlz'- oder Lämburgk-lreview in Deutschland — und eine solche soll doch die seil dem Anfänge des vorigen Jahre» bei Colla heraus- kommende „Deulsche Vierieljahrschrifl" seyn — mußle naiürlich auch in England Äufmerksamkcil erregen. Ein Artikel über das „Oorman itnurterlz- kerimlie»!", welcher sich im Seplemberhefle der koroign ÜIontkI> liovivvv befindet, äußerl sich über jenes Unlernehmen folgendermaßen: „Wiewohl diese Zeiischrif« den Begriffen, die wir mil einer solchen Publicalion verbinden, nicht emsprichl, so muß sie doch als ein wichiiger Abschnitt in der neueren Literaturgeschichte Deutschlands angesehen werden. Die Zusammensetzung des Jnhalis Hal keineswegc» nach einer ge wissen Regelmäßigkeit stallgefunden; stall sich auf die Beirach« lung von Werken zu beschränken, die kürzlich erschienen sind, oder auf die Erörterung von Fragen, die ein momentanes Interesse haben — Fragen, deren größerer Theil allerdings durch den Mangel an Freiheit der Besprechung politischer Gegen stände ausgeschlossen bleiben muß — bringt sie uns eine Reihe folge von geographischen, historischen, medizinischen, kritischen und anderen Versuchen über ältere und »euere Materien. Einige dieser Versuche sind freilich höchst interessant und ausgezeichnet sowohl durch den Styl als durch den darin eniwickellen Geist; andere jedoch erscheinen uns als das gerade Gegeniheil und hier durchaus nicht am rechten Orte, schon wegen ihrer furchtbaren Länge, da sie oft mehr als 7V enggedruckie Seiten einnehmen. Was wir, al» Ausländer, gegen dieses System hauptsächlich ein zuwenden haben, ist, daß es uns keinen Einblick in dasjenige ge wahrt, »yas gegenwärtig in der intelligenten Welt Deutschlands vorgehl, einen Einblick, den wir naiürlich zu allererst von einem Werke erwärmen, das einen solchen Titel wägt. Mil Ausnahme einer in der ersten Nummer befindlichen (sehr animosen) Muste rung der Schriften Heine's, ist in dem ganzen Jahrgange kaum eine Hinweisung auf Deutsche Geisteswerke, gleich viel, welcher Ari." — Der Englische Berichierstatter geht sodann den Inhalt der hauptsächlichsten Artikel durch und verweil« besonder« bei dem erschöpfenden Aufsage Alexander'« von Humbold« „über die Schwankungen der Gold-Produclion", von welchem er seinen Lesern einen ziemlich übersichtliche» Auszug giebt. Herau«geaedtn von brr Redaktion der Mg. Preuß. StaatS-Zeitung. Redigin von Z. Lehmann. Gedruckt bei N. W. Havu.