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Wöchentlich erscheinen drei Nummer». PrLnumrretion«- Prei« 22^ Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, 3 Tklr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in cin» Theilen her Preußischen Monarchie. M für die Man pränumerirt aus diese« Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrich« Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den WohUöbl. Pcst-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 19. Berlin, Mittwoch den IZ. Februar 1839. Italien. Aeltere und neuere Kunst in der Lombardei. (Nach der ok liuv Die Alpen sind die Hauptschcidewand, welche die Natur zwischen den verschiedenen Volkern Europa'« ausgcrichi« Hal; verlängern wir die Linie, welche der Kamin dieser Berge bildet, nach Osten und Westen, so haben wir zugleich den bedeutendsten Unterschied in dem Klima und Charakter des Abendlandes abgc- gränzi. Nördlich von diesem angenommenen Wendekreise finden wir drei Völker, die Franzosen, die Deutschen und die Englän der, deren Bildung in einigen Punkten eine auffallende Aehnlich- keit hat. Die Intelligenz hat alle ihre Gaben unter sie veriheilt: all Frankreich die Lebhaftigkeit des Geistes, an Deutschland den Tiefsinn des Gedankens, an England, den Sprößling beider, der Sachsen und der Normannen, die vereinigien Eigenschaften, die seine beiden Nebenbuhler jeder insbesondere besitzen und in Folge deren cs im Stande war, an einem Beispiel, wie Shakespeare, Verstand und Phantasie in wunderbarem Bunde zu zeigen. Süd lich von jener durch Europa gezogenen Linie finden wir wiederum drei Völker, Bewohner dreier Halbinseln, an deren Gestaden sie die herrlichsten Schauspiele der Natur vor Augen haben: Spanien, Italien und Griechenland; alle drei wie vorgeschobene Posten in die Gewässer hinausreichend, alle drei von Gebirgen durchschnit ten, alle drei unter einem prächtigen, glühenden Himmel schlum mernd, haben sie gemeinsame Vorzüge empfangen, wodurch sie sich wesentlich von den drei nördlichen Völkerschaften unterschei den. Natursinn, Liebe zur schönen Ferm und Pflege der Künste zeichnen sie aus; aber Griechenland und Spanien, in neuerer Zeil unter gleicher Knechtschaft seufzend, konnten ihren Geist nicht mehr frei entwickeln. Nur Italien, wo die Freiheit im Mittel alter mächtige Wurzeln getrieben haue, vermochte noch, den Gc- memgeist, der das Leben' aller südlichen Völker beseelt, in seinem vollen Glanze zu offenbaren. Das Mailändische, in welches man zuerst den Fuß setzt, wenn man von den Alpen nach Italien hinabsteigi, gehört so wohl dem Norden wie dem Süden an. Von Deutschland und Frankreich trennen es die Alpen, vom eigentlichen Italien die Apenninen. Es bildet so ungefähr das Herz des großen Körpers, von dem Piemont das Haupt ist, die alten Vcneiianischen Staaten die Füße, die beiden genannten Bergketten die Rippen, der Po die große Pulsader, und Ler Tessin, die Adda, der Oglio, die Etsch, der Pauaro, der Reno und die Trebbia die Nebcnadern. Dieser fruchtbare, von so vielen Flüssen bewässerte Bergkeffel, der so ausgedehnte und gesegnete Ebenen darbietel, gleicht einem weiten Kampfplatz, geschaffen, um die Habgier und den Muth der anderen Völker zu reize». Sie haben denn auch dies schöne Land betreten, meist nur in der Absicht, um nach Italien durchzuziehen; aber gefesselt von seinen Reichlhümern und seiner Herrlichkeit, verweilten sie oft daselbst- Die Ligurer, die viel leicht noch vor der Gründung Rom« Spanien verließen und die Comschen Alpen überstiegen, breiteten sich über die Küste aus, auf der später Genua sich erhob. Ungefähr sechs Jahrhunderte vor Beginn der christlichen Zeitrechnung wurde Mailand von BesiovesuS, dem Ans...,rer der Insubrischeii Gallier, erbaut. Auch die Celle» waren oft zwischen die Alpen und die Apenninen ein- gcdrungen und hauen daselbst zahlreiche Ansiedelungen gegründet; die Römer fanden sie hier schon so fest eingewohm, daß sie »ach ihnen das Land Cisalpinische« Gallien benannten; es gelang ihnen aber doch zuletzt, diese Eindringlinge z-, unterjochen und zu be herrschen- Die Römer wurden ihrer,ciie wieder von den Ger manischen Stämmen daraus verdrängt, die, berauscht von der nicht geahnten Uevpigkeit dieses Klima'«, die Zerstörung de« Abendländischen Reiches fast um ein Jahrhundert hinausschoben. Die Lombarden siedelten sich, wie ehemals die Gallier, hier an und ließen ihren Ramen zurück; die Goihen zogen durch; die Heruler verweilten einige Zeit; die Hunnen sättigten sich mit Blu« unter seinen Trümmern; die Franken umer Karl dem Großen zerstörte» alle« von den Barbaren noch Ucbriggelassene, um hier von neuem ein Celiisches Reich zu begründen; die