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428 sonen des Reichs, deren Unterhaltung bei der Musik eines beson ders schlechten Orchesters vor unberufenen Ohren sicher seyn konnte. Ranelagh war Jahre lang Alles in Allem; es ist be kannt, daß von seinen Thüren ab die Wagen eine fortlaufende Reihe bis zur Ecke der St. Jamesstraße bildeten, und erst in den letzten Jahren hat man die Straße, die jetzt Ranelagh-Sireet heißt, mit Schlagbäumen versehen, um die ankommenden und abgehenden Zuge in gehöriger Ordnung von einander entfernt zu halten. Ranelagh ist von der Erde verschwunden; eine Dampfmaschine bläst ihren geräuschvollen Rauch aus, wo früher die Seufzer von Liebenden die Luft erfüllten, und ein sogenannter Delphin, der den Zweck hat, aus der Mündung der Westminster-Schleuse reines Wasser auszupumpen, ist da zu sehen, wo früher eine glänzende Treppenflucht für die ängstlichen Gäste angebracht war, die lieber das irdische Paradies zu Wasser besuchten, um nur die Gefahren des Wagengedränges zu Lande zu vermeiden. Auf Ranelagh folgte Vauxhall; neulich verbreitete sich das Gerücht, auch Vauxhall gehe jetzt den Weg alles Fleisches oder aller „öffentlichen Vergnügungsorie." Das ist zwar nicht wahr, aber so viel ist gewiß, daß Vauxhall nicht mehr das ist, was es war. Die Sille, in Vauxhall zu soupiren, Hal aufgehön, und die Klaffe seiner Besucher ist veränderl. Vor dreißig Jahren war es der Sammelplatz des Vornehmsten und Glänzendsten. Die Herzogin von Devonshire, die Herzogin von Bedford, die Her zogin von Gordon, Lady Castlereagh und Alle, die in der elegan- >en Well den Ton angaben, kamen donhi», und um sie herum sah man nicht bloß diejenigen, welche zu ihren eigenen Kreisen gehörten, sondern auch die, welche, den Glanz ihrer Kleidung und ihre feine Sitten nachahmend, schaarenweise die Gärten anfüllien. Dies ist jetzt anders geworden, und das kommt daher, weil man jetzt ähnliche Gesellschaften in Privathäusern giebt, nur in viel glänzenderem Maßstabe. Die Feien des Adels verdunkeln alle Anstalten, die an öffentlichen Orten gemacht werden, um Glanz und Unterhaltung zu schaffen, und die immer auf einem Streben nach Gewinn basiri sind. Die Privalfele ist in einer Nacht zu Ende, der öffentliche Garten bleibt die ganze Saison hindurch offen. Von dem Augenblick ab, wo es Sine in der Aristokratie wird, sich abwechselnd Feien zu geben, wirb ihr Zusammentreffen an einem öffentlichen Ort überflüssig. Daher gehen auch die Fashionabeln nicht nach Vauxhall. Troy der ge rühmten Selbstständigkeit unserer Landsleute ist doch die Liebe zum Rang und der Wunsch, mit ihm in Berührung zu kommen, eine allgemeine Leidenschaft. Sobald die Fashionabeln weg bleiben^ kommen auch die Nichl-Fashionabeln nicht mehr hin, und so nimmt die ganze Geschichte eiu Ende. , Eine viel bedeutendere Veränderung in den öffentlichen Ver gnügungen, die in »och kürzerer Zeil cingeireien ist, besteht in der Veredlung der Genüsse der niederen Klasse und der Verfei nerung des Geschmacks, wie sie sich sehr sichtlich darin ausspricht, daß Konzerte auf einmal so beliebt geworden sind, und daß zu ihrer Aufführung an öffentlichen Orten oder in Theegärten, die vor wenigen Jahren eine sehr untergeordnete Rolle spielten, Zimmer eingerichtet werden, die an Glanz mit denen des Almacks-Älubs oder Hanover-Square's wetteifern sollen- Während die Theater in der letzten Saifon ganz leer waren, sobald sie nur dramatische Unterhaltungen