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427 von Rang und Erziehung solchen rohen Scencn beiwohnen, schein! uns so ungereimt, daß wir kaum begreifen können, wie dies je möglich war, selbst in Zeilen, die, mit der unsrigen ver glichen, barbarisch zu nennen sind." „Stecvcnö, der Kommentator von Shakespeare, bemerkt, daß man früher in einige» Grafschaften Englands eine Katze mit einer Quantität Ruß in ein Faß cinschloß, das an einer Schnur aufgehängt ward, und daß derjenige, der so geschickt war, indem er darunter hin lief, den Boden cinzustoßen, ohne daß er von seinem Inhalt, der Katze, berührt ward, für den König dieses unmenschlichen Festes angesehen wurde, welches damit endete, daß man die Katze zu Tode jagte. Die Verfolgung, der diese Thiere in besonderem Grade ausgesetzt waren, soll in dem Glau ben ihren Grund gehabt haben, daß sie mit den Hexen intim be freundet seyen —' ein Verdacht, der hinreichend war, sie dem unwissenden Haufen verhaßt zu machen." „Uebrigens wird cs in unseren rigoristischen Tagen nicht leicht Glauben finden, daß die Zeil, die gewöhnlich diesen und anderen barbarischen Spielen, so wie der Ausführung von Stücken, dem Kartenspiel, der Musik, dem Tanz und anderen Ergötzungen gewidmet wurde, der Nachmittag des Sonntags war." Nachdem wir uns von dem Verfasser jenes größeren Werks über die Britischen Spiele und Vergnügungen eine allgemeine historische ttebcrsichl dieser Seile des Englischen Lebens haben geben lassen, wenden wir uns jetzt, wie wir anfangs beabsichtig ten, zu dem vorigen Jahrhundert und der jüngsten Vergangen heit insbesondere, um sie mit unserer Gegenwart zu vergleichen. Die Veränderungen und Fortschritte, die sich hier ergeben, sind uin so interessanter und merkwürdiger, als ja England während dieser ganzen Zeil nicht, wie im I7len Jahrhundert, durch eine jener großen inneren Revolutionen erschüttert wurde, die solche Veränderungen gleich beim ersten Anblick natürlich erscheinen lassen. Eine Belustigung, die im vorigen Jahrhundert besonders be liebt war und die jetzt ganz aus der Mode gekommen ist, sind die Maskeraden, über die sich ein geschmackvoller Zeitgenosse folgendermaßen äußere „Maskeraden", sagt er, „haben vor einigen Jahren viel Spektakel in diesem Königreich gemacht, zur unaussprechlichen Freude der meisten eleganten Herren und Damen und zu gleich großem Verdruß für viele wohlmeinende Umenhanen Ihrer Majestät- Sie haben uns in zwei wüihcnde Parteien gctheilt, die sich so feindlich gcgenübersiehen, wie Whigs und Tories, und deren keine der anderen das Geringste nachgiebt. Die eine Partei ist durchaus für diese Zerstreuung und will sic durch Nichte beschränken lassen, nicht einmal durch die Rücksicht auf das Sittliche, die andere dagegen will ein- für allemal nichts von diesen Vergnügungen wissen und verunhcill Jeden, der daran Thcii nimmt, mögen seine Absichten noch so rein seyn." „Die Aegyptischen Priester bezeichneten jedes Ding durch eine Hieroglyphe; ihre Gottheiten erschienen vor den Augen der Menge als Hunde, Affen, Gurken und Zwiebeln, so daß die Vorstellungen von der Allmacht ihr Schreckliches für die Menge verloren. Die Persischen Magier verbargen ihre Religions- Ccrcmomcn vor dem Volk, und bei den Griechen waren die Mysterien so heilig, daß, wenn ein Eingeweihter es wagte, etwas davon auszuplaudcrn, cr des Todes sterben mußte. So war es auch bei den Römern — die Maske war ihren Priestern unentbehrlich, und bei der nächtlichen Anbetung der Venus, des Adonis, Bacchus und anderer niedrigerer Gottheiten mußte Allee maskin seyn." So weil diese ernstkomischc Venheidigung der Maskeraden, und nachdem wir noch zur Geschick«? derselbe» angeführt, daß