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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeraNvn«- Prei« 22j Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, Z Thir. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man xränumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr Ttaa!«- Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Pcsi-Äemtern. Literatur des Auslandes. 13. Berlin, Mittwoch den 30. Januar 1839. Italien. Petrarka auf dem Mont-Ventoux. Rach Delecluze. So berühmt auch Peirarka durch seine Jialiänischen Sonene geworden, so verdient er doch nicht minder die Lobpreisungen und die Dankbarkeit der Nachwelt wegen der Bemühungen, die er während seines ganzen Lebens darauf verwandle, gesunde mo- ralische und politische Grundsätze unter den Nationen Europa'« zu verbreiten- Aus seiner „Kunst, gut zu regieren", die an I. Car rara gerichtet ist, ersieht man, wie unendlich weit Peirarka der praktischen Politik seiner Zeil voraus war, und wer sich über zeugen will, wie dieser gelehrie und geistreiche Schriftsteller sich mit der Lösung von Fragen beschäftigte, die der Natur seines Geistes durchaus fremd scheinen, darf nur eines seiner gleichfalls in Lateinischer Sprache geschriebenen Bücher lesen, welches den Titel führt: „Von den Pflichten und Talenten eine« Feldherrn" (äs officio et virtutidur- imperstorin) und das dem Lucchino del Verme, mit dem Beinamen „der Fabricius von Verona"/ge widmet ist. Der Gegenstand aber, über welchen Peirarka am meisten und besten geschrieben har, ist die Moral-Philosophie. Aus Furchl, zu weit uns zu verbreiten, wollen wir hier nur desje nigen seiner in Lateinischer Prosa verfaßten Werke gedenken, in welchem er sich über diese» Thema mit großer Tiefe und vielem Geist verbreitet. Wer Peirarka'« Herz und Wesen ganz kennen zu lernen wünscht, dem rachen wir, sein Buch: „fie Vomvuwtu vits«" zu lesen. Hier findet man in Form dreier Gespräche zwischen dem heiligen Augustin und dem Anbeter der Laura die edelsten und aufrichtigsten Bekenntnisse, welche ein Mann nur immer über seine Geistes- und Herzensschwächen abzulegen ver mag. Hier fleht man, wie Peirarka alle Täuschungen, denen er während seines Lebens in Bezug auf seinen Ehrgeiz und auf die Reinheit seine« Gefühl« für Laura erlegen, aufdeckl, prüft und verdammt, und am Ende eingcstehi, daß seine ganze herrliche Tugend-Glorie eigentlich nicht» weiter sey, als versteckte Eitelkeit und sündhafte Leidenschaft. Nach der Lesung diese» Buche» ge wahrt man deutlich, wie die Sonene, in welcher Peirarka von seiner Laura sprichl, meist leidenschaftlicher find, als sie es scheinen, und daß, unter der Hülle de» stei« so reinen Schleiers seiner Platonischen Sprache, der Sänger oft wie ein glühend Liebender schwärm«. Man ha« viele Kommentare zu den Iialiänischen Ge sängen unsere« Dichter« geschrieben; meiner Ansicht nach, würde eine vollständige Ueberseyung seiner „Lebensverachiung", die er auch „sein Geheimniß" nannte, die beste Erklärung seyn, welche man ihnen beifügen könnte. Wer von dem Glauben nicht lasten m>u, daß der Dichter der Sonene an Laura beschränkten Geistes und kalten Herzen« war, der möge nur diese schöne und merk würdige Schrift lesen, die zu lang ist, um hier vollständig Platz zu finden, und deren Theile wieder zu eng mit einander verbun den sind, um einen davon «rennen zu können. Doch haben wir un« vorgenommen, unseren Lesern Peirarka von einer dritten Seile vorzuführen, ganz verschieden von dem, wie er sich w seinen Sonetten und Eanzonen zeigi, und auch durchaus anders, al» wenn er Carrara die Kunst lehn, einen Sraa« gut z« regieren. Hier «ritt er vor uns al» beschreibender Dichier, als phanlafierercher Denker, seine erhabenen und glän- zendey Beirachiungen umfassen die Körper, und Geisterwell, er weide« sich an eingebildetem Kummer und Schmerz, mit Wonne schlürft er da» Vergnügen ein, durch eine unbewohnte, wilde Gegend zu wandern; bald irrt er auf» Gcraihewohl umher, bald strebt er nach einem Ziele, immer aber sühn ihn seine Einbil, dungskraft auf sich selbst zurück, er prüft und befrag« sein Herz, um die menschliche Naiur kennen zu lernen und um ,u er forschen, welche« der Zweck und da« Ende de« Leben» sey. Von 3 I. Rousseau bis auf unsere Zeilen hat es nicht an gewandten Schriftstellern gefehlt, welche sich bemühten, die Verstimmungen der Seel«^ die Schwankungen der Leidenschaften und die quälen den Einflüsterungen der Zweifelsucht autzumalen. Man Hai sich sogar eingebildet, diese Gemülhsrichlung