Volltext Seite (XML)
52 wünsche, Sie unter vier Augen zu sprechen, Mylord." — „Reine theuerste Mrs. Barnaby, Sic brauchen sich um Rawlins so wenig wie um den Äaffeekrug zu kümmern.... Sie haben keine Idee, was für ein Kapnaikerl er ist: so treu wie Stahl, so still wie das Grab!.... Das ist er, Rawlins!.... Ich werde meinen Fuß darauf fegen, während Du den Schlüssel um- Drehest." — „Lord Mucklebury", begann die Witwe, „Sie wer den einsehen." — „Linsehen.... Guter Go«, ja, ich sehe ein; «aber liebste Mrs. Barnaby, was kann ich chun?.... Sagen Sie, wie gehl er der lieben Miß Morrison?.... Jetzt die Toi lette, Rawlins!.... vergiß die Seife nicht — ich bin fertig da mit!.... Thun Sie mir den Gefallen, und sagen Sie ja nicht meiner trefflichen Freundin, Miß Morrison, wie unordentlich Sie Alles um mich herum gefunden.... Sie wissen ja, sie ist so artig!.... Rawlins, vergiß die Stopfer nicht — lege auf jeden «in Stück Baumwolle!" — „Ist das die Art, Mylord, wie Sie «ine empfangen, die...." — „Ich weiß, was Sie sagen wol len, beste Freundin", siel der Lord ein, indem er ihr einen Tel ler mit Butisrbrod präsemirle,... „Was? Sie wollen nicht mit mir essen?.... Dann müssen Sie mich entschuldigen, liebe Freundin, ich habe einen langen Rill vor mir." Und mit diesen Worten segle sich Lord Mucklebury an den Tisch, goß sich eine Taffe Kaffee voll, schlug ein Ei auf und machie sich alles Ernstes daran, ein köstliches Frühstück einzuneh men. Die Wilwe wußie nicht, was sie zunächst lhun oder sagen sollte. Wäre er heftig, oder still und verdrießlich, oder in irgend einer anderen Stimmung, als in diesem unerschütterlichen Humor gewesen, dann hätte sie besseres Spiel gehabt. Auf einmal aber kam sie zu der traurigen Ueberzeugung, daß Lord Mucklebury's gegenwärtiges Benehmen und alles Frühere nur die Folge einer feinen Erziehung und vornehmen Bildung sey, und daß Lords und Ladies nie anders als so mit einander umgingen. In diesem Fall wollte sie lieber viele Wochen lang ohne Liebhaber leben, als durch ihr Erstaunen über diesen Ton eine so plebejische Unwissen heit verraihen, und jetzt erst kam sie zu dem schrecklichen Ge danken, daß sie sich durch ihr zu viel hoffen um die Freundschaft eines Pairs gebracht, der ihr zu Hause wie in der Ferne sehr nützlich geweien wäre. Zum Glück war Lord Mucklebury wirklich hungrig und aß ein paar Minuten so eifrig, daß die bestürzte Dame Zeit haue, sich zu erholen und den neuen Ton anzunehmen, den ihre Ambi tion ihr eingab, was sie mit einer Sicherheit lhat, die Lord Mucklebury selbst bewunderte. — „Gut!.... Ich sehe, wie die Sachen stehen, Mylord", sagte sie; „ich komme, Sie zu bitten, daß Sie mir einen kleinen Auftrag in Rom besorgen, wohin Sie Ihren Weg nehmen, wie die Blätter erzählen; doch ich sehe, Sie sind zu beschäftigt und zu hungrig, um einer alten Bekannt schaft eine Minute zu gönnen." — „Nein, bei meiner Seele!" sagte Lord Mucklebury, indem er sich bemühte, seinen Augen das Feuer einer alten Zärtlichkeit miizutheilen; „Sie können mir kei nen Auftrag in der Welt geben von New-Dort bis Jerusalem, den ich nicht mit der Treue eines westlichen oder östlichen Skla ven ausrichten werde. Was befehlen Sie, bezaubernde Miß Bar naby?" — „Weiter nichts, Mylord, als daß Sie mir einen Mu schelnschmuck kaufen, dem der Lady Stephenson so ähnlich als möglich, und ich glaube", fügte sie hinzu, indem sie sehr artig ihre Börse zog, um jedem Jrnhum in dieser Hinsicht zuvorzu kommen, — „ich glaube, da Eure Herrlichkeit schon so viel gereist ist, so werden Sie wohl