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443 SU« den Generalen Lafayette und Gerard und dein Herzoge von Choiseul zusammengesetzt seyn sollte. Dieser Betrug, der in den Bureaus des Xatwnsl seinen Ursprung hatte, fand vorzüglich durch die Bemühungen des Herrn Lavocat, eines alten Offiziers aus der Kaiserzeit, Glauben, welcher, wegen einer Cvnspiraiion gegen die Bourbons im Jahre 1820 verurcheilt, seit der Salbung Karl's X. begnadigt war. Mil eigener Hand zeichnete ein ande rer Führer der Volkspanei, Taschereau, die Ramen dieser drei Bürger auf die Akte, welche den Herrn Duvergier zum Direk tor der National-Druckerei ernannte. Diese kühne Fiction hatte den Erfolg, den Much der Insurgenten zu stützen. Aber in der Versammlung der Depulirlen bei Audry de Puiraveau herrschte dieser Muth nicht; gegen Mitternacht wurde die Sitzung auf gehoben, ohne daß die Depulirlen einen Entschluß gefaßt Hütten. Die Pariser trafen in der Nacht vom 28. auf den 2!> Juli alle Vorbereitungen zu einer furchtbaren Vercheidigung. Eine bewaffnete Bevölkerung zog durch die Straßen, die durch die Eon- ceniranon der Truppen frei geworden waren und fast alle zwanzig Schrille ihr Pflaster verloren hatten. Dieses Pflaster, wie Bal ken, Wagen, umgehauene Baume, Tonnen, Hane man zur Errich tung von Barrikaden benutzt, welche der Kavallerie wie der Ar tillerie jede Cicculation versperrten. Die meisten Barrikaden waren von den Zöglingen der polytechnischen Schule errichtet, deren Gegenwart durch die Wiedererweckung der Erinnerungen an ihr heroisches Benehmen bei der Invasion 1814 zu dem glücklichen Erfolge der Jnsucrccüon unglaublich bciirug. Da überall die Siadilalernen vernichiel waren, so stellte man Leuchter an die Fenster; den Arbeitern brachte man Lebens- und Erfrischunge« nckilel. Statt der gewöhnlichen Ruhe der Nacht erschollen in einigen Kirchen die Sturmglocken, und tausendfaches Getöse be herrschte die Straßen. Diesem Schauspiele von Tumult und Anarchie trat komrastirend gegenüber der Gesang patriotischer Hymnen von 1703, mit welchem sich das Seufzen der Verwunde ten und das Wehklagen der Familien verschmolz. Unter den Leitern der Volksbewegung erblickte man in der ersten Reihe den General Lafayeiie, dann einige alte Trümmer der legislativen Versammlung, den General Machicu Dumas, den Herzog von Choiseul, die Herren Alex. Delaborde, Carbonnel, Dumoulin, die Obersten Jacqueminol, Dufay, Girard und die beiden Söhne des Mar schalls Ney. Audry de Puiraveau machte sich durch eifrige Auf forderungen und durch die reichliche Hülfe, welche er den Insur genten gewahrte, in hohem Grade bemerklich. -Der General Pasol endlich hatte auf einen Befehl der Deputieren, den der ältere Dupin abgefaßt Hane, seil r- Uhr Morgens sich an die Spitze der Naiionalgarde gestellt. Diese Thängkeu und diese Harmonie i» den Anordnungen herrschten aber nicht im Hauptquartiere der Königlichen Armee. Die Zugänge zu den Tuilerieen wurden ohne alle Vercheidigung gelaffen. In größerer oder geringerer Entfernung waren die Kasernen mit Truppen gefüllt, wurden jedoch nicht geräumt. Die Kavallerie haue die großen Communicattonen um Paris nicht fei erhalten, hatte die Zerstörung der Telegraphen durch die In surgenten nicht verhindert. Im Innern waltete die größte Un entschlossenheit. Der Männer, welche einer an sich gerechten, aber durch zu frühzeitige Angriffe offenbar geschwächten Sache dienten,-hatte sich Mißtrauen und Niedergeschlagenheit bemäch tigt. Des peinlichen Kampfes müde, hatten schon zwei Ossiziere der Königlichen Garde, die Herren de la Tour-du-Pin und Tur« got, ihre Dimission cingereichl. Dec Marschall war offenbar emmulhig«, er veränderte mehrere Male seine Venhcidigungr-Maß- regeln. Endlich wies er den Truppen ihre Stellungen an. Bevor jedoch der Marschall eine Bewegung machte, glaubte er an die