Volltext Seite (XML)
51 durchstich« stch hier von früh bis spül und von der Wiege bis ans Grab das Leben mil Gesang und Kiang. Selbst das steie Läuien der Glocken in aller seiner Eintönigkeit, ist nur der Pulsschlag dieses Lebens. Und zuletzt Höri man es so wenig wie der Müller seine Mühle. Und die Pifferari und die Litaneien dazu hört man, als hörte man sie nicht, und möchte dem Pythagoras sein Spharen- lied einräumen, das man nicht vernehme, weil darin lebend. Nur wenn man Abends eine unreine Flöte von der Nachbars- stube hören muß und kaum, daß diese verstummt, eine klägliche Guitarre und eine pinselhafie Stimme, welche dazu singt, daran gewöhnt man sich nimmer und weiß sogleich, daß dies Unkraut im Hesperischen Garten nur aus einer fremden Wurzel, auf einem Deutschen Maler wachsen konnte. England. Resultate der Schä'dellehre. (Schluß.) „Was die Phrenologen besonders zu Gunsten ihrer Wissen schaft anführen, ist der Erfolg, womit man die Prinzipien der selben auf die Charakterisirung von Individuen angewendet hat. Nr. Gall selbst, heißt es, Hai seine Theorie der strengsten Prü fung unterworfen, und bei mehreren Gelegenheiten war er im Stande, an den äußeren Formen des Kopfes ganz genau das Verbrechen zu bestimmen, um dessenwillen eine Menge Indivi duen eingczogen worden. Dagegen ist bloß die Thaisache anzu führen, daß Menschen mit denselben natürlichen Neigungen, je nach den verschiedenen Umständen, worin sie sich befinden, auch ganz verschiedene Verbrechen begehen, und daß Individuen von verschiedener, ja entgegengesetzter Neigung ein und dasselbe Ver brechen begehen, sobald die Umstände sie in eine ähnliche Lage versetzen, ia, daß Menschen oft Verbrechen begehen, wozu sie von Natur gar keine Neigung, vor denen sie vielmehr den tiefsten Abscheu haben, sobald die Macht der Verhältnisse sie fon- reißt. Der Eine mordet aus reiner Grausamkeit, der Andere, um einen Posten zu bekommen oder um sich Vermögen zu schaffen, und ein Dritter, um den Mitwisser eines anderen Ver brechens, das er früher begangen, los zu werden. Ein Mensch stiehlt lediglich, um sich etwas Fremdes anzueignen, ein Anderer, um seine sinnlichen Begierden befriedigen oder seinem Stolz oder Ehrgeiz fröhnen zu können, während so Viele durch die äußerste Roth dazu getrieben werden. Die Geschichte des Menschen in jedem Lande und Zeitalter zeigt, daß neun Zehntel aller Ver brechen eher die Folge verdorbener Erziehung, schlechten Bei spiels, böser Gesellschaft und anderer Umstände sind, in die der Verbrecher Hineingeraihen, als einer von Natur dem Menschen inhärirenden Neigung. Wie verkehrt ist es also, in den Formen des Kopfes einen Maßstab für die Tugenden und Laster eines Menschen zu suchen oder aus seinen bekannten Neigungen und Anlagen seine ganze Lebensgcschichte deduziren zu wollen. Wer, der je über die mannigfaltigen Verhältnisse des Lebens, die Zu fälle, die des Menschen Schicksal oft bestimmen, die Versuchun gen, denen er in verschiedenen Lagen ausgesetzt ist, nachgedachi hat, wird glauben können, daß von den 470 Sträflingen, die Gall in Spandau untersucht, Jeder gerade des Verbrechens schuldig war, wozu er von Natur die stärkste Neigung Halle? Mil demselben Rechle könmen wir glauben, daß jeder Mensch immer nur an der Krankheit stirbt, zu der er von Natur am meisten disponiri ist, und daß Liner, der Anlage zur Apoplexie hat, weder am Fieber sterben, noch im Meer ertrinken oder durch den Blitz umkommen kann." „Die Natur hat ihre Geheimnisse, die sie nicht durch äußere Formen enthüllt, die sie vielmehr