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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Prei« 22z Sgr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, iü allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt aus diese« Beiblatt der Allg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in der Expedition (Ariedrich«-Straße Rr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobllöbl. Post-Remtern. Literatur des Auslandes. 98. Berlin, Freitag den t6. August 1839. England. Memoiren der Herzogin von Marlborough.') Die Herzogin von Marlborough war eine der merkwürdigsten Frauen ihres Zeitalters. Ihr Name ist nicht minder berühmt ge- worden, als der ihre» Gemahls, besten Thalen eine so glanzende Epoche in der Geschichte machen; erwägt man aber, daß der Ein fluß, den sie übte, auf den Königlichen Palast beschränkt blieb, daß ihr Genius in der Kontrolle der Amichambre sich entwickelte^ und daß es ihr in dieser Sphäre gelang, ihren Gemahl gegen ein Heer von inneren Feinden zu schützen, ja, im buchstäblichen Sinne England durch die Königin zu regieren: so wird man sich gedrungen fühlen, die Verdienste der Herzogin weil höher anzu- schiagen, als die des Herzogs. Aber dieselbe Frau, die in ihrer Zeil so Wunderbares zu wir ken vermochte, deren Geist so ungemeiner Anstrengungen fähig war und deren Andenken stets als das der vollendetsten Hof- Intrigantin, die England hervorgcbracht, sorrleben wird, über lebte das unmittelbare Interesse, von dem man eine genaue und vollständige Beschreibung ihres Lebens hätte erwarten können. Mil Ausnahme einer mageren, trockene» und kurze» Selbst- Apologie, die kurz nach ihrem Tode erschien, und einiger bei läufiger Notizen über Umstände ihres Lebens, die man hin und wieder zerstreut vorfindet, haben wir bis jetzt noch keine authen tische und erschöpfende Darstellung ihrer merkwürdigen Laufbahn. Das einzige Werk, das uns einen Blick in ihre Privai-Geschichie »erstattete, war eine Sammlung von Briefe», die unlängst unter dem Titel „Privai-Äorrespondenz der Herzogin von Marlborough" erschienen ist. Diese Sammlung kann nicht die Stelle einer Biographie vertreten; allein sie liefert uns wenigstens einen Schatz neuer Belehrungen über Details ihres Lebens und Wir kens; denn bis dahin wußte man nicht einmal, wo die berühmte Frau zuerst das Acht erblickte, und wo ihre Asche ruht. Alles dies würde unerklärlich seyn, fanden wir nicht die befriedigende Lösung in der Thalsache, daß die Herzogin nach vieljährigem beispiellosen Glück am Hofe die Königliche Gunst verlor und in ein Dunkel versank, aus dem sie nie wieder ans Licht dringen konnte. Günstlinge hoher Häupter sind sprüchwörilich von Fein den und Schmarotzern umgeben, die ihnen, sobald Ebbe ein» tritt, geschäftig auflauern, um ihren Ruhm und Ruf zu ver nichten. Das vorliegende sehr interessante Werk einer schon rühmlich bekannten Schriftstellerin giebl von dieser Wahrheit schlagende Beispiele- Sara Jennings wurde zu dem Fach der Jmrigue, dem sie ihr ganzes Leben hindurch treu blieb, schon auferzogen. Sie war die Tochter eines begüterten Land-Edelmanns in Holywell, einer Vorstadt von St. Albans. I» ihrem zwölften Lebensjahr iral sie in die Fußstapfen ihrer älteren Schwester — der „schönen Jennings" am Hofe des frivolen Karl'» — und kam als Hofdame zu der Herzogin von Dork. Seit jener Zeit war ihre Laufbahn begründet. Sie lerme bald den Obersten Churchill kennen, der, von ihrer Schönheit bezaubert, gegen den Willen seiner eigenen Familie, deren Ehrgeiz eine glänzendere Partie für ihn erstrebte, um ihre Hand warb und »ach dreijährigem heiße» Bemühen Erhörung fand- Man kann wohl sagen, daß diese Verbindung mit dem kalten und unbiegsamen Lhrcnfräulei» da» Glück seines Lebens begründete; -denn schwerlich würde ein andere» Weib i„ ganz England ihn mit solchem Geschicke, mit solcher Kühnheit und Ausdauer in den mannigfachen Stürmen seine« Lebens floit erhalten haben. Die Ekzählung ist j„ diese» Memoiren so zusammenhängend und enthält so viele Beziehungen auf Früheres, daß man nur mit Mühe eine kürzere Sielle ausheben kann, die für sich allein verständlich genug wäre- Die folgende Skizze des herrschsüch- «igen Weibes und ihres zärtlichen Gauen, des Feldherr«, der sich anschickl, in ein fremdes Land zu reisen, um einen gefähr lichen Krieg zu führen, und der Hofdame oder der Hopmeiste- - rin im buchstäblichen Sinne, die daheim bleibt und.der Flamme '> diomoir., »f Surak »llichem «s «ariboronxll '«<-. iMemoiren der Her- »oain von