Pariser eine Proclamaiion richten zu müssen, in welcher er das Unglück dec Siad« bedauerte und in der Hoffnung, daß die guten Bürger unverzüglich zu ihrem Heerde zurückkehren würden, die Feindseligkeiten zu suSpendire» erklärte. Hierauf lud der Marschall die Maire's von Paris nach den Tuilerieen. Der Siegelbewahrer seinerseits lud den König!. Hof ein, sich ins Schloß zu begeben. Dieser Schritt des Ministeriums Hattie den doppelten Zweck, sowohl sich auf das Corps der Maire's als einen Mittelpunkt der Thätigkeit zu stützen, als auch die viel leicht geneigten Magistraiepecsonen zu hindern, der Sache der Re volution Beistand zu leisten. Schade, daß diese Maßregel nicht ausgeführi werden konnte. Die Insurgenten begannen ihre Feindseligkeiten wieder in der Nähe des Palais-Bourbon, das sie in Besitz nahmen, eben so das Hotel der garäes-llu-corp-j, wo sie 300 Flinten fanden. Während dieser Scharmützel rückie eine Masse Pariser vorsichtig nach dem Louvre und den Tuilerieen. Ein anderer Schwarm griff den Justiz,Palast an, warf dort die bronzene Statue Karl's X. um und schleppte sie an einem Stricke um den Hals mit sich fori. Das Museum der Artillerie von St- Thomas d'Aquin wurde an demselben Morgen gestürmt und geplündert. Kein selt sameres Schauspiel, al» die Pariser mit Gothischen Waffen zu sehen, und wie sie im is,en Jahrhundert die Freiheit mit den Waffen und den Panzer-Hemden der Feudalitcki veciheidigien. Als der Marschall sah, daß die Fortschritte der Jnsucreciion sich nicht mehr hemmen ließen, beschwor ec den Fürsten Polignac, die verhängnißvollen Ordonnanzen zurückzunehmen; das scy das einzige Rettungsmittel für die Monarchie. Aber dieser wies einen solchen Vorschlag hartnäckig zuruck. In diesem Augenblicke zeigten sich im Generalstabr zwei Würdenträger, die, von den schweren Gefahren durchdrungen, welche den Thron und das Vaterland bedrohten, den hochherzigen Entschluß faßten, ihnen zuvorzukommen und zu diesem Zwecke sich zwischen dem Hof und dem Volke als Vermittler aufzustellen. Dies waren Herr von Sömonville, Groß-Referendar der Paire- Kammer, und Herr von Acgoul, Mitglied dieser Kammer. Unter mehreren Regierungen Hane Jener durch geistige Gewandt heit, takt- und muihvolles Benehmen, so wie durch sein Talent für Unterhandlungen, sich in den höchsten Würden des Staaiee behauptet. Als ein geschickter, aber oft fester und aufrichtiger Hofmann genoß ec das Zutrauen Karl's X. und üble einen ziem lich starken Einfluß auf die Kammer der Pair« aus. Herr von Argoui, durch seine Dienste in dec Verwaltung ausgezeichnet, gehörte mehr zur constttutionnellen Partei. Der Marschall Hörle sie gern an und führte sie augenblicklich zu den Ministern. Kräf tig warf Herr von Sömonville dem Fürsten Polignac das Un glück der Hauptstadt vor und sprach seine Absicht aus, den König selbst um die Zurücknahme der Ordonnanzen zu bitten. Das Ge räusch dieser Konferenz zog mehrere Generale herbei, die sich im benachbarten Zimmer befanden. Von Zeit zu Zeit gab der Marschall in so starker Bewegung die Befehle zum Kampfe, daß die beiden Paics die Idee ausgaben, von ihm eine kühne Maß regel zu fordern, nämlich die Minister selbst gefangen zu nehmen und sie unter die Obhut des Gouverneurs der Tuilerieen, des Herrn von Glandevös, zu stellen, der diese Mission über sich ge nommen hatte. Herr von Argom wollte dem Volke diesen ekla tanten Entschluß verkünden, und der Groß-Referendar widmete sich dem peinlichen, vielleicht gefahrvollen Versuche, persönlich den König um Verzeihung zu bitten. Dieses Projekt ward je doch durch die Ankunft des Herrn von Peyronnet vereitelt, der durch einige Worte sein Staunen über die Unentschiedenheit aus- drückie. Dieser Umstand bewog die Herren von Sömonville und Argoul, sich unverzüglich nach St- Cloud zu begeben. Sie bcr gleitete der General Alec- von Girardi», der