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Wöchemlich erschein«» drei Nummern. PränumerationS- Prei« 22^ Sgr. (z Thir.) euerteijähriich, Z Thir. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man prönumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr. Staat«» Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Rr. 72); in der Provinz s» wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 107. Berlin, Freitag den 6. September 1839. Kaukasien. Neueste Reisen nach Georgien und dem Kaukasus. Die im Laufe dieses Jahres erschienenen Reiseberichte der Lugender Wilbraham und Spencer liefern uns interessante Bei träge zur Kenmniß eines Theiles von Vorder-Asien, der erst in der neuesten Zeit, wegen seiner Eroberung durch die Ruffen und wegen der langen Kämpfe dieser Nation mit den Gebirgshorden des Kaukasus, die Aufmerksamkeit des größeren Publikums er regt hat.') Capital» Wilbraham war Britischer Offizier im Dienste des Schachs von Persien. Als das Persische Heer im Juli 18Z7 gegen Herat marschine, blieben die Britischen Offiziere bekannt lich zurück, und Herr Wilbraham benutzte diese Periode der Un« lhckiigkeil, um einen Ausflug in die Länder zwischen dem Kas pischen und Schwarzen Meere zu machen. Als der Verfasser, bei Kschelfa über den Arrad setzend, das Russische Gebiet betrat, erblickte er bald den majestätischen Arrarai, dessen Ersteigung sehr schwierig und außerdem, wegen der Nachbarschaft räuberischer Kurdenstämme, mit Lebensgefahr verbunden ist. Die Landstraßen sind in sehr schlechtem Zustande, und selbst Lebensmittel kann man nur mit genauer Noch be kommen. Die Russischen Truppen in diesem Theile Armeniens werden zum Straßen- und Brückenbau angehalten; jedes Regi ment hat eine große Anzahl Zimmerleute, Maurer, Grobschmiede und anderer Handwerker. Zum Aufgraben der Erde zwingt man die Eingeborenen. Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, hat eine sehr malerische Lage. Der niedere Staduheil ist noch ganz orientalisch; er ent hält lange Reihen Basars, in denen man überall Georgier und Armenier in ihrer Nationaltracht erblickt. Das Russische Quar tier ist weitläufig, regelmäßig und in grandiosem Style angelegt. Die Reihen der Häuser erheben sich längs dem Uferrande des reißenden Stromes Kur und werden hin und wieder durch Garien- Terrassen und große freie Plätze unterbrochen. Auf einem Felsen des überhangenden Berges stehen die Trümmer eines alten Tür kischen Kastells. Ein Gesuch unseres Reisenden, von hier aus die Provinzen Mingrelien und Jmirciien besuchen zu dürfen, wurde ihm, aus dem angeblichen Grunde, daß die Pest dort ausgebrochen sey, von der Behörde abgeschlagen. Die Georgischen Frauen sind träge, phlegmatisch und im höchsten Grade unwissend. Ihre gerühmten Reize schwinden ge wöhnlich sehr früh; nur das dunkle Auge behält seinen Glanz. Die Gräfin Simoniisch, Gemahlin des Russischen Gesandten in Teheran, ist eine Georgierin — eine sehr imposante Frau, die, obgleich Mutier einer zahlreichen Familie, noch Spuren hoher Schönheit zeigt. Capitain Wilbraham reiste durch den Terek-Paß in die Kau kasische Gebirgs-Region. Das Thal war so tief und eng, daß. er und seine Begleiter mehrere Stunden lang in wahrer Finsterniß wanderten. An beiden Seilen des Weges erhoben sich die Berge wie riesenhafte Granit-Mauern, und tausend vorspringende, halb losgeriffene Felsenstücke hingen dräuend über den Häuptern der Wanderer. Am Paffe Dariel, der Pforie des Kaukasus, sind die Felsen einander so nahe gerückt, daß der schäumende Terek ihre Basis bespült. Der Paß ist hier in den Felsen gehauen, der den wülhenden Strom überhängt. Hat man den Dariel zurück gelegt, so öffnen sich die Berge allmälig und enthüllen die weite, mit üppigem Fuiterkraut bewachsene Ebene der Kabarda. Zu Karras, in den Steppen der Linien-Äosaken, befindet sich eine vormals Schottische, jetzt aber Deutsche Missionair-Kolonie. „Die Deutschen Geistlichen", sagt der Verf., „sind sehr gut geeignet, sich Vertrauen und Achtung der niederen Stände zu erwerben. Sie selbst sind gewöhnlich aus keinem höheren Kreise des Lebens, und nur ihre höhere Bildung unterscheidet sie von ihren Beichtkindern. Dazu empfehlen sie sich fast ohne Ausnahme durch einfache Würde des Benehmens und vollkommene Nnsträf- lichkeir des Wandels." Zuweilen werden Deutsche Kolonisten ) >» tb« 'Praae-Cnea-Naa Pwviucn al »°»»>» et«. (Reist III die Russischen Provimen ienstit« des Kaukalus und lang« der Südküste der Seen Wan und Urumia.) Von Richard Wilbraham. 