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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22^ Sgr. (1 Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monar-bie. Magazin für die Man pränumerirt aus dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in dec Expedition (ZriedrichS-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 111. Berlin, Montag den 16. September 1839. China. Erlebnisse eines Französischen Missionairs m Eamon.") Am 21. April erfuhren wir, daß der Vice-König der Provinz Eamon am folgenden Tage uns Audienz, geben wollte. Um sechs Uhr in der Frühe weckte mich ein brüllendes Rufen vor der Thür der Faktorei. Ss waren die Ausrufer des Mandarins, der uns begleiten sollte und der bereits mit den Dolmetschern angekommen war. Dem lästigen Zureden dieser Leute nachgcbend, stiegen wir schon vor acht Uhr in unsere Sanf ten, und die Träger förderten uns mit erstaunlicher Schnelligkeit »ach dem Palaste. Als wir angelangt waren, führte man uns durch einen kleinen mit Laternen geschmückten Hof in einen Saal. In diesem Saale stand ein großes mit einem sehr schlechten Tep pich überdecktes Götzenbild, und daneben ein Tisch, vor welchem ein rolher Teppich lag. Rings um den Tisch halte man zwei große Taboureis und vier mächtige hölzerne Armsessel mit kleinen rochen Polstern gesetzt. Alsbald erschienen mehrere subalterne Würdenträger, die uns allerlei neugierige Fragen stellten. Einer von ihnen sagte, er habe in Peking einige Missionaire kennen gelernt, und bat uns, ihnen seinen Gruß zu vermelden, falls wir sie sprechen sollten. Um halb zehn Uhr stellten sich mehrere von den Hvng-Kauf- leuien ein, deren Chef uns bei Seite führte und uns vorstellie, daß wir vor dem Vice-König ein Knie beugen müßten, wie auch die letzten Portugiesischen Missionaire gechan hätten. Wir sagten weder Ja noch Nein, waren jedoch fest entschlossen, unser Kompliment nur auf Französische Weise zu machen. Endlich um halb Zwölf wurde uns angekündigi, daß Seine Ercellenz unserer warleie. Sogleich emfermeu sich die Hong-Kaufleute. Drei Dolmetscher geleiteten uns bis zuc Thür, und einer verließ in unserer Gesellschaft den Saal, während man drei Kanonen ab- feuerie- Wir kamen in einen Hof, in dessen Mitte eine schöne Allee war; zu beiden Seilen dieser Allee standen zwei Reihen Soldaten aufgepflanzl. Wir betraten diese Allee nicht, sondern schritten durch einen der beiden Seiiengänge bis zu einem sehr hohen Vordache, unter welchem der Vice-König saß. Zwei bis drei Stufen tiefer als er hauen die subalternen Mandarinen und noch tiefer die Dienerschaft Platz genommen. Der Vice-König war sehr einfach gekleidet und saß auf einem gewöhnlichen Sessel. Der Dolmetsch stellte uns ihm in einer Entfernung von zehn bis zwölf Schritten gegenüber. Wir machten unsere Europäische Verbeugung; der Dolmetsch aber warf sich nieder, mit Ler Stirn an den Boden schlagend. Wir antworteten stehend auf mehrere Fragen, die unsere Namen, unser Alter, die neuesten Nachrichten aus Europa u. dergl.,betrafen. Nachdem vier bi« fünf Minuten verstrichen waren, führte man uns an die Seile und hieß uns auf breiten, aber dünnen Kiffen Platz nehmen. Um nicht wie Barbaren zu sigen, hätten wir die Beine unterschlagen müssen; allein wir hauen dies nicht gelernt und kämen wegen unserer ungeschickten Positur i» ziemliche Verlegenheit. Sobald wir saßen, reichte man dem Vice-König und jedem von uns, nicht aber den Mandarinen, kleine Porzellan-Taffen, die eine An von dünnem Milchbrei mit Zucker enthielten, der mir sehr gut mundete. Seine Ercellenz fragte uns noch mancherlei, z- B- ob wir in der Astronomie bewanden seyen u. dergl- Wir verstanden alle seine Fragen, besaßen aber nicht Uebung genug, um Chine sisch antworten zu können, und mußten uns also der Englischen Sprache bedienen. Ale die Zeit der Audienz abgelaufen war, entfernten wir uns umer Verbeugungen, und sogleich erfolgte eine neue -salve aus drei Kanonen- Am 2. Mai wurde uns offiziell angezeigi, daß unsere Abreise i» acht Tagen vor sich gehen sollte. Der Mandarin, welcher uns als Begleiter zugcordnel war, machte seine Aufwartung, und wir bewirihcten ihn mit allerlei Europäischen Leckerbiffen, die ihm ganz wohl behagien. Er nipp,« etwas von dem Ligueur, den man ihm vorgesetzt Hane, nahm dann unsere Gläser, eine« um das andere, mischte den darin befindlichen Ligueur mit dem seinigen und lud uns ein, zum Zeichen der herzlichen Eintracht, die stets zwischen uns bestehen sollte, diese Mischung gemein. Aus eine« noch ungedruckten jchncttichen