in dieser schwierigen Lage mit allem Eifer und aller Einsicht diente. Die Minister schickten sich an, ihnen bald zu folgen. Bei ihrer Abreise »ölhig- ten sie dem Herzog von Ragusa noch die förmliche Versicherung ab, daß seine gegenwärtige Stellung unangrcisbar sey, und daß ec, falls cs seyn müßte, sich noch vierzehn Tage gegen die ganze Bevölkerung von Pacis halten konnte. Obwohl der Marschall den Truppen vorgeschrieben hatte, bis auf einen neuen Befehl jede Feindseligkeit zu vermeiden, so dauerte das Feuer immer noch son- Der Angriff gegen die Stellungen des Louvre nahm einen regelmäßigeren Charakter an; Tirailleurs griffen unaufhörlich die Schweizer an, welche die Terrasse und die Kolonnade besetzt hielte». Einige Kanonenschüsse würden hingereicht haben, um die Zugänge zu dieser Stellung frei zu erhalten; aber der Marschall weigerte sich hartnäckig, zum Feuern zu aulvrisiren. Solche unzcilige Schwäche stand in grellem Widerspruche mit der Energie der Jnsurreclion, hatte einen zu deutlichen Amheil an der Kaiastrophe, die nun hervortritt. Die Herren Pelit und Huneau von Origny; Maire's von Paris, hauen sich in Begleitung mehrerer Mitglieder des Stadt- Raihes auf die Einladung des Marschalls nach den Tuilerieen begeben. Der Herzog von Ragusa überredete sie, das Volk zur Suspension des Feuerns aufzufordern und die Antwort von St. Cloud zu erwarten. Er bevollmächtigte sie zu der Ankündigung, daß er um die Zurücknahme der Ordonnanzen gebeten hätte, und daß er hoffte, sie zu erhalten. Diese Parlamcmaire vollzogen ihre Mission mit Eifer und Erfolg. Umer den Truppen und den In surgenten zeigte sich selbst eine Ari Annäherung; man rief von beioen Seiten: Es lebe der König, es lebe die Charte! Aber in dcmseloen Augenblick Höne man vorn Louvre her eine lebhafte Explosion; die Jnsurgemen ergriffen die Waffen, und jede Hoff nung der Unterhandlung war plötzlich verschwunden. Die Ursachen dieser verhängnißvvllen Umwandlung waren folgende: Der Gouverneur der Invaliden, Herr von Lawur-Maubourg, hatte den Marschall benachrichtigt, daß die Bevölkerung von Gros- Caillou in Masse aufgestandcn wäre und auf die Militair-Schulc losrückte, von wo sie die Commnnication mit St. Cloud durch die Brücke von Jena unterbrechen konnte. Andererseits waren zwei LinicmRcgimenler auf dem Platze Vendöme den Aufforderungen des Herrn Eugene Laffitte, Bruder des Depuiirien, und des Ober sten HeymeS gefolgt und zum Volke übecgcgangen. Die Offiziere Haxen sich nach der Wohnung des Herrn Laffitte begeben, welche seil demBruche der Unterhandlungen mit dem Ministerium gewisser maßen das Hauptquartier der Insurgenten geworden war. Man sürchieie, daß dieses Beispiel von einem anderen Regimenle, das in den Straßen Castiglione und Rivoli stand, nachgeahmi würde. Aber die Thäiigkeii des Obersten Maussin, welcher das Regiment kommandine, kam diescin Abfalle zuvor. Zu gleicher Zeil zog dec Marschall aus dem Louvre ein Schweizer-Bataillon, um cs in dem Garten der Tuilerieen aufzustellen. Nachher schickte er an Herrn von Salis den Befehl, sein Regiment zu konzemriccn, um alle Trup pen bei der Hand zu haben, falls ein Rückzug gemacht würde, den der Abfall zweier Linien-Regimenter erfordern könnte. In der Eile vergaß der Marschall, daß ec noch andere Regimenter hätte, welche ihn mit größerer Leichtigkeit verstärken konnten. Vielleicht legte er auch weniger Gewicht auf die Bewegungen, indem er glaubte, daß die Feindseligkeiten zwischen dem Volke und den Truppen, welche durch die Amnestie suspendiri waren, nicht wieder ansangen würden. Wie dem auch sey, diese an sich schon, unangenehme Unachtsamkeit bekain durch einen der gewöhn lichen Unfälle noch mehr Gewicht, die zu oft auf das Loos der Schlachten und dec Reiche einen entscheidende» Einfluß ausgeübt haben. Mag nun Herr von Salis den mündlichen Befehl nicht