18N. — Travel» io virca»»!» et«. (Reise nach Tscherkessien, IN b der Krimnischen Tatarei und um »a« Schwarz« Meer.) Bon Edmund rencer. r Band«. t«W von den Tscherkeffen fortgeschleppt. Im Jahre I8Zt> befand sich ein Deutscher mit seiner Frau und vier Kindern in geringer Entfernung von seinem Wohnhause auf seinem kleinen Acker am Terek, als plötzlich ein Haufe Tscherkeffen die harmlosen Leute überfiel, de» Mann niederschoß und die Kinder mit ins Gebirge schleppte. Lin anderer Deutscher, der Herrn Wilbraham nach den Mineralquellen von Äislavvdski geleitete, war vor mehreren Jahren mit einigen Kameraden in die Hände der Tscherkeffen gefallen. Er Hane sich indessen nicht über harte Behandlung zu beklagen. Sie blieben einige Monate am Fuße des Berges Elburs bei ihren Räubern, deren Vieh sie hüten mußten, unl> wurden dann heimlich losgekauft. I Von Georgiewsk begab sich unser Reisender nach Jekaterino« grad, und dann wieder über die Kabarda und durch den Kaukasus zurück nach Tiflis. Obschon diese Stadl von sehr vielen Euro päern bewohnt ist, so hat sie doch keine öffentliche Bibliothek und nicht einmal einen Bücherladen. Dagegen findet man hier ein Gymnasium für Knaben von jeder Nation, in welchem haupt sächlich orientalische Sprachen gelehrt werden. Herr Wilbraham besuchte eine Soiree des Statthalters, Baron Rosen, in welcher die meisten Damen das Georgische Kostüm trugen, eine Kleidung, die fast darauf berechnet scheint, Gesicht und Wuchs zu entstellen. Fast keine dieser Damen verstand eine Europäische Sprache. Noch während der Anwesenheit des Capilains traf Kaiser Nikolaus in Tiflis ein. Auf einem Balle, der Seiner Majestät zu Ehren gegeben wurde, halte der Verf. die beste Gelegenheit, das schöne Geschlecht dieser Hauptstadt genauer kennen zu lernen. In dieser Beziehung sagt er: „Ich muß gestehen, daß ich mich in Bezug auf die so allgemein gefeierte Schönheit der Geor gierinnen bitter getäuscht fühlte; und doch weiß ich nicht, mit welchem Rechte ich meine Erwartungen so hoch spannte. Das Lob der Georgierinnen ist fast ausschließlich von Dichtern des Ostens gesungen worden; der Mangel an Geist, ohne welchen die vollkommensten Gesichtszüge dem geläuterten Geschmack eines Europäers nicht zusagen können, ist dem sinnlichen Auge des Asiaten Nebensache. Auch die Kleidung der Georgierinnen ist ohne Geschmack. Eine goldene Tiare, ganz tief in die ohnehin etwas niedrige Stirn gedrückt, und eine Robe, die den Busen zu frei läßt, Füße und Knöchel bedeckt und den hübschesten Wuchs verhüllt, sind die wesentlichsten Stücke ihres Anzugs. Alle Mäd chen und Frauen schminken sich, und ihre gebeizten Augenbrauen geben dem Gesichte etwas Gemeines, an Frechheit Gränzendes. Ist eine Georgierin wirklich schön, so kann man ihre Schönheit nur Materiell nennen. Aus einer gewissen Entfernung betrach tet, erschien mir manches Gesicht sehr reizend; aber bei ge nauerem Ansehen fand ich iyimer einen unangenehmen Zug, gewöhnlich um den Mund." Auf seiner Rückkehr von Tiflis nach Persien besuchte dec Verfasser die Ruinen von Ani, der alten Hauptstadt Armeniens. Die einzigen noch stehenden Gebäude sind die christlichen Kirchen, eine Türkische Moschee, mehrere Bäder und der Palast der Arme nischen Könige. Zu Erserum kam Herr Wilbraham wieder irr die Sphäre der Eivilisaiion, und er erhielt ein Zimmer als Quartier, nicht, wie bis dahin auf seiner Reise, einen Stall; denn die unterirdischen Wohnungen der Armenier sind eben so wohl von Vieh als von Menschen bewohnt. Erserum hat durch den Verlust seiner Armenischen Bevölkerung gelitten, obschon die Regierung des Landes sehr mild ist. Der Handel stockt; dis Basars sind klein und dürftig. Von hier machte der Reisende einen Ausflug an den berühmten See Wan, durch das Land der Kurden. Hier überzeugte er sich bald, wie sehr die Beschrei bung, welche Tenophon von der Lebensweise des Volkes in jener Gegend giebt, noch heutzutage auf die Kurden paßt. Jetzt, wie damals, sind ihre Wohnungen unter der Erde, und die Familie jedes Nomaden «heilt sich mit seiner Heerde in den beschränkten Raum. BiiliS, am Ufer des Sees Wan, ist eine sehr merk würdige Siad«; die Häuser derselben sind aus behauenen Steinen erbaut, und ihre vergitterten Fenster geben ihnen das Ansehen von Gefängnissen oder Tollhäusern. Der Anblick des schönen breiten Wasserspiegels wirkt auf ein Auge, das so lange nur ') Die Russische Regierung gestattet nur Auswechselung der Gefangenen, kein« Befreiung durch tiösegeld, welche die Habgier der Tscherkeffen in zu hohem Grade reizen würbe.