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223 Während uns also alle unsere Freunde verlassen haben, um ein besseres Geschick zu suchen, während alle Lebcnsschicksale in unserer Umgebung sich geändert haben, finde ich mich Dir gegen über noch immer als denselben wie vor fünfzehn Jahren, nicht anders, als wenn ich mein Leben fern vom Lärm, von den Lei denschaften und der Literatur des Tages zugebrachl hätte. In der Thai bin ich auf-meinem Wege geblieben, während so Viele einen anderen eingeschlagen haben, und Du bist zu mir ireuge« sinnier als je zurückgckchrl, weil wir eingesehen haben, daß es nur ein Glück in der Welt giebl, die Freundschaft, oder daß uns Paria's die heiligen Freuden der Familie versagt sind. Was willst Du? Wir haben unser Amt nicht bezahlt, wir haben kein anderes Privilegium, als das unserer Kunst; wir sind Vögel, für die es nur einen Frühling, keinen Herbst, keinen Winter giebl. Die sechs kleinen Bände, welche ich Dir schicke, sind aus den Improvisationen jedes Tages hervorgegangen; natürlich wirst Du in denselben viele Sachen finden, die nur mit einer nach sichtigen Beurcheilung bestehen können: — Kritiken, — Geschich ten, — Erzählungen, Novellen jeder Ari, und besonders oft wiederkehrende Erinnerungen an die ewige Literatur des Alier- thums, der ich, wie Du, treu geblieben bin. In meinen litera rischen Gebeten habe ich unsere Gefährten, die edlen Geister, welche abgeschieden sind, nicht vergessen. Welche aber von allen in diesem Buche gesammelten Erinnerungen meinem Herzen die «heuerste ist, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. I. Janin. Süd - Afrika. Zur Geschichte der Holländischen Bauern in Süd-Afrika. (Fortsetzung.) Im Jahre 1826 drang die Untersuchungs-Kommission am Kap zum ersten Male auf die Noihwendigkeit, die Nordgränze der Kolonie genau zu bestimmen und alle« Auswandcrn über dieselbe zu verbieten. Hinsichtlich der Gefahren, denen die Nord aranze bloßgestelil ist, sagt Herr D'Urban in einer Depesche vom Jahre 1834: „Ich empfehle ihrer Beachtung, daß die Ueberfälle der Wilden an ersterer Linie (im Norden) und die an letzterer (in Nord-Ost) immer einen wesentlich verschiedenen Charakter ge habt haben. Don wurde geplündert und gemordet, während man hier mit Diehraub sich begnügte." Die an den Schneebcr- aen seßhaften Boers waren also Mord und Plünderung ausge setzt, und doch fühlten sie nicht eher das Bedürfnis, auszuwan- dcrn, bi- ihre unversöhnlichen Feinde, die Griqua's, umer der Kontrolle der Missionaire standen. Ja, ihre persönliche Sicher heit machte ihnen so geringe Sorge, daß sie, den ausdrücklichen Verboten der Regierung zum Trotze, über die Gränzc gingen, und den räuberischen Griqua's Schießpulver verkauften. Man lese nur die folgende Stelle aus einer Depesche des Obersten Wade vom Jahre 1834: „Die steigende Verwegenheit der Räuber Hal man, gewiß vornehmlich dem alle Tage zunehmenden Handel mit Waffen und Munition beizumessen. Ls ist unbezweifelt, daß die ser Handel nicht bloß von den eigentlichen Kaufleuten, welche die Gränze überschritten dürfen, sondern auch von den ansässigen Boers gelrieben wird. Die Boers wandern, dem Gesetze Hohn sprechend, in größeren oder kleineren Truppe über die Gränze, und versorgen die Lingebornen mil Allem, was sie nochig haben, um der Kolonie Schaden zu lhun; ja sie geben ihnen sogar in gewissem Belrachie das Recht dazu in die Hände; es ist nämlich faktisch, daß der Boer auf solchen Zügen alle fruchtbaren Oasen in Beschlag nimmt, und öfter an wehrlosen Lingebornen un menschliche