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256 ist keine Hexerei. Diese Lyra ist eine An Orgel, die wie eine Uhr aufgezogen wird, und die so lange ohne Berührung spiel«, bis die Kette abgelaufen ist. Ein junges Mädchen. Ich versichere Luch, mein Herr, daß Helene mil ihren Augen spielt. Sehl nur, sie erbleicht, sie er- röchet, ihr Auge glänzt oder erlischt, und die Musik wird lang sam oder schnell, sanft oder rauschend, nach ihrem Gefallen. Ich fürchte sehr, daß die arme Helene behext ist. Der andere Dilettant. Wie, mein Fraulein, Ihr seht nicht, daß dasjenige, was Ihr für Lure Freundin Helene haltet, nur ein ihr ähnliches Automat ist? Man sollte in der That glau ben, daß es Helene wäre, aber es ist nichts al» eine Maschine, die sogleich still stehen wird. Die Augen sind von Emaille und bewegen sich vermittelst einer Feder. Der Athen, wird durch einen Blasebalg hervorgebracht, der sich im Körper der Puppe befindet.... Die Geister. Wir rediien genug zu Dir. Jetzt beschäftige Dich mit Deiner Befreierin, gedenke, daß nur sie allein den Zauber lösen kann! Du mußt sie belehren und Dich ihr offenba ren, wenn ihr Geist sich bis zu Dir erheben soll. Der Geist der Lyra. Wie, meine Brüder, so bald! was soll aus mir in meinem Gefangniß von Elfenbein werden? Was soll ich zu einer Tochter der Menschen sprechen? Sie versteht meine Sprache nicht. O ich bebe, leide, klage! Helene (unterbricht sich und erhebt sich mit Lebhaftigkeit). Du Haft gesprochen? Du sagtest: Ich leide, ich klage? Wer bist Du? Das junge Mädchen (zum Dilettanten). Seht jetzt zu, ob es ein Automat ist! Albertus. Helene, es ist genug; die Lyra hat schön ge sprochen, treibe die Probe nicht weiter. Für menschliche Ohren ist der Klang dieses Jnftrumenles zu gewaltig, er verwirret die Gedanken und kann den Verstand zerstören. lEr nimmt ihr die Lnra.) Hel. Was beginnet Ihr? Laßt sie, laßt sie mir! (Sie fällt in Ohnmacht.) Hans. O, Meister! warum ihr die Lyra nehmen? Ihr tödter sie, Meister; sie scheint wirklich iodl zu seyn. Alb. Fürchte Dich nicht, es ist nichts. Die elektrische Er schütterung der bebenden Lyra mußte diese Krisis herbeiführen. Karl, Wilhelm, tragt sie fort. Schnell! Platz gemach«! Platz gemacht! Bring« sie an die freie Luft! Hel. (kömmt zu sich und stößt Wilhelm zurück). Rühre mich nicht an, Wilhelm; ich bin nicht Deine Verlobte. Ich werde nie die Deine, ich liebe Dich nicht. Für mich bist Du ein Fremdling. Ich gehöre einer Welt an, zu der Du nicht gelangen kannst, ohne zu sterben oder Dich ins Verderben zu stürzen. Wilh. O, mein Gott! was sagte sie? Sie lieb« mich nicht! Karl. Das hat Hans oft gesagt. Alb. Mein Kind, Du weißt nicht, was Du sprichst, morgen wirst Du anders denken. Gieb mir Deinen Arm, ich werde Dich in Dein Zimmer führen. Hel. Nein, Meister Albertus, mit Eurer Erlaubniß werde ich nicht dahin gehen. Ich will ins Freie. Ich will den Mond über dem See aufgehen sehen. Therese. Ihr sprecht nicht mit der gebührenden Achtung zu unserem Meister. Kommt zu Euch, Helene- Die ganze Stadl hört Euch und fleht auf Euch. Hel. Ich höre und sehe Niemand. Für mich ist nicht« mehr da. Ich bin für immer allein. Alb- Wehe! Die Krists war zu stark! Ihr Verstand ist dahin! Helene, Helene, folge mir! Ich bin Dein Vater- Geh' in Dein Zimmer. Hel. Ich habe keinen Vater. Ich bin die Tochter der Lyra und kenne Euch nicht. Schon lange quält Ihr mich mit geistigen Arbeiten, die meiner Natur zuwider sind. Eure hoch tönenden Worte und Vernunfigründe sind für mich nicht gemach». Die Zeit ist gekommen, wo ich leben soll; ich bin ein freies Wesen und frei will ich leben; gehabt Euch wohl! (Sie entflieht Lurch Len Garten.) Alb. Han«, Wilhelm, folget Ihr und wacht über Ihr Le ben. (Zu Len anLeren Schülern.) Lieben Freunde, entschuldigt mich, dies unvorhergesehene Unglück macht es mir unmöglich, die Vor lesung wiederaufzunehmen. (Alle ab.) Mephistopheles, die Lyra. Meph. Halsstarriger Geist, der Du von mir