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236 diesem Geschäft. Die Kaaba war ein alter Götzentempel, welchen der große Gesetzgeber seiner Religion weihte- Aber die fanati schen Muselmänner geben vor, dieselbe sey, wie sie dastehl, vom Himmel herniedergestiegen an einer Stelle, welche von Ewigkeit her durch einen schwarzen Stein bezeichnet war. Dieser Stein soll derjenige sein, auf welchem Abraham seinen Sohn opfern wollte- Wenn die Ceremonien des Kurban-Bairam beendet sind, zie hen alle Pilger nach Medina, dem Geburtsort Muhammed'«, die selbe nimmt den zweiten Rang unter den heiligen Städten ein; Mekka ist die erste, weil sie das Grabmahl des Propheten ent hält. Damaskus ist die drille Stadt. Die Muselmänner behaup ten, Christus werde eines Tages durch das Minarei der Moschee zu Damaskus niederfahren und erklären, Muhammed sey dec größte Prophet. Wenn die Muselmänner von Mekka zurückkehren, hei ßen sie Hadschis, Pilger. Diese Benennung ist ei» wahrer Adels- tiiel, welcher mit ihrem Namen verbunden wird und ihnen An sprüche auf die größte Achtung aller Gläubigen giebt. Aus dem Gesagten darf man noch nicht folgern, daß alle Muselmänner ihren Kultus mit derselben Einfachheit ausüben. In den Nächten des Ramazan versammeln sich die Fanatiker auf den öffentlichen Plätzen und vor den Moscheen. Hier eraltiren sie sich durch Meditationen, und wenn sie sich für hinlänglich be geistert halten, fangen sie an, sich immer schneller von der linken zur rechten Seite zu bewegen; dabei stoßen sie gewaltsam und keuchend die Worte- d. h. ,,Goil er", aus. Allmälig wird ihr Alhem bTmgicr, ihre Züge ziehen sich zusammen, ihr Mund schäumt; zuweilen werfen sie auch Blut aus, und sic hal ten nicht eher an, als bis sie erschöpft und bewußtlos zur Erde niedersinken. Diese Fanatiker hatten srüher eine große Gewalt über das gemeine Volk, welches sie für Wunderthäier hielt; jetzt beirachiei man sie indeß auch schon wie gewöhnliche Menschen. Der Glaube ist bei den Muselmännern überhaupt mit dem Aber glauben verbunden; sie fürchten das böse Auge, und so oft sie die physischen oder moralischen Eigenschaften eines Menschen lo ben, fetzen sie hinzu: „>Ia.cek Fllali!" Gott schütze ihn! Demjeni gen, der sich dieser Schutzformel nicht bediente, würde man böse Absichten unterlegen. Zu demselben Zwecke hängt man Amulette und farbige Steine Frauen und Kindern an den Kopf, Pferden an den Hais. Die-ersteren enthalten Verse aus dem Koran oder kabalistische Worte; die Steine sollen die Aufmerksamkeit des mit dem bösen Blick Behafteten abziehen. Beim Eintritt des Neu mondes sieht man ost die Muselmänner auf den Straßen und Spaziergängen stehen bleiben, ihre Börse hervorzichen und das in derselben enthaltene Geld hin und her bewegen, indem sie ihre Augen fest auf den Mond richten. Das heißt ungefähr: Möge mein Reichthum beständig zunehmen, wie der Mond alle Tage größer wird. In dem Sultan verehren die Muselmänner den Nachfolger, gesetzmäßigen Stellvertreter Muhammeds und den Oberpriester des Issam. Der Muphli ist der oberste Richter und Deuter,des Gesetzes; er nimmt den zweiten Rang in der religiösen Hierarchie ein. Dennoch kann er abgesetzl werden, und der Herrscher hat sogar das Recht über Leben und Tod über ihn. Der Scheriff von Mekka ist der Oberpriester der heiligen Oener. Der Sulia» er nennt außerdem drei Groß-Mollah's; der eine Hai seinen Sitz in Kahira, die beiden anderen verlaffen Konstantinopel nicht und theilen sich in die oberste Jurisdiction der Europäischen und Asia tischen Türkei. Außerdem Hai jede Provinz einen Mollah und jede Sladi einen Kadi. Advokaten giebt es in der Türkei nicht, und die Sprache Hal nicht