Mittdeituu« an «men anderen VHMonatr, darin vom 4 April schastlich zu trinken. Bei dieser Gelegenheit lernte ich zum ersten Male eine sonderbare Methode, die Schnupftücher zu sparen, kennen. Chinesen, die Taback schnupfen, führen außer dem weißen Taschentuch, das an ihrem Gürtel hängt, noch ein kleines farbiges, das man immer gefaltet läßt und beim Gebrauche nur ein wenig öffnet. Auch unser Gast Hane solch ein unsauberes Tuch miigebrachi; aber mochte es nun zu schmutzig seyn, oder mochte er es schonen wollen — genug, er kehne sich von Zeil zu Zeit gegen seinen Portefeuille-Träger, der das Signal verstand und ihm jedes Mal ein Stück Papier, als Substiim des Taschen tuchs, reichte. Wenn die Mandarinen ausgehen, so haben sie unter ihrem ansehnlichen Gefolge immer einen Bedienten, der ein großes Portefeuille umerm Arm trägt untz, wenn der Herr irgendwo ein- kehri, hinter seinem Stuhle steht, jedes Winkes gewärtig. Der zu unserer Abreise nach Peking angeseyle Termin ver strich, und erst gegen Ende des Monais ließ der Vice-König bei uns anfragen, ob wir reisefertig seyen und an welchem Tage wir abreisen könnten? Der Chef der Hong-Kaufleute, welcher die Antwort überbringen sollte, langte unaufgefordert seinen Kalender hervor, um zu sehen, was für ein Tag der glücklichste wäre, und empfahl uns dann sehr lebhaft den ll). Juni. Wir gaben ihm zu verstehen, daß wir von Glücks- und Unglücks-Tagen wenig Notiz nähmen und am liebsten so bald als möglich abreise» wür den, gleich viel, an welchem Tage. Obschon man aber so großes Vertrauen auf den il). Juni setzte, so würde die Behörde doch noch eine Zeitlang gezögert haben, hätte nicht ein unvorher gesehene« Ereigniß sie bestimm«, unsere Abreise zu beschleunigen. Ich benutzte unseren langen Aufenthalt zu einigen Exkursionen in der Stadl und ihren Umgebungen. Der Gedanke, manchen Ort besuchen zu können, dsm andere Europäer kaum nahen durf ten, machte diese Ausflüge noch interessanter Obschon ich aber von Kopf bis zu Füßen in Chinesischem Kostüm steckte und wirk liche Chinesen zu Begleitern Hane, so wurde ich doch überall gleich erkannt und mit dem Zurufe „Fan-kuei" (ausländischer Teu fel) begrüßt. Dieses Epithel ist den Chinesen so zur Gewohnheit geworden, daß sie sich oft ganz arglos desselben bedienen. Auf zweien meiner Spaziergänge gelaugte ich unbehindert in die Stadt. Das drille Mal versuchte ich, von einer anderen Seile hineinzukommen, aber dieses Mal umdrängle mich ein lärmender Volkshaufe und machte mich zum Gefangenen. Vergebens be deutete ich dem Haufen, daß ich gern bereit sey, wieder umzu kehren. Ich mußte auf der Hauptwache bleiben, die nahe am Thor ist, bis man den Statthalter der Provinz von meinem Atten tate in Äennlniß gesetzt Halle- Der Statthalter befahl dem Bür germeister, deshalb eine Untersuchung anzustellen, und dieser kam mit seinem ganzen Gefolge a» den On, wo ich als Arrestant verweilte. Nicht ohne Mühe öffneten ihm seine Trabanten eine Gaffe durch die Menge neugieriger Gaffer. Man guckte aus allen Fenstern und kletterte bis auf die Dächer, um den Fan-kuei in seiner Chinesischen Kleidung zu sehen. Der Herr Bürgermeister von Camon überzeugte sich bald, daß mein Verbrechen nicht groß war; dock ermähnte er mich nachdrücklich, es nicht wieder zu begehen. Er befahl einem Offi zier und einigen Soldaten, mich nach den Faktoreien zu bringen und den Chef der Hong-Kaufleme von dem Vorfall zu unterrich ten, damit er und seine Gilde hinführo ein wachsameres Auge auf mich hätten. Dieses kleine und nicht eben angenehme Abenteuer Hane we nigsten« die gute Wirkung, daß «na» am nächsten Tage einen Man darin zu unserem Begleiter nach Peking ernannte- Dieser Tag war der 7. Juni; aber die Abreise ging doch erst am illien vor sich. Da ich auf meinen zwei ersten Ausflügen nach Camon ganz nngenirl und unangefochten hcrumschlendern konmc, so entging mir keine der wenigen Merkwürdigkeiten dieser Hauptstadt, die sich von der Straße aus beobachten lassen- So bemerkte ich im zweiten Stock eines Hauses, dessen Faz-ade einer großen Straße zugekchrl war, eine Wasser-tthr, die ich aber leider nicht genau beschreiben kann, da es mir nicht erlaubt war, das Hau« zu be treten. Ich sah nur da« Wasser aus einem größeren Gefäße in ein darunter befindliche« kleineres Gefäß tröpfeln. Der obere Behälter war von Thon und der untere von Eisen; in dem letz teren zeigte ein Maßstab die Stunden an- Das ansehnlichste Ge bäude ist ein großer die ganze Stadl beherrschender Tempel, in dem ich eine Zeitlang ausrnhic- Die sogenannten Paläste der