absichtlich zu verbergen sucht. Nur ein Narr oder Beirüger kann behaupten, an einem so ober flächlichen Zeichen, wie die äußeren Formen des Kopfes sind, die Tiefen des menschlichen Charakter« erkennen zu wollen. Wenn wir unsere Mitmenschen kennen wollen, müssen wir sie sehen, mit ihnen verkehren, sie der Prüfung unterwerfen,' wir müssen sie lange studiren, wenn wir uns nicht täuschen wollen, wir muffen sie nach ihren Handlungen bcuriheilen. Darum hüte sich doch Jeder vor dieser trügerischen Wissenschaft, die in den For men, welche cm guter und allweiser Schöpfer den Menschen mit gegeben, beinahe eine Apologie für ihre Laster und Narrheiten findet. Besonders aber ist der Jüngling vor der Anwendung der selben auf sich, wie auf Andere, zu warnen, daß er sich nicht verleiten lasse, sich ein angeborenes Talent zuzuschreiben, das ihn zu der Stellung, die er im Leben erstrebt, befähige. Welchen Rang Jeder in geistiger .yinsichi in der Welt einnimml, hängt ganz von seinen eigenen Anstrengungen ab. Der Geist nicht weniger wie der Körper kann durch die Pflege, die er be kommt, eine nicht zu ermessende Vervollkommnung erreichen. Durch Beschäftigung mit Gegenständen, die des Studiums wür dig sind, durch eine Konsequenz, die unwandelbar ihr Ziel im Auge behält, und einen eisernen, standhaften Fleiß ist Jeder im Stande, die höchsten Auszeichnungen und Belohnungen zu er streben, wie zu verdienen: dies und nicht die Hervorragungen des Kraniums sind es, wonach die auffallendsten Verschiedenheiten unter den Menschen zu erklären sind." Die Witwe Barnaby, Roman von Mistreß Trollope. In der Englischen RomamLilerawr spielen die Witwen eine eben so ausgezeichnete Rolle, wie im Jialiänischen Drama dec Arlechino und seine mimischen Genossen. Und zwar sind es meistens muntere, verschlagene Frauen, die auf jeden heiraths- fähigen und bescheidenen Mann Jagd machen: si« sind kühn und erfahren im Plänemachen, entschlossen, wenn cs die Erreichunz eines Ziels gilt; sie wissen ihre Absichten zu verbergen, wenn sie sich von Entdeckung bedroht sehen, und machen ihre Trauerklei dung zu einem Blumenbeet, unter welchem die Schlang« der List und Jnirigue lauert; sie benutzen das Andenken eines wdterr Gatten zum Köder für einen lebenden und sind höchst geschwätzig, luchsäugig und glattzüngig. Diesen Charakter Hai die Witwe als humoristisches Genrebild im Allgemeinen, und diesen hat auch insbesondere die Witwe Barnaby, die Heldin der neuesten No velle der Mistreß Trollope- Zu den interessantesten Schicksalen dieser Witwe gehöre» vorzüglich ihre Heirathsspeculationen, und eine der kühnsten da von wollen wir hier als Probe des Ganzen den Lesern minhei-- len. Mistreß Barnaby trifft auf einer Badereise in Chelienhanr mit einem Lord zusammen, der ihr eine gute Beuie schein,; sic ruiniri sich halb durch den Aufwand, den sie bei dieser Gelegen heit machen muß, und schreibt ihm bogenlange Briefe, worüber er sich mit seinen Freunden bei seinen Champagner-Diners lusliA macht. Endlich bekommt das Lustschloß der Witwe einen gewal tigen Stoß durch Lord Mucklcbury's plötzliche Abreise nach Lon don. Er gehl und giebi kein Zeichen, sie aber will sich nicht für besiegt erklären und folgt ihm nach- Doch wie sie in London ankommi, erfährt sie durch ihren Sachwalter, daß sie keine Hoff nung habe, ihr Eingebüßies wiederzubekommen. Lassen wir jetzt die Erzählerin selbst sprechen. „Mistreß Barnaby beschloß, eine» Privaibcsuch in Mivan's Hotel zu machen, in der Hoffnung, daß sie dort Lord Mucklebury sehen werde. Nachdem sie sich