einmal einen Namen dafür. Jede Partei spricht für sich selbst; Kläger und Beklagter werden ge hört, und der Richter fallt das Uriheil nach dem Koran. Da der Koran das Civil-Gesetzbuch wie das politische und religiöse der Muselmänner ist, so beklcidsn die Richler eine wahrhafte Priester würde, dann kommen die Imams. Dies sind die Priester, welche die Gebeic in den Moscheen verrichten und welche, vvu den Za- dischas unterstützt, die Kinder in den Schulen unterrichten. Die Schulen sind mit den Moscheen verbunden. Die Derwische sind bekanntlich die Muselmännischen Mönche. In diesem Stande giebt cs verschiedene Abstufungen: die Heuler, die Tänzer und die Bettler; das charakteristische Kennzeichen der Heuler und Tänzer ist ein grauer Filzhut, welcher einem Zucker- hul ähnlich sieht. Die Derwische bewohnen die Teke's oder Klö ster. Jeder Hai hier seine Zelle. Diele sind verheiraihek; Andere leben im Cölibale. Einige derselben sind auch Handwerker oder betreiben Handelsgeschäfte; Andere beschäftigen sich mit den Wis senschaften und der Literatur. Diese Klaffe von Derwischen muß man nicht mit den Bettel-Derwische,, verwechseln, welche Go« zu dienen glauben, indem sie in Unwissenheit und Müßiggang verharren- Man begegnet diesen in den Straßen oder auf dem Lande, wo sie sich nackt oder mit Lumpen bedeckt, um die Hüften das Fell eines wilden Thieres gewunden, umhertreiben. In der einen Hand hallen sie eine Lanze, in der anderen einen Napf, und von ihrem Rücken hängr ein hölzerner Löffel herab, mil dem sic das Ungeziefer, das sie zernagt, abkrayen. Diese Derwische gehen mit unbedecktem Haupte und kämmen weder ihre Haare noch ihren Ban. Gewöhnlich sind sie sehr friedliebend, aber das unstäle Leben, welches sie führen, raubt ihnen »ich, selten die Vernunft, und dann sind sie sehr gefährlich. Der Fatalismus bildet bekanntlich einen Besiaudcheil des re ligiösen Glauben« der Muselmänner. „Golt Hai'« gewollt!" „So stand's geschrieben!" sind geheiligte Worte bei ihnen, auf die sich nichts erwiedern läßt. Der letzte Muselmann zeigt im Unglück mehr Philosophie als^ der strengste Stocker des Alter- lhums. Die Pest verwüste^ jährlich die Türkei. Erwähnt man gegen die Türken die Verwüstungen derselben und macht sie dar auf aufmerksam, daß Europa nicht von dieser Krankheit heimgc- suchl werde, so antworten sie: „Ihr seyd Ungläubige und wider stehet dem Willen Gottes." Oft stellen sie freilich unseren Klug heits-Entschlüssen Argumente entgegen, gegen welche sich nichts einwenden läßt. Zu mir sagte einst ein Türke: „Ihr civilisinen Menschen habt kein Erbarmen. Wenn die Pest Einen der Euri gen erfaß«, so ergreift Ihr Alle die Flucht, und der Unglückliche sieht sich im Augenblick von seiner Familie verlassen und frem den Söldlingen preisgegebcn. Bei uns ist der Kranke dagegen beständig von den Personen umgeben, die ihm «Heuer sind, mag er nun sterben oder leben bleiben." — Die Muselmänner «reiben die Verachtung der Gefahr noch weiter. Wenn ein Pestkranker stirbt, waschen und bekleiden ihn seine Freunde. Wenn sie mit der Leiche auf dem Kirchhofe anlangen, werfen sie ihrs Taschen tücher auf dieselbe, lassen sie während der ganzen Zeil des Ge bets auf derselben ruhen und ziehen sie erst dann zurück, wenn der Sarg in die Erde gesenkt wird. Nach allem Vorangegangencn wird man wohl leicht glau ben, daß die Art des Unterrichts in der Türkei noch viel zu wünschen übrig läßt. Indeß muß man anerkennen, daß die Ele- memar-Kennmiffe ziemlich verbreitet sind. Mit jeder Moschee ist eine Medraffe, öffentliche Schule, verbunden, an welcher besoldete Lehrer (Chodschas) allen Kindern unentgeltlich das Lesen und Schrei ben lehren. Außerdem