im Stande seyn, ziemlich genau den Preis anzugeben .... Ich denke, ungefähr zehn Pfund." Und sofort fielen zehn goldene Sovereigns aus der Börse auf den Tisch. Lord Mucklebury, der von diesem glänzenden Beweis der Geschmeidigkeit ihres Geistes ganz entzückt war, nahm ihr lächelnd die Börse au« der Hand, legte das Geld wieder hinein und sagte: „So besorge ich nicht die Aufträge meiner schönen Freundinnen, Mrs. Barnaby .... ich werde Ihre Befehle in meiner Brieftasche notiren, so:.... „ein Schmuck der schönsten Muscheln in Rom für die reizende Mistreß Barnaby" sehen Sie!..;, so kann ich es schwerlich vergessen, und wenn ich das Vergnügen habe, sie zu überreichen, dann wollen wir über den Preis sprechen." Er legte ihr die Börse in die Hand zurück und küßte dieselbe mit der feinsten Cheltenhamer Galanterie, worauf sie kläglicher Weise aufstand und, vollkommen so thuend, als sey sie mit ihrem Empfang ganz zufrieden, mit den Worten Abschied nahm: „Leben Sie wohl, Mylord! verzeihen Sie mir meine Zudringlichkeit, und lassen Sie mich bei Ihrer Rückkehr das Vergnügen haben, Sie wiederzusehen." Sie ging fori in der Ueberzeugung, daß sie mit ihrer neuen Vermuthung Recht Hane, und daß man sich gegen Lord« ganz anders benehmen müsse, als gegen die übrigen Menschen. Rußland. Bibliographie. Vertrage und Alliancen Rußlands von 14M bis 1826. Von S. Dobro- klowskv. PZle ltder Mensch zu ungewöhnlicher Stärke gelangen kann. Nach einer bisher unbekannten Handschrift deS 17ten Jahrhundert«, vom Professor Deni« Pavinosf. Slawische Alterthiimer, nach Sckafarick. Der Student und die Fürstin, oder Navoleon't Rückkehr von der Insel Elba. Eine Erzählung von R-Sotoss- Schule de« Gesanges. Von T. Jefseie sf. Gesauge de« Russischen Volke«. Russische Sagen. Von M Makarofs. Da« Geheimniß. Roman von A. Stevan off. Versuch einer statistischen Uebersicht de« Gouvernement« Kaluga. Von S- Tschavlin. Reise nach Woronesch. Von Iwan Najcwitsch. Beschreibung der Stadt RibinSk. Unterhaltungen mit Kindern über Astronomie und Simmelskunde- Von S- Selenoff. Ueber Lie bekanntesten Regeln und da« System der Strategie. Vom Varon N Medem. Mannigfaltiges. — Chateaubriand'« Brief an Fräulein von Fon tanes. Die kürzlich im Druck erschienenen gesammelten Schriften des verstorbenen Marquis von Fonianes, jenes eleganten Redners, der, als Präsident des gesetzgebenden Körpers, der erste Apologet de« damals noch jungen Napoleonischen Ruhmes war, enthalten unter- Anderem ein Schreiben Chateaubriand's an die Tochter de« Ver fassers, Christine von Fontanes. Chateaubriand war während der revolutionnairen Schreckensherrschaft der Erilsgenvsse und per sönliche Freund des Verstorbenen, mit welchem er in London ge meinschaftlich im Interesse ihres Vaterlandes zu wirken suchte, Aber während der Erstere nach Amerika gegangen war, hatte der Letztere, nach Frankreich zurückgekehri, die Auszeichnungen und die Ehren des von ihm gefeierten Kaisers in reichem Maße empfangen. Dies veranlaßt nun den Verfasser der „Amla", in seiner Epistel an die Tochter den Vater, dessen literarische Ver dienste er ungemein hochstellt, auch wegen jener politischen Schmeicheleien zu rechtfertigen. Die Ansichten über Frankreich, die er bei dieser Gelegenheit ausspricht, zeugen wiederum von dem vagen, unbestimmten Charakter, von den sich widersprechen den ercemrischen, wiewohl auch chevaleresken und edlen Gefüh len, die den ausgezeichneten Stylisten zum Gegenstand eben so der Bewunderung als des ironischen Lächelns gemacht haben. „Was die politische Seile