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Wöchentlich »scheinen drei Nummern. Prönumwalion«- Prei» 22j Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in der Expeditton (FriedrichS-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Acmtern. Literatur des Auslandes. 76 Berlin, Mittwoch den 2K. Juni 1839. Spanien. Reisebilder aus dem südlichen Spanien Der Verfasser des kürzlich in London umer dem Titel „Ein Sommer io Andalusien" erschienenen Werkes scheint quf die Sammlung und Anordnung des darin enthaltenen Materials großen Fleiß verwendet zu haben. Ls ist augenscheinlich aus der Feder eines Mannes geflossen, der die von ihm beschriebenen Gegenstände und Scenen mit kritischem Blicke beobachtete; denn Alles, was er uns mittheilt, trägt das Gepräge frischer und um mittelbarer Eindrücke- Einige Auszüge werden den Leser am besten in Stand seyen, die Methode des Verfassers zu beunheilcn. So oft auch Spanische Sliergefechle beschrieben worden sind, so glauben wir doch, daß man die folgende Scene aus einem der selben, bei welchem Herr Bentley Zuschauer war, mit Interesse lesen würde; denn sie lehrt uns, wie streng das Spanische Volk darauf sieh«, daß der Picador in seiner Ehrensache mit den Stie ren die vorgeschriebenen Regeln nicht verlege. „Juan Pinio, der erste Picador in den Schranken, mußte einen Angriff des vierten Stiers bestehen; stall aber seine Lanze, wie sich's gebührt, dem Gegner zwischen die Schultern zu stoßen, traf er ihn weiter umen, gerade vor der rechten Schulter. Dieser Stoß hält« den Stier so übel zurichien können, daß er dem Publikum keinen ferneren Zeitvertreib gewährt haben würde; und Pinto mußte deshalb eine Fluch von Verwünschungen über sich ergehen lassen. Vergebens proiestine er dagegen — verge bens suchte er sich zu entschuldigen: seine Glimme verhallie in dem lauteren Geschrei der selbst konstiiuirien Richler- Pinlo rilt auf die Loge des Gouverneurs zu und appellirie; allein der Tu mult dauerte fort, und unser Picador mußte seine Ehre mil der Thal zu reiten suchen. Die Lästerungen des Volkes hörten selbst dann nicht auf, als er im nächsten Rencontre niedergeworfen wurde und unter dem Bauche seines Pferdes lag. Er Hane mit seinem ungeschickten Stoße einen gar zu empfindlichen Verstoß gegen die Gesetze der Tauromachie begangen." Folgende Stelle mag uns von den Comforts Spanischer Gasthäuser einen Begriff geben. „Morgen« neun Uhr erreichten wir Boena, in welche Stadl wir durch eine Mauerlücke einzogen. Das Winhs- Haus war nichr besser, als wir aus dem elenden Ansehen des ganzen Orlcs abnehmen konnien. Ein großes Zimmer im Erdge schoß dieme zu doppeltem Zwecke — an dem einen End« desselben wurde gekocht und gebraten, wahrend am anderen die Maullhiere, die Esel und ganze Schwärme von Hühnern ihr Rendezvous Haxen. Sobald wir abgestiegen waren, sah ich mich gleich nach einem Frühstück um; denn ich hatte in siebzehn Stunden keine Speise zu mir genommen. Anfang» war nichts zu haben; allein die Moza (Magd) schaffte uns in ziemlich kurzer Zeil ein leidlich gutes Frühstuck, das aus Harlem Speck, Eiern, Brod und rcchl gulem Weine bestand. — Auf einer Treppe gelangte ich zu den Gemächern des oberen Flurs, die, mil Ausnahme einiger Siühie, aus Binsen, deren Sitze kaum einen Fuß hoch über dem Boden waren, keine Spur von Möbeln aufzuweisen hallen. Die Wände waren weiß angestrichen, und der Fußboden bestand aus einer gleichfalls weißen Masse, die so Hari wie Siein, kühler als Holz und wohlfeiler als Ziegeln oder Backsteine ist"). -Eine am Bo den liegende Malratze dieme mir als Be«. Diese Malraye war, wie in Spanien gewöhnlich, der Aufemhall vieler lausend ge- schäfliger Insekien, die, nachdem sie auf dem dicken Felle eines Spaniers vergebens sich geplagt, die subtilere Haut de» Lngläm der» mit desto größerem Erfolge bearbeiten. Ihre Geschicklichkeit im Blutlassen ist wirklich so groß, daß ein Ausländer in Spanien während seine» ganzen Aufenthalt» keine Schröpfköpfe und keines Doktor Sangrado bedarf. Trog meiner kleinen Peiniger, schlief ich, der dreizehn Stunden auf Rosses Rücken zugebrach« hatte, fest und süß bis drei Uhr Nachmittags, um welche Zeil das Di ner angekündigl ward. — Als ich umen ankam, rief Einer von der Gesellschaft: stüixen lästeä«8! las pulgas! Io« okincke«! le Kan ekupmlo cvmv adogsüos! (Da sehen Sie nur, meine Herren! die Flöhe haben ihn wie Advokaten ausgesaugi!) Unser Speise- 'I L Sommer <L ^o«»io,i,. Do« Richard Rentle». r Bde. ") Hatte der Bers bi» dahin noch