also mit dem schönsten Kostüm, das sie beschaffen konnte, geschmückt, aber etwas weniger Roth, als gewöhnlich, aufgetragen, damit der Verräiher die Wirkungen des Kummers sehe, machte sie sich sofort auf den Weg. Als sic Piccadilly erreicht, rief sie einen Wagen und wurde in wenigen Minuten vor Mivart's Thür abgesetzt. „Ist Lord Mucklebury hier?" fragte sie in befehlendem Ton den ersten Bedienten, der ihr entgegen kam. — „Ja wohl, Madame", war die Antwort; „Seine Herrlichkeit frühstücken." — „Ich muß ihn sogleich sprechen, wenn Sie so gut seyn wollen." — „Ist es eine Verabredung?" fragte der diskrete Aufwärter, indem er sie scharf ansah.— „Seine Herrlichkeit ist eben im Begriff, abzureiscn, und zu sehr beschäftigt, um Jemanden sehen zu können." — „Für mich wird er schon Zeit haben — Ich muß ihn auf der Stelle sprechen!" — „Haben Sie eine Verabredung mit ihm?" wiederholt« der Mann in einem nicht sehr ehrerbietigen Ton. — „Ja wohl, cs ist eine Verabredung", erwiederie die dreiste Witwe. — „Am besten, Sie lassen seinen eigenen Diener rufen." — „äoe", sagte ein anderer Servkeltenmann, den die Erscheinung der Dame herbeigezogen. — „Sie ihun besser, wenn Sie diesen Sovercigtr nehmen", sagte Mrs. Barnaby flüsternd. Diesen Rath schien der Mann für den besten zu halten; denn er wußte das Geldstück so geschickt in seine Hand zu praklizircn, daß es kaum zu sehen war, gab der Dame einen bedeutungs vollen Blick, der so viel sagen sollte, als: „Folge mir!" — - und schlich über Gänge und Treppen voran, bis er sie an den Eingang von Lord Mucklcbury's Gemächern gebracht. Wahr scheinlich war er in Zweifel, ob der Dienst, den er geleistet, von dem Herrn eben so dankbar belohnt würde, wie von der Dame; darum öffnete er nicht erst die Thür, sondern verschwand mit den Worten: „Hier ist sein Zimmer" und überließ cs Mistreß Barnaby, sich selbst zu melden. Sie zitterte ein wenig, war aber doch noch entschlossen, und nachdem sie einen Moment gewann, um Aihcm zu schöpfen, öffnete sie die Thür und trat ein. Oer Aufwäncr hatte ganz treu berichtet; denn Seine Herrlichkeit Hane wirklich das Frühstück vor sich und war mitten im Packe». In» Morgenrock, mit einer Taffe Kaffee in der einen und einem Schlüsselbund in der ande ren Hand, stand er neben seinem Kammerdiener, der vor einem Mamelsack kniecnd denselben zu schließen bemüht war. Der Lord hakte das Gesicht der Thür zugcwandt und erhob die Augen, als sie sich öffnete. Der Anblick, den er bekam, war gewiß uner wartet, gleichwohl behielt er eine Fassung, die seiner Lebensphi losophie Ehre machte- „Mrs. Barnaby!" rief er aus mit einem Lächeln, da« sein Kammerdiener zu theilen schien, da er den Kopf abwandte, um. die Wirkung, die es auf ihn machte, nicht sehen zu lassen.— „Mrs. Barnaby!.... Ei, wie schön das ist - - - - Doch e« ihul mir leid, daß ich so viel Güte in einem Augenblick erfahren muß, wo ich so wenig Muße habe, meinen Dank auezudrücken .. - - Meine theure Lady, ich bin eben im Begriff, nach dem Kontinent aufzubrcchen." — „Ich weiß es, mein Herr.... ich weiß e« nur zu gut", erwiederie die Witwe, durch seinen ruhigen Ton ganz ver wirrt .... „Doch erlauben Sie mir, Sie einen Augenblick zu spre chen, ehe Sie abrcisen." — „Allerdings!.... Setzen Sie sich nur auf dies Sovha, Mrs. Barnaby . — Mil welcher Sehnsucht denkc ich an jene köstlichen Stunden.... Zum Henker, Rawlin«, Du die Angeln in Stücke brechen, wenn Du so damit umgehst.— Meine iheure Lady!.... Ich bin außer mir;---- aber brr meiner Seele, ich habe nicht einen Augenblick Zeit!" — „Jctz