Deutschen drangen unter den Hohenstaufen ein, ihre früheren Nicdcrlaae- za räche-!. So viel gehäufte« Elend erweckte endlich in diesem um glücklichcn Lande das Gefühl der Nationalität; nachdem cs zwei Jahrtausende hindurch geduldet, erhob cs sich, um seine Unab hängigkeit zu erkämpfen, und zwang Friedrich Barbarossa, mit seinen Kriegern wieder über die Alpen zurückzukehren. Trunken von der neuen ungewohnten Freiheit, dachte cs nicht an die Nvthwendigkcit einer zukünftigen Verlhcidigung derselben; an statt einen gemeinschaftlichen festen Siaal zu bilden, der jedem Angriff von Außen widerstehen könnte, organisine sich jede Stadt auf ihre eigene Weise, und der zukünftigen Größe aller wurde durch die ausgedehnte Freiheit, welche man jeder einzelnen be willigte, Abbruch gechan. Leider strafte sich Liese Unklugheil nur zu bald. Venedig faßte auf dem äußersten östlichen Ende dieser Gegenden festen Fuß, schlang seinen ehernen Gürtel um die am Adriatischen Meere gelegenen Städte, dehnte von Tag zu Tage seine Herrschaft immer weiter aus, unterjochte Padua, Verona und Bergamo und nahte sich schon den Thore» Mailands. Die Franzosen versuchten es von der anderen Seile her; Karl VII., Ludwig XII. und Franz I. eroberten zu verschiedenen Malen das Mailändische und Picmomcsische. Von dieser neuen Erschütte rung begünstigt, überstieg das Papstlhum die Apenninen und gelangte bis Parma, unweit der Ufer des Po; zu derselben Zeit eroberten die Spanier die Lombardei für da« Haus Oesterreich; Napoleon entriß sie demselben zwar auf zwanzig Jahre, aber nach dem Sturze des Kaiserreichs kehne sie nur um so sicherer inner da« alte Scepicr zurück. , Die Römische Invasion Hane das Eisalpinische Gallien der übrigen Halbinsel gleich gemacht und seine Bevölkerung in eine Italische Nanon verwandelt; aber auch die anderen Volker, die wechselsweise darüber hinzogcn und es unterjochten, haben Spuren ihres Aufenthalt« zurückgelasscn. Die Celtcn, die Gallier, die Franken und Franzosen bürgerten die verschiedenen Phasen einer steis fortschreitenden Bildung dort ein; Thcodorich's und Alboin's Barbaren, die Deutschen unter den Hohenstaufen, die Oesterreicher und Spanier Karlas V. erweckten hier von Zeit zu Zeit wieder den Keim des Deutschen Wesens. Das Mailändische hat daher auch einen durchaus gemischten Charakter, in welchem «was von diesen drei ganz verschiedenen Nationalitäten sich vor« find«; bei der Bildung der Lombardischen Typus vermischten sich Jtaliänische Schönheit, Französische Lebhaftigkeit und Fein heit des Geistes, Deutsche Sanstmmh und Fügsamkeit. Die jetzt in Mailand gebräuchliche Umgangssprache, deren sich auch die Kaufleute den Fremden gegenüber bedienen, ist ebenfalls aus die sen drei Elementen gemischt: das Jtaliänische bildet den Grund« wn; das Französische gab nicht bloß einzelne Wörter, sondern ganze Redensarten und Sätze dazu; das Deutsche verdarb noch vollends dieses Gemisch, indem cs eine Menge von Ausdrücken mit Kehllauten hincinbrachle, und so emstand das seltsamste Kauder« wälsch, welches je ein menschliches Ohr beleidigt hat. Auf dem Theaicr Famoccini, der Volksbühne Mailands, d,e aber kcineswc« gcs von der guten Gesellschaft verschmäht wird, hört man diese« Idiom in seiner ganzen Orignialttät. Der unumgänglich noihwem dige Schauspieler bei allen Stücken, dieses MarionellemThcaterS ist der Girolamo, eine Personificaiion des Mailändischen Volke«, dem cs allein gestattet ist, im echt Mailändischen Jargon über Alles seine Wiye zu mache». Wenn man von der Sprache de« Volkes zu den Gebräuchen der vornehmeren Gesellschaft übergeht, so wird man auch da dasselbe Gemisch amreffen; inan betrachte nur die Stutzer des Corso, die den ganzen Tag über vor den Thürcn der Kaffee« Häuser sitzen; in ihrem Anzüge wali« ein gewisser Geschmack vor, den man sonst nicht in Italien findet, aber doch wird man immer irgend eine unpassende Ueberladung, einen geborgten Luxus i» demselben bemerken. Ihre Physiognomie ist munter und belebt wie die der Franzosen, aber dieser aufgeweckten Miene mischt sich ein Hauch üppiger Trägheit bei, der durch ihre schwarzen Haare, brennenden Augen und blasse Farbe »och um viele« erhöht wird; ihre Leichtigkeit artet fast in Frechheit, ihre Anmuih in Schamlosigkeit au«. Im Hyde-Park ist derjenige der fashionablcste, welcher sich am eiufichsten kleidet, seinen Rock am besten zuknöpfl, sein Pferd am leichtesten lenkt, der nur mit Zurückhaltung lächelt, am kürzesten sich auszudrückcn versteht und wohlwollend, aber ernst grüßt. Im Boulogncr Gehölz gehl es schon unruhiger zu; hier lächelt man nicht mehr, sondern man lacht; man schwatz:, statt zu sprechen: man lenk: sein Pferd nicht,