MariSorouqb und de« Hofes der Königin Anna.j Von Mistreß TKoni» so 11, Verfasserin der „Memoiren des Hofes Heinrich'« ZHI " u. s- w. 2 Bande. London des Paricigeistes Nahrung giebt, ist so treffend, wie man sie nur irgend finden kann. „Als der große Feldherr Englands Küsten verließ, fand er an seinem eigenen Schicksal bestätigt, daß höher begabte Menschen, deren Unternehmungen vom Erfolge gekrönt sind, den übrigen Sterblichen für den Besitz ihrer beneideten Vortheile immer einen Tribut entrichten müssen. Von einem Königreich ins andere ge trieben — durch, den Verlust manches Freunde« verwundet — vom Glücke begünstigt und doch nicht glücklich, würde Marl borough in gewissen Perioden der Niedergeschlagenheit gern und freudig seine glänzende Perspektive gegen die ländliche Muße von Holywell und die wahre Anhänglichkeit seiner schwärmerisch geliebten Gatlin vertauscht habe». Lady Marlborough begleitete ihn nach Margaie, wo widrige Winde die Abreise ein paar Tage verzögerten. Endlich drehte sich der Wind; das Schiff war segel- feriig, das Zeichen zur Abfahrt gegeben. Lord Marlborough, dessen Herz bei dem Gedanken an die Siegespalme, die ihm auf Hollands Ebenen winkle, höher geschlagen Halle, fühlie im Augenblick der ersehnten Abreise eine ungewohnte Beklemmung. Er sollte Jahre lang von einem Wesen getrennt leben, das, ob wohl über die Blüihezeit hinaus, der Gegenstand seiner innigsten, fast schwärmerische» Zärtlichkeit war. Seit Anna'S Thronbe steigung war sein häusliches Wohlbehagen durch di« veränderte Stellung seiner Gailin gestört worden; das Ereignis;, welches die Herzogin ins öffentliche Leben rief, erweckte auch Leidenschaften, die das eheliche Glück des sanften und edeln Marlborough nicht ungetrübt ließen. Vergebens haue er dem leidenschaftlichen Par- leihasse seines Weibes und ihrer Sucht nach Einmischung in politische Händel enigegenzuarbeilen sich bemüht." „Der stolze Sinn der Herzogin war durch die Anstellung eines Tory-Ministeriums, das ihren Wünschen so sehr cmgegen- lief, empfindlich gekränkt worden. Unaufhörliche Kabbeleien, in welchen Marlborough und Godolphin dazwischen ireien und „Kö nigin Sara", wie man sie zu nennen pflegte, besänftigen mußten, hauen die innige Freundschaft der Damen Freeman und Morley bereit« mürber gemacht, während sie Lord Marlborough'« Leben auf andere Weise verbitterten. Lord Godolphin und der Herzog hielten es bei Gelegenheit solcher Zankereien für Pflicht, die Par tei der Königin zu ergreife». Wo es auf Muth, Beharrlichkeit und Beredsamkeit ankam, war diese Partei olme Zweifel die schwächere; aber Lord Marlborough und seine Gemahlin waren oft über das rechte Mittel zur Beilegung der Streitigkeiten ver schiedener Ansicht." „Trotz aller dieser schmerzlichen Erinnerungen haue da« häusliche Leben, dem Marlborough jetzt emsagen sollte, noch Zau ber genug, um das Herz des meiischlichsten, des musterhaftesten Helden weich zu machen. Der Held, der de» Feinden seines Va terlandes unverzagt ins Auge sah, war von Schmerz übermannt, cUs er seinem Weibe Lebewohl sagte- Er eilte an Bord des Schiffes, um den Sturm seines Innern, dessen er nicht Meister werden konnte, zu verbergen." Wir müssen hier bemerke», daß Marlborough'« Charakter von Ler Verfasserin ohne Zweifel sehr überschätzt wird. Um un sere Sympathie für den Helden zu gewinnen, gebrauch« sie manche» Mittel, da« vor dem Richlerstuhl der Unparteilichkeit nimmermehr bestehen kann. Marlborough war einer der verderb testen Menschen seines verderbten Zeitalters; seine politischen Handlungen tragen das Gepräge der Unredlichkeit und Unbestän digkeit, und vielleicht Hai niemals ein Mann existirt, dessen staats männische Laufbahn seinen militairischen Ruhm in solchem Grade befleckt und geschändet hätte. Die Herzogin war esne Frau von heftigem Temperament, die sich bi« zu Schimpfwort«» gegen ihre Untergebenen herab- lassen konnte- In unseren Tagen, wo jede starke Aeußerung der Gefühle, seyen sie nun angenehm oder unangenehm, durch die gesellschaftliche Sine gehemmt und zurückgedrängt wird, müssen solche leidenschaftliche Aufwallungen bei einer hochgestellte» Frau Staunen erregen; allein es fehlte damals überhaupt nickt an vor nehmen Damen, die, obschon weniger begabt, als Lady Marlbo rough, eben so große Arroganz besaßen und ihrem Zorne nicht zu gebieten wußten „Zu jenen Lady's, die umcr den Regierungen der beiden ersten George das Zeitalter der Stuan's repräsemirlen, gehört« die Herzogin von Buckingham, eine natürliche Tochter Jakob s ll,