Grausamkeiten begeh«. Meines Dafürhaltens erheischt keine Gränz-Angelegenheit schnellere und entschiedenere Maßre geln, als diese. In der Gegend zwischen der Granz-Linie nnd dem oberen Orange-River, und zwischen Letzterem und dem Ca ledon-River sind gegenwärtig über Hunden Familien angesessen, die ohne alle Rücksicht auf das Eigemhumsrechl der Lingebornen des Grundes und Bodens sich bemächtigt haben; und cs darf uns also nicht Wunder nehmen, wenn die Lingebornen Wiedervergel tung gebrauchen." Diese Depesche lehrt uns also nicht bloß, daß die Boers um ihre Sicherheit unbekümmert waren, sondern auch, daß sie bestän dig auswanderten und noch vor dem Koffern-Kriege in einem Distrikte jenseit der Gränze hundert Familien stark sich niederge lassen halten. Ls bedarf gar keiner ferneren Thaisachcn mehr, um darzuihun, daß der Kolonial-Bauer immer den Hang Halle, weilcr zu ziehen, um reichhaltige Quellen und feile Weiden zu suchen; und daß er in seinem Verkehre mil den Eingeborenen immer nur an diejenige Sicherheit dachte, die seine Waffen und physische Ueberlegenhett ihm gewähren konnten- Um die Mine de« Jahres 1834 wurde eine von gewissen Kaufleuten und anderen,Bewohnern der Kapstadt unterzeichnete Adresse der Regierung übergeben, welche die Bitte uni Grün dung «wer Kolonie bei Port Naial enthielt. Das Recht, diesen Ori zu besitzen, gründete man Theils darauf, daß er I68V durch die Holländische Regierung angckaust worden war, und anderen Theils auf angebliche Schenkungen gewisser Theile des Territo rium«, die der König der Amazulo's mehreren Individuen gemacht haben sollte. Das Gesuch wurde abgeschlagen; aber die Privat« Interessen, welche den Plan erzeugt hallen, rasteien nicht, bis er zur Ausführung kam. Die Anlegung einer Kolonie bei Port Naial war eine kaufmännische Spekulation, und würde vielleicht noch besseren Erfolg gehabt haben, wenn die Regierung daran Theil genommen hätte; aber auch ohne diesen obrigkeitlichen Beistand konnte man sich schöne Früchie davon versprechen. Die Boers, immer zur Auswanderung fertig, erfuhren, daß es um Natal feile Viehweiden, häufigen Regen und zahlreiche Strome gäbe; und es bedurfle sehr geringer Ueberrcdungskunst, um ihnen den erforderlichen Impuls zu geben. Die Auswanderung nach Naial erfolgte um die Mine des Jahres 1834, und gegen Ende desselben Jahres brach der Krieg mil den Koffern ous, dessen Details schon hinlänglich bekannt sind. Nach Besiegung dieses löwenherzigen Feindes wurde sein erobertes Land unter die Eroberer veriheilt. Man zeichnete Spe« zial-Karten der schönsten Ländereien, die in der Kapstadt zum Verkaufe ausgeboten wurden. Auch die Boers, welche die Miliz des Landes bildeten, schickten sich an, in der neuen Provinz Wohn sitze zu wählen, und ohne Zweifel hatten sie bereit« im Anfang des Marsches solche Pläne gefaßt. Mitten im Siegesiaumcl er hielten sie einen Besuch von Maritz und seinen Genossen, die von der Expedition nach Natal zurückkehrten und in ihr Feldlager kamen. Der mmhwillige Abenteurer pries ihnen die Gegend um Natal als ein wahres irdisches Paradies; sie schenkten ihm unbe dingten Glauben, und sogleich wurde eine große Emigration nach Naial verabredet. Der Plan reifte im Lager, unter den Augen des Statthalters, der unbedenklich seine Zustimmung gab. Alles Vorstehende lehrt uns zur Genüge, daß der Kaffern- Krieg die Auswanderung der Holländischen Bauern nicht veran laßte, und daß auch keine besondere Unzufriedenheit mit der Re gierung, sondern lediglich die unbändige Wanderlust eines Vol kes, das seinen