giebt es noch höhere Schulen, wo Unterricht in der Theologie, der Poesie, der Arabischen Literatur, dem Per sischen, der Philosophie des Aristoteles und in den Elementen der Geschichte, der Mathematik und der Geographie eriheilt wird. Die Arzneikunde steht in großem Ansehen bei den Türken. Aber die medizinischen Bucher sind ein wirres Gemisch von Vorschriften des Dippokrates, des Galeuus und der Arabischen Aerzic, welche mit Phantastereien und lächerlichen Erzählungen reichlich durch woben sind. Seil einigen Jahren giebt es zwei medizinische Schulen im Orient: eine zu Konstantinopel und eine zu Kahira. Die erstere steht noch ganz in ihrer Kindheit, die zweite ist gut organisin und in voller Thätigken. Mannigfaltiges- — Jtaliänische Unterrichts- und Ex am in ations- Methode. Folgender Bericht, den man als Zeitungs-Artikel in Deutschland kaum glaublich sinden wird, ist dessenungeachtet ein Hauptbestandchcil einer der legten Nummern der Römischen Hotiriv äol lAorno (vom 23. April); auch interessant als Beispiel der Erziehung in den vornehmen Familien. „Den Beispielen edler Jünglinge, welche, ihrer erhabenen Geburt und ihrer Reichthü- mer ungeachtet, den Geist mit nützlichen Kenntnissen zu bereichern ein heilsames Verlange» «ragen, reiher sich die Probe an, welche am 22sten o. Herr Pio de' Baroni Grazioli in seinem Palaste, in Gegenwart seiner «heuren Aellcrn, denen er sie darbrachie, und vieler durch Rang und Gelehrsamkeit ausgezeichneten Per sonen, von seiner erworbenen Ausbildung ablegte. Dieser lie benswürdige und fleißige Knabe von IS Jahren, durch «vahrhast glänzende Fähigkeiten so wie durch seine frommen Sitten aus gezeichnet, legie unter Leitung des Herrn Abbate Or. Luigi Lenti, Ehren-Kämmerers Sr- Heiligkeit, zur vollen Zufriedenheit der Anwesenden seine Kenntnisse in der Lateinischen, Jialianischen und Französischen Grammatik dar, zuerst in den allgemeinen Re geln und Gesetzen derselben, sodann auch praktisch im Aufsagen und Erklären von Stücken aus denjenigen Autoren aller drei Sprachen, in welchen er sich bisher geübt Hai. Mil eben so gu tem Erfolge bestand er ein rigoroses Eramen in der Geographie, in welcher ihn der verehrte Herr Jouve tüchtig unterwiesen, in der heiligen u»d Römischen Geschichte, in der Heraldik, in der Kunde der Ritterorden und in der Mythologie. Er wußte in Allem trefflich Bescheid, ungeachtet ihm die mannigfaltigsten und abspringendsten Fragen vorgelcg, wurden. Zuletzi, zur Bekrö nung des Ganzen, produzine er sich in der Musik, in welcher er sich des Unterrichts des berühmten Meisters Herrn Candido Zanuotti erfreut, und trug unter lautem Beifall und herzlichem Zurufe der ganzen hohen Versammlung schöne und schwere Kla vierstücke allein oder in Gesellschaft seines Meisters vierhändig vor, so wie er auch zum Gesänge aus der Partitur begleitete, Alles mit großer Fertigkeit. Die Versammlung bestand aus dm Eminenzen De Gregorio, Della Porta, Polidori und Ciacchi, dem Mons. Erzbischof von Palermo, dem Fürsten Albani, den Ehrw. Generalen der Gesellschaft Jesu und der Minoriten u. s. w. Zur wohlverdienten Belohnung seiner Fortschritte und dargeleg- icn Kennmiffc erhielt er als Prämie von seinen zärtliche» Aellcrn vier schöne goldene Medaillen mit passenden Inschriften, welche zu diesem Zwecke geprägt waren. Diese überreichten ihm die obgenannten Kardinäle unter dem lebhaftesten Jubel aller der edel» Herzen, welche diese vorzügliche Versammlung bilde ten- Glücklich die Söhne, die Verwandten, die Erzieher, welche einem preiswürdigen Exempel folgen!" Herausgegeden von der Siedaciion der Mg. Preuß- Staate Zeitung. Redigin ron I. Lehmann. Gedruckt bei Sl. W. Hayu.