Freiheit und Leben im Augenblick erhalten könntest, so ertrage denn geduldig Deine Qual, wenn Du es vorziehst, die sieben Prüfungen zu bestehen und, von menschlichem Willen abhängig, langsam aus Deinem Gefängniß erlöst zu werden. Ich habe Macht genug über Alles, was der Erde angehöri, um Deine Schmerzen zu vermehren und Deine Pein zu verlängern. Du verachtest meine Hülfe. Sia« mil mir die Regionen der Empörung und des Haffes bewohnen zu wollen, jene Regionen, denen zu nahen der Mensch zitter« und die über ihn den Kelch der Leiden ausgießen, ziehst Du es vor, zu einem ungerechten Go« zurückzukehren, der Dich um der geringsten Schuld willen der Laune und dem Joch des Menschen überliefen. Nun, ich will Helenens Herz mit solchen Gedanken erfüllen, daß es Dich gereuen soll, mich ver schmäht zu haben. Der Geist der Lyra- Helene gehört Dir nicht. Meph. Aber Albertus soll mein seyn! Geist. Gon wird ihn beschützen. (Schluß des ersten Aki«. Mannigfaltiges — Lord und Lady Cheveley- Gänzlich ungegründei ist die Vermulhung, daß irgend ein persönlicher Freund S«r Edward Lytton Bulwer's, und zwar mit dessen Vorwiffen, das kürzlich erwähnte Spottgedicht „Lady Cheveley oder die Frau von Ehre", welches gegen Lady Bulwer, die Verfasserin des „Cheveley", gerichtet ist, verfaßt und herauegcgeben habe. Bald nachdem die Ankündigung jenes Gedichtes erschien, richtete nämlich der Justizbevollmächtigte des Sir Lytton Bulwer nachstehendes Schrei ben an Herrn Chunon, den Verleger: „Mein Herr! Ich bin von Sir Edward Lytton Bulwer beauftragt, Ihnen anzuzeigen, daß er mit großem Leidwesen die Ankündigung einer bei Ihnen umer dem Tiicl „Lady Cheveley oder die Frau von Ehre" er scheinenden Schrift gelesen Hai. Welches auch die Absichten und Zwecke des Verfassers seyn mögen — und daß sie wahrscheinlich ihm »ich« feindselig sind, geht aus den Worten der Ankündigung hervor — so ist doch Sir Lytton Bulwer mit Rücksicht auf seine Kinder und in deren Namen genöthig«, die ernstlichste Proicstaiion gegen jeden Versuch einzulegen, durch welchen die Verbreitung einer anderen Schrift, die ihre eigene Beantwortung und Ver- unheilung in sich selber trägt, noch mehr gefördert werden könnte. Genehmigen Sie :c. William Loadcn." — Herr Chunon antwortete darauf, daß er seinerseits mi« Vergnügen bereit sey, auf jeden Voriheil zu verzichten, der ihm aus der angekündigien neuen Schrift erwachsen könne, daß jedoch der Verfasser, an welchen er sich gewandt, nicht zu bewegen sey, sein Werk zuruck- zuttehmen. ') Die Mitthrilung der solgendcu vier Akte wurde die Kränzen über schreiten in denen sich dieses Vtatl bewegt Nachdem wir daher in Obigem eine Probe von dem ersten dramatischen Versuch Ler aeistvolien Französin gegeben, müssen wir uns hinsichtlich de- weiteren Inhalts desselben auf einen kurzen Uederblick beschranken. Das Ganze ist «in wunderliche», aber reizen Le« Gemisch von abstrakter Allegorie und lebenSsrischcr Emvsindung, welches für uns noch das besondere Interesse hat, zu sehen, wie ein Französischer DichiergeniuS sich in die Region Deutscher Phantasie- und Mythcnwelt hin- einzuleben sucht- Adelssreit, der Verfertiger der Lyra, hatte sich selbst den Tod gegeben und von Kott ersteht, daß er seine Seele in diese Lyra bannen möchte. Zur Strafe für seinen Frevel war ihm sein Wunsch vom Himmel gewahrt und daran die Bestimmung aeknüost worden, er solle nicht eher aut diesem Gefangniß erlöst werden, al» bis eine jungfräuliche Hand, von aller Sünde rein, ibn daraus befreie. Dies zu hindern und die Lyra Lurch UN heilige Hande zerstören zu lassen, auf daß der eingeschlossene Geist und der Zertrümmerer des Werks Beide seiner Macht anheimstelen, ist das Bestreben de» Teufels. Nachdem ihm der Versuch, den er in dieser Absicht schon im ersten Akte des Drama'S macht, mißlungen ist, ersieht er sich Albertus zu sei nem Werkzeug aus Er bringt ihm aus Adelssreit's Nachlaß eine Erklärung über di« geistigen Kräste, die in