sey sowohl bei den Personen, die daran leiden, als bei denen, die sie schildern, ein neue« Resultat der socialen und politischen Bewegung der Welt seil achlzig Jahren. Aber der Mensch ist ewig derselbe, immer von Hoffnung und Mulhlosigkeil auf dem Ocean des Lebens um hergeworfen. Ucberhaupl kann dieser krankhafte Seelenzustand erst dann beobachlel und richtig geschildert werden, wenn die Völker die Gränzen einer gewissen Bildung überschritten haben. Vor diesem Zeitpunkte ist es nur seltenen Geistern verliehen, die Abstufungen dieser moralischen Verstimmung zu ergründen, welche der große Haufe, der ausschließlich mit den ihn quälenden groben Körperschmerzcn beschäftigt ist, nicht zu fassen vermag. Diese Erkennmiß war im Lause des vierzehnten Jahrhunderts nur einem Petrarka erschlossen, dessen zarte, edle und empfängliche Seele keinen Ruhepunkt in jenem damals noch so rohen und wilden Europa fand. Wir werden ihn selbst hören und bei der Lesung seiner Besteigung des Mont-Vemoux gewiß alle Merkmale er kennen, welche die Schule I. I. Rousseau'«, Bernardin de St- Pierre's, Chateaubriand'« und Lamartine'« charakteristren. Lassen wir Peirarka sprechen: „Ich erstieg heute einen hohen Berg dieser Provinz, (der ehemaligen Provence, jetzigen Vaucluse - Departement«), der nicht mit Unrecht der Mont - Venloux") genannt wird und merkwürdig ist durch seine Gestalt und Höhe. Eine Neugierde, die sich noch aus meiner Kindheit herschreibt, wo ich zuerst diese Gegend sah, trieb mich an, ihn genau zu durchforschen; in der Thai fesselt der Mont-Vemoux, von welcher Seile man ihn auch bctrachie, Blicke und Aufmerksamkeit, und durch mein heutiges Ersteigen desselben erfüllte ich nur einen lang genährten Wunsch. Mir kam eines Abends der Entschluß, ihn zu erklim men, bei Lesung einer Stelle des Titus Livius, in welcher dieser Geschichtschreiber berichtet, daß Philipp, König von Macedonien, in einem Kriege gegen die Römer, den Berg Hämus in Thessa lien erstieg, von wo au« man die beiden Meere, das Adriatische und das Schwarze (Pomus Euxinus), solle erblicken können. So weit entfernt von diesem Lande, wie ich es bin, ist cs mir unmöglich, zu beurtheilen, ob diese Thalsache wahr oder falsch sey; Pomponiu« Mela bejaht, Titus Livius leugnet cs.") Sicher lich würde ich für meine Person nicht lange darüber in Zweifel bleiben, wenn mir der Berg Hämus so nahe wie der Mont- Vemoux läge. Wie dem aber auch sey, wir wollen zum letzteren -urückkehren. Im Augenblick der Abreise, als es darauf ankam, mir einen Reisegefährten zu erwählen, konnte ich seltsamerweise unter mei nen Freunden keinen herausfinden. Wenn man eine Reise oder einen Spaziergang in Gesellschaft unternimmt, so ist wirklich nicht» seltener, als eine Uebereinstimmung des Willens, des Ge schmacks und der Charaktere. Der Eine schien mir zu lebhaft, der Andere zu langfam; zu große Lustigkeit und zu große Schwer- muih war mir beides nicht wünschenswenh; Dieser war zu geist reich, Jener zu beschränkt. Ich wünschte bei meinem Reftege- fähnen weder zu anhaltende Schweigsamkeit, noch zu ermüdende Geschwätzigkeit; die Korpulenz eines Dritten verhinderte ihn am raschen Gehen, ein Biener war so mager, daß ich befürchtete, mit ihm nicht Schritt hallen zu können. Kurz, aus Furcht vor allen diesen kleinen Mängeln, an denen die Freundschaft so wenig Anstoß nimmt, wenn man ganz ruhig im Zimmer bei einander ist, fiel meine Wahl endlich auf meinen jüngeren Bruder, der den Vorschlag um so freudiger annahm, weil er sich dadurch meinen Freunden vorgezogen sah, was dem Herzen eine« Bru ders immer sehr süß ist. Am festgesetzten Tage machten wir uns auf den Weg und langten gegen Abend in Malausane an, einem Dorfe an der Nordsciie des Mont-Vemoux, wo wir einen Tag verweilten. Heute endlich erstiegen wir, mein Bruder und ick, «n Begleitung einiger Diener, nicht ohne Schwierigkeiten den Berg, der gerade an dieser Seite sehr steil und felficht ist. Doch, sagt nicht der Dichter: „l.abore omni» viueic improbus"? Die Länge des Tages, die Reinheit der Luft, die Kraft und Geschmeidigkeit unserer Glieder, Alles begünstigte unser Unternehmen, und es stieß uns kein anderes Hindernis auf, als die natürliche Rauh heit des Ories. ') vao, veoto»«-, der stürmische Derg, wie eine »er Riesenkuooe» »es Schlesischen Gebirge« Vie Sturmhaube heißt. . in», xi.. ri un» rr. Nicht nu, jene beiden Meere, sondern auch noch dir Aloen und die Donau sollte man, wie Liviu« berichtet, der Sage nach, von« höchsten Gipfel de« Hamu« sehen können