kein Estrich gesehen? saal war ein kleines, weiß angestrichenes Zimmer im Erdgeschoß. Lin niedriger Tisch und ein paar zerbrochene Sitze, die man nicht Stühle nennen konnte, bildeten das Mobiliar. Rund um den Tisch lagen eine Anzahl schwarzer Brodie; Messer waren nicht vorhanden, aber die Reisenden ersetzten dem Mangel mit ihren Taschenmessern und Rasirmeffern. Die Suppe war Brod- suppe (sops kl« pari), d. h. in Wasser eingeweichles Brod mit einer reichen Zuihai von Knoblauch. Keiner der Gäste erhielt einen Teller, mich allein ausgenommen, da ich ein Fremder war; alle Uebrigen stießen ihre hölzernen Löffel gleichzeitig in die Schüssel und förderten den dampfenden Inhalt nach ihrem Munde. Auf die Suppe folgte eine große und liefe Pfanne mit Puchers, einem Gemengsel von allerlei Vegetabilien mit verschiedenen Glücken faserigen Fleisches, Speck und einem ungeheuren Huhn al» Zugabe. Da» Huhn wurde von Luis, einem der Maulihier- treiber, der die Rolle des Ceremonienmeisters bei Tische über nahm, mil bloßen Händen in Glücke gerissen und dann vermit telst seines Messers und Löffel« noch ferner zeriheili. Die Spa nische Höflichkeit gegen Fremde erlaubte Keinem, mit Essen an zufangen, bevor meine Schüssel gefüllt war; dann aber dachte Jeder nur an sich. Die Erbsen wurden mit Löffeln verzehrt und dis Stücke des Geflügels und Rindfleisches mit bloßen Fingern ergriffen oder mit der Spitze des Scheermeffers harpunir«. Nur zwei Gläser Halle man uns bewillig!, obschon unsere Gesellschaft au» acht Personen bestand; das Wasser und der Wein kamen in irdenen Krügen auf den Tisch. Als wir den Wein geleeri hauen, füllie man den Krug wieder aus dem ledernen Schlauche, der von Cordova an unser Begleiier gewesen war. Den Schluß des Diners bildeie ein Gericht Orangen. Luis stocherte sich die Zähne mit dem spitzen Ende seines Scheermeffers und bereitete sich dann einen zierlichen Cigarritp. Die Meisten von der Gesellschaft folg ten seinem Beispiele." Von der Naivetät der Spanischen Justiz wird uns Folgendes berichtet: „Die Chancillena oder der große Gerichtshof für die südliche Hälfte Spaniens befindet sich auf der Plaza Nueva (in Granada). Als ich die Stadt bereit« verlassen haue, erzählte man mir, über dem Haupt-Eingang des Gebäudes befinde sich folgende Inschrift in großen goldenen Buchstaben: ^gui la verünck 8« nieg». (Hier verleugnet man die Wahrheit.) In dem'großen Gerichts-Saale ist ein Mensch abgebildei, der splitternackt' oder, wie die Spanier sich ausdrücken, „im anerschafsenen Leder" einhergehl und ein Bündel Akien umer dem Arme lrägl. An seinen Mund sind folgende Worte geschrieben: „Ich, der den Pro zeß gewonnen, habe nur noch das nackle Leben; wie mag es mit demjenigen stehe», der ihn verloren Hal?" Zu den imereffamesten Panieen des Werke« gehören die sehr gelungenen Schilderungen der allen Paläste und Moscheen Mau rischer Fürsten, doch sind diese schon so häufig mil Feder und Pinsel skizziri worden, daß Herrn Bemley's Erzählung von einem Spanischen Rob Roy Mehr Interesse gewähren därfie, als seine Beschreibung der Alhambra selbst. „Josö Maria war ursprünglich ein armer Pachter in einem Dorfe bei Amerguera, der, da es mit seiner Oekonomie nicht vor wärts wollte, das profitablere und in Spanien ehrenvollere Gewerbe eines Schmugglers ergriff. In einem Scharmützel mi« Miliiair er schoß er einen Soldaten. Nach dieser Thai floh er in die Wälder. Vagabunden strömten ihm aus verschiedenen Gegenden zu und riefen ihn als ihren Hauptmann aus. Bald wurde er das Schrecken des ganzen südlichen Spaniens. Sein Hauptquartier befand sich in den steilen Gebirgen von Ronda, unweit Grazalema, allein er wanderte durch ganz Andalusien, und seine Bewegungen waren so rasch und gcheimnißvoll, daß er bald gleichzeitig über all zu scyn schien, bald nirgends gefunden werden konnte- Man erzählt, ein Englischer Lord sey mit dem ausdrücklichen Vorsätze, die Bekanntschaft Jos« Maria's zu machen, nach Spanien ge kommen- Er Halle in den Gegenden, wo der Räuber gewöhnlich Hausen sollie, lange vergebens herumgcsuchl und endlich, an dem Erfolge verzweifelnd, den Weg nach Madrid eingeschlagen, al» ihm Jos« plötzlich zwischen Carmoda und Ecija persönlich auf- warleie und zum Danke für die Aufmerksamkei«, die der Lord ihm bewiesen, dessen ganzes Gepäck wegnahm. Jos« hatte ver schiedene Methoden, Geld zu erheben. Gewöhnlich schickte er Abgeordnete an die Gutsherren und Pachter auf dem Lande, und forderte eine sehr bedeutende Summe, die Drohung hinzufügend,