gaben, waren sie zum Erdrücken voll, wenn Kon zerte aufgeführl wurden, und obgleich der Eintrittspreis nur 1 Shilling betrug, so ging doch Alles viel geordneieter und ruhiger zu, als man sonst von einem so gemischien Publikum erwaneie. lSchluß folg« ) Polen. Die berühmtesten Polnischen Schriftsteller des letzten , Jahrhunderts. *) Nach Stanislaus Kozmian. IV. Joseph Szymanowski. Der Ruhm Joseph Szymanowski's scheint auf den ersten Anblick keine zureichende Begründung zu haben, denn er stützt sich hauptsächlich auf seine gereimte Ueberfegung von Montes quieu'« bekannter Erzählung in Prosa, „der Tempel von Knidos". Aber das Verdienst dieses Dichters besteht nicht sowohl in der Uebenragung, als in der neuen Anmulh, welche er seiner Mutter- Sprache bei dieser Arbeit abzugewinnen wußte. Der alte Styl der besten Polnischen Schriftsteller war männlich, energisch und dem Geist einer kriegerischen Nation vollkommen angemessen. Szymanowski aber brachte Wohlklang und Lieblichkeit hinein. Seine Oden, Lieder und leichteren Gedichte werden um ihrer feinen Empfindung und graziösen Diciidn willen bewundert. In denen, welche der Liebe geweiht sind, ist diese Gottheit mit solcher Ruhe, Keuschheit und klassischen Eleganz geschildert, daß man glauben muß, er habe sich Eöwley's Grundsatz zum Muster ge nommen, der irgendwo sagt, die Dichter gälten nicht eher als Bürger in ihrer Zunft, bevor sie nicht der Liebe einen Zoll ent richtet oder sich ihr zur Treue verpflichtet hatten. Bergt. Nr- IM des Magazins- V. Dionysius Kniaznin. Das Talent dieses Dichters brachte ihn frühzeitig mit den Beschützern der Kunst und Literatur in Berührung, an deren Spitze die Czarwryskische Fürstenfamilie stand. Der wahrhaft Königliche Hof der reichsten Ldelleuie, an welchem früherhin eitle Müßiggänger herumschwärmlen, verwandelte sich, als eine moralische Metamorphose mit dem Lande vorgegangen war, in einen Schutz- und Zufluchtsort für die Jüngeren, die sich erst einen Namen machen sollten, und für die Alten, deren Tage des Ruhms schon vorüber waren. In Pulawy fand der junge Äniaz- nin einen Arm, der ihn stützte, und Augen voll Feuer, die ihn auf seiner poetischen Laufbahn ermunterten. Der begeisternde Einfluß des xenius loci ist überall in seinen Dichtungen wahrzu- nehmen. Seine drei Schauspiele: „die dreifache Heiralh", „die Zigeuner" und „die Spartanische Mutter", — wovon das letz tere herrliche lyrische Stellen enthält, — wurden für das Theater von Pulawy geschrieben. Sein „Ballon", ein Gedicht in zehn Gesängen, schildert die Unternehmungen einer zu Pulawy unter Leitung eines Französischen Mathematikers gebildeten Ge sellschaft. Die Pläne derselben gelangen nicht, gaben aber dem Dichter einen unterhaltenden Stoff. Den Idyllen Kniaznin's fehlt es nicht an Grazie; den meisten Werth aber haben seine Oden, in denen sich oft große Kraft aufs harmonischste mit sanfter Schwermut!) paart. Gewaltiges Pathos Hal er nament lich in den „Elegieen des Orpheus auf Eurydice" entwickelt. Außerdem dichtete er auch Fabeln und machte treffliche Latei nische Verse, die in vieler Hinsicht sehr an Cowper's ähnliche Arbeiten erinnern. Eine unglückliche Leidenschaft verdüsterte Kniaznin's Tage; es fehlte dem Ort seiner dichterischen Triumphe nicht an »insr Eleonore, die zu hoch stand für seine Huldigungen. Seine Liebe brachte ihm einen frühen Tod. Mannigfaltiges- — Flamändische Sprache und Literatur. Als ein erfreuliches Resultat des zwischen