in der Zeit, von der die Rede ist, die Damen gewöhnlich ins Theater und an andere öffentliche One maskin gingen, wollen wir sehen, was später aus ihnen geworben. Die Maskeraden erhielten sich in der Mode vom Anfang des vorigen Jahrhunderts ab bis zu den Tagen der Mistreß Cornelys und von der Zeil der Mistreß Cornelys bis zum Pantheon; dann wurden str ln Privachausern gegeben und bildeten eines der an ziehendsten Elemente des geselligen Lebens. Das Paniheon ist nicht mehr da, und cinc Maskerade ist etwas, woran kein Mensch mehr denkt, die Klaffe» und Äieise ausgenommen, welche nichts mit der Gesellschaft zu lhun haben, bei der sie noch innerhalb der legten 28 Jahre in Schwung waren. Die Maskeraden sind jetzt durch die sogenannten Kostüm-Bälle verdrängt; doch scheinet, dieselben einen schlechten Ersatz abzuge ben, da es den Engländern bei ihrer angeborene» Prüderie so peinlich ist, eine fremde Rolle zu spielen; daher sieh« auch Nichts abgeschmackter aus, als ein ehrbarer Gentleman und seine Frau, Lie, als Schweizer Bauern gekleidet und mit geschminkten Gesich tern, eifrig ihre häuslichen Angelegcnhcuen besprechen, als wären sie in ihrem gewöhnlichen Kostüm, oder cin Griechischer Häupt ling und ein Pascha von drei Roßschwcifcn, die mit einem lie benswürdigen Chinesischer Whangfong znsammensiycn und be schäftigt sind, die Freuden oder, was wahrscheinlicher ist, die Lei be» der letzten Soiröe zu diskmircn. Da ist uns denn doch die Maske lieber: die Maske verbirgt den Mensche», sie gicbi ihm da« Bcwußtseyn der Sicherheit und zwingt ihn »ich,, große An- strengunge» zu machen, um sich zu verstellen, indem sic von vorn hcrem der ganzen Person die erwünschte Haltung giebi, und die kurzweilige Sine der alten Zeck', maskirtc Freunde herauszufin den und -u entlarvet;, war gar nicht so übel. Was die cigemiiche» Bälle bcirsffi, so waren vor dreißig Jahren Comreiänze Mode, die jetzt verbannt sind, und vor fünf zig Jahren wurden sie sogar bei Hofe getanzt, indem ihnen immer die Menuet vorausging. Jetzt würde man in einer Dame lind einem Genileman, die eine Menuel tanzen, ein Bild von Adam und Eva vor dem Süiidcnfall sehen- Der Walzer, der während des Krieges aus unsere Insel dräng, scheint nur eine Erneuerung eines Tanzes zu seyn, der mit viel Lebendigkeit und Witz voii dem alten Herrn im Spoctator beschrieben wird, welcher sagst „Ich glaube, dieser Tanz ist nur erfunden worden, um zwischen jungen Frauen und Männern ein gutes Einverständniß zu erhalten; doch ich bin überzeug«, wenn Du hier gewesen wärest, Du würdest reichen Stoff zu Betrachtungen gefunden haben." Uebrigens erzählt uns Lady Blessingtvn in ihrem jüngst erschie nenen Werk „der Müßiggänger in Italien", daß die Art, wie. die Franzosen den Walzer tanzen, durchaus freizusprcchen ist von den Vorwürfen, welche die Sillsamen noch immer diesem Tanz in England machen- Doch es ist Zeil, daß wir auf die Seile des Engli scheu Lebens einen Blick werfen, die für unser Thema »och viel reichere und interessantere Resultate liefert, als die bisher angeführten, wir meinen die Promenaden und öffentlichen Vergnügungen, daß wir sehen, inwiefern die hier cingeircteneii Veränderungen und Fortschritte mit der Geschichte und den Fort schritten des Zeitgeistes zusammenhängen. Vor sechzig Jahren war der Mall in Sankt - James - Park die fashionable Abend-Promenade- Jetzt wird der Mall nur zu einer Durchfahrt von Whitehall nach Pimlico benutzt, und Abend- Promenaden giebi es gar nicht mehr, weil die Klaffe von Perso »en, die in der Gesellschaft den Ton «»geben, diniren, wenn ihre Großväter zu Abend aßen, und sich zum Souper ankicidcn, wenn ihre Vorfahren vor 2M Jahren sich