nomadischen Gewohnheiten nicht entsagen kann, den Impuls dazu gab. Als aber die Zugeständnisse des Herrn d'Urban von dem SiaalS-Secretair annullirt wurden und ein hu manes Verfahren gegen die Ur-Einwohner nachdrücklich einge« schärfl wurde, da entstand ein allgemeines Klagen und Murren in der Kolonie- Der Statthalter Halle keine Polilik so fest auf das Interesse der Privat-Personen gegründet, daß ihre Annulli« rung wie ein gewaltsamer Eingriff in Jemandes Eigemhum wirkte. Daher die erbitterte und leidenschaftliche Sprache, welche die Anhänger de» Statthalters in den Zeitschriften der Kolonie führten, einer Quelle, die Herr Harris etwa» zu vertrauensvoll ausgebeulet haben muß; sonst wurde wohl nicht folgendes Rai« sonnemenl aus seiner-Feder geflossen seyn: „Es muß wirklich jedes denkende Individuum in Staunen setzen, daß man einen solchen Stand der Dinae (an der östlichen Gränze) so lange geduldet hat. Wie ist es möglich, daß die Ge setzgeber der Kolonie nicht schon längst auf die gebieterische, von Vernunft, Gerechtigkeit und Menschlichkeit dikline Maßregel ge leitet worden sind, eine Race von Ungeheuern (die Kaisern), die unversöhnlichen Feinde der christlichen Umerlhanen Ihrer Majestät, welche jeden Anspruch auf Mitleid oder Schonung verwirkt haben, von der Erde zu vertilgen? Vergebens auf Entschädigung har rend und ohne die zureichenden Mittel, dos ihnen ongelhonc Un recht vergelten zu können, hoben die Gränz-Kolonisten endlich das Joch ihrer Umerlhanen - Pflicht abgcworfen." Wo solche Barbarei der Gesinnung sich kund giebl, da darf man keine sehr genaue Darstellung der Thmsachen erwarlen. Wir von unserer Seile freuen uns, mit Gewißheit sagen zu können, daß die Britische Regierung niemals dem Vertilgungs- Systeme ihre Zustimmung gegeben hat. Auch ist die Moralität und die Nochwendigkeil eines großmülhigen Benehmens gegen un« civilisinc Völker nicht erst umer der jetzigen Regierung gefühlt worden. Lord Aberdeen sagte, als er den Vertrag mit den Griqua's gulhieß: „Dieser Verlrag realisirl die Ansichlen, welche die Regierung de« Königs von der einzigen Art von Polilik Hal, die wir hinsichllich der Lingebornen mil Ehren scsthallcn können." Das liberale System, wonach man jetzl die Koffern behondelt, verspricht einen vollkommenen Erfolg. Der gegenwärtige Statt« Holter der Kop-Kolonie, Sir Nopier, Hot in einem seiner neuesten Berichte geäußert: „Er sähe keinen Grund, worum man irgend eine Störung der Ruhe an dec östlichen Gränze zu befürchten brauchte, so lange die jetzt bestehenden Verträge mit den Kaffem von Seilen der Kolonial-Vehörden gewiffenhafl beobachici wür den"; da« heißl, so lange man die Lingebornen als Menschen und nicht al« Ungeheuer behandelte. (Schluß folgt.) Türkei. Oeffentliches und Privatleben in der Türkei. Von Qr. V. Morpurgo. I. Die große Feuersbrunst in Pera. Die merkwürdigsten Erinnerungen meines Aufenthalts zu Konstantinopel knüpfen sich an die Feuersbrunst, welche am 3,en August 1831 in Pera auebrach. Bevor ich daher zu einer Schil derung des öffentlichen und Privatlebens in der Türkei übergehe, werde ich die Thaisoche erzählen, welche mir Gelegenheit gab, das orientalische Leben zu studiren. Seil zwei Monaien waren unbcstimmie Gerüchle vom Her- annohcn und vom Ausbruche der Cholera in Konstantinopel ver breitet, und das Volk, welches an die Verheerungen der Pest ge wöhnt war, sah dem Aufschütten so vieler Gräber auf den Kirch, Höfen mit Gleichgültigkeit zu Bold erklärt« sich dieselbe indeß auf eine unzweideutige Weise, ohne daß jedoch die Türken aus