den verschiedenen Saiten »er L»ra ruhen, um dessen Wißbegier zu reizen, und überredet ihn, diese Saiten eine nach der anderen zu zerbrechen, um Ler Wahrheit auf die Svur zu kommen. Die beiden goldenen Saiten der Lyra sind Lie Unendlichkeit und der Klaube: Lurch sie offenbart sich die Idee Ler ewigen Schönheit und Herrlichkeit Gotte-: erhaben und überirdisch ertönt der Wechselgesang des Geistes der Lyra, He lenens und Ler Himmelsgeister beim Aufgang der Sonne, so lange diese Saiten noch auf dem Instrumente sind. Albertus will Liefelben herun- ternrhmen, Lreht aber die Wirbel verkehrt und zersvrengt sie unter einem Klaaelaut der Lyra. Nun linden wir Helenen am Bach im Moudenscheiu Lie Lyra Wielen», deren Geist jetzt in weicheren Melodieen die Schönheit der irdischen Natur singt, denn die beiden silbernen Saiten der Lnra sind der Be trachtung der Natur und der Vorsehung geweiht: Hoffnung und Vertraue« tönt au» ihnen Ler nach dem Ewigen sich sehnenden Seele Helenens entgegen, die mit Schmerz die himmlischen Offenbarungen der qoldenen Saiten ver mißt- Albertus, dessen Zweifelsucht immer mehr ertödtet wird, und der schon au die übernatürlichen Kräfte der Musik zu glauben ansängt, während sie ihm wuher als ei» bloße» Rechen - Eremvel erschien, laßt sich von dem Drange nach überzeugender Gewißheit und von den Anreizungen des Teufel« bewegen, auch diese beiden Saiten zu zerreißen, und ein Orkan begleitet sein Beginnen- Helene (vielt jetzt auf den beiden stählernen Saiten der Lyra: sie hat den Thurm der Kathedrale erstiegen und zu den Füßen des Erzengel- Platz genommen, der die Svitze des Thurmes bildet Von dort Herab ertönt auf Ler Lyra der Preis LeS Menschengeistes und seiner Werke in mächtigen Klangen, wahrend Helene dagegen nur von dem Jammer und Elea» der Menschheit singt und, nachdem sie die Lnra hinabgeschleudert, in Verzweiflung vom Thurm entflieht. In diesem Wechselgesange hat Albertus die Gewalt der Musik: schon eindringlicher emvfunden, und MevhistovheleS, immer in Gestalt des Juden, d«r die Lyra unversehrt in die Wohnung des Philosovhen gebracht hat, weiß diesen durch das Versvrechen, daß der, welcher die letzte eherne Saite der Lyra berühre, daS Gehtimniß dieses Instruments und »ec Musik ergründen werde, auch noch zur Zersvrengung Ler beiden stählernen Saiten zu reizen. Albertu« ist unterdek von immer glühenderer Liebe »u He lenen entbrannt, und MevhistovheleS schmeichelt ihm auch mit der Hoffnung, daß er, aus der ehernen Saite der Lyra svielend, Helenens Gegenliebe ge winnen werde. Aber so wie diesmal Alles still geblieben, al« er die stähler nen Saiten jtrrissen, so bleibt die Lyra auch stumm unter der Berührung seiner Finger, wahrend Helene in ihrer fortdauernden Eriasc ibn keiner Au„ merksamkett würdigt und seine Leidenschaft zu ihr immer mächtiger wird. Da läßt er mutbloS die Lyra sinken, und Helene ergreift sie- -US sie die «Herne Saite berührt, ertönt der Gesang des Geistes der L»ra eben,aus in irdischerer LiebeSgluth und beschwört sie um Gegenliebe- aber Helene sehnt sich nur nach dem Ewigen und singt nur die Ehre Gottes: ihr Inbrunst,ge- Gebet fleht zu Gott, daß er sein Leben ihr verleihen wolle: da zerivringt die «Herne Saite mit furchtbarem Donner, Helene sinkt «odt, Albertus ohnmäch tig zu Boden. Der Geist Ler Lyra ist erlöst und schwebt, vereint mit Hele nens seligem Geiste und umgeben von Le» himmlischen Herrschaaren, über Lem wiedererwachenden Albertus, über den der Temel nun Gewalt zu haben glaubt, weil er zur Zerstörung Ler Lyra mitgewirkt. Aber die letzte Saite ist unter HelenenS unbefleckter Hand zersprungen, und so ist auch Albertus ge rettet. „Seine Seele", so singen Lie Himmelsgeister, „soll fortan eine Lyra seyn, deren Saiten alle zugleich erklingen werden, und deren Gesang sich ans den Schwingen der Hoffnung und Ler Freude zu Gott erheben wird" Herausgegebcn von der Redactton der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.