zum Schlafengehen cmklci deien. ' Aber der schöne Ganen, der den sumpfige» Anger verdrängt hat, und der Holländische Kanal, den er cmschlicßi, ist an den Sommerabenden voll gedrängt von denen, die dinirt haben und sich eben so gern daselbst ergehen, als die, welche nicht gegessen haben; cr bieici dem Publikum eine neue Quelle des Genusses und zieht eine Menge verguügungslustigcr Leute von den vor städtischen Thcegärlc» und Kegelbahnen ab, die in den letzten 28 Jahren bei den Einwohnern Londons so beliebt waren. Die Promenaden der fashionabeln Welt haben einen ganz andc rcn Charakter angenommen; ihre unbedeutendsten Vergnügungen müssen von Wissenschaft und Kunst gewürzt, Gärten, die besucht seyn wollen, müssen mit Bären und Löwen gefüllt seyn. Der Charakter und die Neigungen von Ottern und Sträußen, die Gc- wohnheilen des Nilpferdes, die Sitten und Bewegungen dcr Affen und Paviane, und die häusliche Geschichte der Giraffe, deren Familie erst jüngst mit einem Zuwachs beschenkt worden, bieicn unseren jungen Ladies ein UntcrhaltungSthcma, das zugleich ein feines Medium für sic ist, durch welches sie de» zarten Unsinn ihrer galante» Begleiter anhören können, und damit das Ganze mehr der Menge imponin, wird der Sonntag zu diesen Prome naden bestimmt utid zugleich das Volk von der Thcilnahmc an ihrem Vergnügen ausgeschloffen; denn dem Reichen und Vor nehmen sind allö Tage in der Woche gleich, während für den Handwerker und Arbeiter Sonntag der einzige Tag ist, wo cr Muße Hal, über den Gesichtskreis seiner Wcrkstälte hinauszusehen oder cinc Luft einzualhmen, die reiner ist, als die stickige Atmo sphäre der letztere». Dann werden von Zeit zu Zeit Besuche in Chiswick gemacht, um zu zeigen, was man in dcr Wissenschaft dcr Blumcnkultur leisten kann; hier werden Medaillen, Vasen und andere ersehnte Kleinodien den Herren und Dam'cn überreicht, die im Stande sind, den größten Rittersporn, die schönste Nelke, die lieblichste Lilie dec Jahreszeit vorzuzeigen. Für diesen Anblick muß man - 10 Shillinge an der Thür zählen zur Erhaltung des Fonds, aus welchem die Direktoren und das Comite mit den feinsten Äegc, tabilien um den niedrigsten Preis versehen werden. Eine andere Sille, die neulich ausgenommen ist, ist die, auf den Gottesäckern in dcr Nähe dcr Siad«, welche die schönsten Punkle einnchmcn, zu promeniren. Diese Sine soll, wie es heißt, auf die Gesundheit, Sittlichkeit und heitere Stimmung dcr Leute sehr voriheilhafi wirken, und diejenigen, die an dem Genuß, den sie gewähr«, Theil nehmen, meinen, sie sey das, was dcr Dramatiker ncnnc „durch de» Tod lebend." Alls diese Dinge sind erst während der legten 28 Jahre Mode geworden. Früher war der Kensington-Garien gut genug zur Sonntags,Promenade und offen für alle anständige Perso »cn, die gern mit denen zusammen waren, mit denc» sic sonst nicht in Berührung kamen — jetzt gehl Niemand nach Kensing ton-Gauen, außer wenn man eines von den glänzenden Musik Corps der Garde-Kavallcric-Regimemer will spielen hören, — und dies ist immer an einem sogenannle» Wochentage, damit nur ja kein Anderer als die „wenigen Auscrwähllen" den Genuß «heilen kann; daher wird auch dcr Tag und sogar die Stunde, wo das Konzert stallfindel, vor Allem, außer was Mistreß Trol lope kröine nenn«, si sorgfältig gehen» gehalten, wie in den Tagcn dcr Kiopffechicr-Kunst dcr Ori, wo der Kampf vor sich gehen sollte- Ranelagh war vor sechzig Jahren der Glanzpunkt der Mode: man spazierte daselbst in der Rotunde, wie ein Pferd in einer Mühle, umer den Düfien von Thee und Kaffee, die in Wasser kesseln gebraui wurden, welche auf Feuern in der Mitte des Saals kochten und getrunken wurden von den vornshmsten Per-