der Sache betrifft", so schreibt er an die Comtesse von Fontanes,„so haben Sie für den Erfolg Ihres mit kindlicher Liebe ausgefuhnen Unternehmens nichts zu besor gen. Ihr Vater hat Bonaparte gedient: nun, ist es heut zutage nicht alle Welt, die Bonapane'n verehrt? Macht ihn nicht Jedermann zum Muster seiner politischen Ansichten? Der Royalist sagt: „„Seht, er verstand das, was man regieren nennt!"" Der Republikaner ruft: „„Er war der Ausfluß aller Freiheiten!!'" Der Soldat Hörr nicht auf, zu wieder holen: „„Er Hal uns zu Herren Europa'« gemacht!"" Nach dem drei Revolutionen vor sich gegangen, kann wohl kaum das erregbarste Gemüth in den Einzelnheilen eines Menschen lebens Stoff zum Unwillen oder zum Zorne über diese oder jene Ansicht finden. Die Fragen, welche die Gegenwart be schäftigen, sind ja alle kindischer Natur, denn sie haben keine Zukunft: persönliche Interessen, die man zu allgemeinen Prinzi pien erhebt, dienen dazu, jene Intervalle einer Scheinruhe aus zufüllen, welche die großen Begebenheiten der Vergangenheit mit den großen Begebenheiten der Zukunft verbinden. Alles hat sich verändert, und Alles ändert sich fortwährend: mit großem Unge stüm sehen wir die neue gesellschaftliche Ordnung auf un« ein- dringen, wie man eine Kanonenkugel auf dem Schlachtfelde an kommen sieht. Nichts von dem, was besteht, wird fonbestehen; da« alte Europa ist mit der alten Französichen Monarchie gefallen, und nur die Religion hat sich aufrecht erhalten. Jene Krönungen, deren Schauspiel man uns dargeboten, sind die letzten Vorstellungen oder die letzten Paraden einer Welt, welche untergehl; Kopieen sind es, Abbilder, nicht aber Original«, Wirklichkeiten^ Die Masse macht sich statt des Herrschers geltend; ihr wendet sich der neuerstehende Geist zu, und zweimalhunderttausend Menschen in Birmingham überwältigen alle Kniebeugungen von Westminster. Der Schlag ist einmal geführt; seine Wirkung kann nicht unmittelbar sich zeigen- aber sie ist unfehlbar." — Wer erkennt nicht in diesen wenigen Worten alle poetische Ueberschwänglichkcu wieder, mit der Herr von Chateaubriand seine eigene Unzufriedenheit oder gar seine persön lichen Geschicke zu der Achse zu machen liebt, um welche sich das Schicksal der ganzen Welt dreht? Warum nennt er eine Zeit, in der die Wissenschaft, in der die Künste und alle Erfindungen des menschlichen Geistes einer entweder noch nicht dagewesenen oder doch kaum jemals übertroffenen Vollkommenheit zugeführl worden, eine Gegenwart ohne Zukunft? Was Hal die neue Aus gabe von Fomanes Schriften mit dem prophezeiten Untergange der heutigen Welt zu lhun? Die Franzosen unserer Zeil sind dem Herrn von Chateaubriand die allerkindischsten, gedankenlo sesten Menschen, und doch fügt er in demselben Briefe am Schluffe hinzu: „Und Du, Frankreich des neunzehnten Jahrhun derts, lerne jenes alle Frankreich, das Deiner würdig ist, schätzen- Du wirst auch Deinerseits alt werden, und man wird Dich be schuldigen, wie man uns beschuldigt, an veralteten Vorstellungen zu hangen. Verleugne Deine Väter nicht: Du bist aus ihrem Blut hervorgeaangen; wenn sie nicht hochherzig ihren alten Sit ten treu geblieben wären, so hättest Du auch nicht in dieser an geborenen Treue die Energie schöpfen können, die Dir in der neuen sittlichen Welt so vielen Ruhm verschafft hat. Zwischen Dem einen Frankreich und dem anderen Hal nur ein Uebergang von Tugenden statlgefunden." Herau«gegeben von der Redaction der Allg. Preuß. Staat«-Zeitung- Redigirt »on Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.