Holland lmd Belgien zu Stande gekommenen Frieden« darf zunächst auch die Wiederbelebung des Eifers für Flamändische Sprach- und Literatur-Denkmäler ange sehen werden. Das Flamändische, vom Holländischen so wenig verschieden, daß der Ausländer den einen Dialekt von dem anderen kaum zu unterscheiden vermag, war in Belgien, einesiheils durch die Anlipaihieen gegen Holland und andereniheils durch die Sym- pachieen für Frankreich, besonders seit den Ereignissen von I8L0 so mißachtet, daß e« nicht bloß von der politischen Rednerbühne und in der höheren Gesellschaft ganz verschwand, sondern allma lig durch die größere Verbreitung Französischer Zeitungen, durch die Anstellung Wallonischer Prediger in Flamändische» Gemeinden und durch die ganz Französische Organisation des Militairs auch bei den niederen Ständen zu verschwinden drohte. Daß eine solche Mißachtung der Muttersprache aus bloßer Nachäffung des Auslandes den Flamändischen Belgiern eben nicht zur Ehre ge reichte, sahen die Besseren unter ihnen wohl ein, doch ließ die politische Leidenschaft keine Stimme aufkommen, die sich etwa für die Erhaltung jener Nanonal-Denkmäler wollte vernehmen lassen. Erst in der neuesten Zeit und seitdem der König Leopold, dem, als einem Deutschen, das Flamändische allerdings werth seyn mußte, eine gewisse Theilnahme für Bestrebungen dieser Ari zu erkennen gegeben, mache» sich diese auch mehr bemerklich. Der König Hal sogar eine besondere Kommission ernannt, die sich mit einer größe ren Vereinfachung der Flamändischen Orthographie beschäftigen soll, und diese hat bereits ein Gutachten darüber veröffentlicht. Gleich dem Holländischen wird auch das Flamändische darin als „ueäeräuitselw rsal" (Niederdeutsche Sprache) bezeichnet und damit das Verhäliniß des Dialektes zum Hochdeutschen von selbst festgestellt. Besonder« die Schreibung der Diphthonge, so wie der Gebrauch des i und des V, fand bisher auf sehr willkürliche Weise statt, und dem wird nun bereit« durch die Vorschläge der Kommission abgeholfe». Die Geistlichkeit hat sich bereit erklärt, in den Gesang- und Gebetbüchern, die sie von jetzt an drucken läßt, eine konforme Schreibung in der vorgeschlagenen Art statt« finden zu lassen. Gleichzeitig ergiebt sich auch, daß bereit« ein kleiner Kreis recht verdienstvoller Flamändischer Dichter exiflin. Wir nennen darunter Herrn Prüden« van Duyse, welcher unter dem Titel „Vaäerlsnäsckv ?oerij" drei Bände lyrischer Gedichte herausgegeben, von denen ein größeres: „der Tod des Grafen von Egmom", von einer Flamändischen Ge sellschaft mit einem Ehren-Preise belohnt wurde; ferner Herrn Ledeganck, welcher einen Band lilovmvn mljner I.ente (Blumen meines Frühlings), und Madame van Äcker, die ebenfalls einen Band Gedichte unter dem Titel „lUaäelieven" (Maßliebchen) erscheinen ließ. Als Schriftsteller in Prosa werde» die Herren Willems, Visscher«, Lambin, Snellaen u. A. genannt. Der Einfluß Deutscher Romantik macht sich bei allen neueren Flamändischen Dichtern bemerklich, insofern sie nämlich nicht mehr, wie ihre Vorgänger, bloße Bearbeitungen Französischer Themata liefern oder die Mythologie der Griechen und Römer ausbeuren; indessen ward ihnen dieser Einfluß nicht direkt zu Theil, sondern erst auf einem Umwege, durch die Vermittelung der Franzosen, sind sie nnbewußi auf Deutschen Boden zurück geführt worden. Herau«gegeden von ter Redaktion der Allg. Preuß. Staat«-Zeitung. Rcdigirt von I. Lehmann. Gedruckt dei A. W- Hayn.