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36 wund««» zu sterben — diese» Gemälde wiederholte sich lebhaft in meiner Einbildungskraft. Ich würde mein Her» von der Last, die es bedrückte, nicht Haden befreien können, ivcnn ich es nicht unternommen hätte, das, was ich zu hören und zu sehen glaubte, niederzuschreiben." Voll Enthusiasmus für ihr Talent, wagte ich den Wunsch gegen Evanthia, einige Bruchstücke ihres Gedichte« von ihr selbst zu hören; ihre Bescheidenheit »chien in Verlegenheit zu geralhen; ihr Blick wandle sich nach ihrem Bruder, gleichsam um ihn um Raih zu fragen; endlich nahm sie da« Gedicht mit den Worten: „Nun, so will ich Euch di« Stelle lesen, wo Christos Kapsalis (den ich unter dem Namen Nikiralos darstelle), entschlossen, in Missolonghi den Tod zu suchen, seine Tochter Kleonice und seinen Sohn Charigene« seinem Freunde Lysimachos anvenraut, der im Begriff ist, an der Spitze der Besatzung die Frauen und Kinder durch das feindliche Lager zu geleiten." (Die Uhr scklZgt die Stunde de« Aufmarsches: die Frauen, bereit, der Besatzung von Misiolonzhi zu folgen, halten vor einer Kirche an und rufen:) Sey UNS gegrüßt, du Boden, der uns geboren! Du theure Stadt, wo wir frei gelebt haben, sey uns gegrüßt! Verlassene Wohnungen, die ihr von den süßen Gesängen der Freiheit nicht mehr wiedenönen werde«! Gräber unserer Vater, die wir nicht mehr mit unseren Thränen benetzen können! Tempel des All' mächtigen, in denen wir so oft die Hymnen des Dankes haben erschallen lassen, iheure Gegenstände unserer Herzen, seyd uns gegrüßt! Wir verlassen euch jcy«, ohne zu wissen, wohin wir unsere Schritte richten. Gott des Erbarmens, würdige uns, uns Führer zu seyn in dieser furchtbaren Nacht! Schütze uns vor den Händen unserer unversöhnlichen Feinde! Habe Mitleid mit diesen unschuldigen Kindern! Bedarf es noch der Opfer für des Vaterlandes Wohl, so laß uns wenigstens die Legien seyn! O, daß wir doch mit unserem Tode die Wuih der Tyrannen befrie digen könnten! — Auf! Geliebte, man ruft uns.... Kommt, uns gegenseitig zu umarmen, uns der göttlichen Vorsehung an- zuverirauen! .... (Sie umarme» sich und gehen weiter. Da wendet sich Nikirato» zu LvstmachoS und spricht:) Hier, Lyssmachos, sind meine Kinder, die theuren Gegen stände meiner Zärtlichkeit! Ich vertraue sie Deinem Muche, Deiner Freundschaft.... In Deine Hände lege ich ihre Zu, kunft.... Mögen sie frei leben, oder mögen sie.... Freund, Du versiehst mich.... (Zu s«in<m S°d»- ) Komm, mein Sohn, mein geliebter Charigene«, daß ich Dich zum letzten Male um, arme!.... Erinnere Dich immer dieses schrecklichen Augen, blick« — - Wenn Du einst älter geworden seyn wirst, gedenke, daß die Uebcrreste Deiner Mutier in Missolonghi ruhen; daß das Blut Deiner Brüder zur Vercheidigung dieser Mauen, ver, gossen ward, daß Dein Vater bis zu den legten Augenblicken seines Lebens in der Mitte dieser verlassenen Thürme verweilt?! (Zu sein» Lochten» Und Du iheure Kleonice!.... meine Tochter! .... sonst meine Freude, jetzt mein Schmerz!.... Komm, nimm Abschied von Deinem unglücklichen Vaier!.... Wer weiß, ob wir uns je Wiedersehen!.... (Für sich, indem er das G« sich! von seinen Kinbeen abwcnbet:) Liebe zum Vaterlands! Nichts auf der Welt, al» deine Macht, ist im Stande, mich von meinen Kindern zu trennen; halte du mich aufrecht, in diesen schrecklichen Augenblicken!.... Ach! mein Sohn, wie beklage ich Deine Un schuld! .... Mit welchem Blicke Du mich ansiehst! Du ahnest Dein Unglück kaum; Du lächelst Deinem unnatürlichen Vater, der sich Deiner cmaußen für da« Vaterland!.... Und Du, meine Kleonice! Du bleibst unbeweglich, Du bist stumm und lautlos; was denkst Du von mir? Warum sprichst Du nicht zu mir, meine Tochter? Kleonice. Und was soll ich Dir sagen, da Du mich nicht mehr liebest, da Du mich hassest? Nikirato«. Ich Dich hassen?.... Welches Wort sprichst Du au»?.... Ach! wenn Du die Bewegungen diese» Herzens kenntest! Kleonice. Warum beneidest Du mir da» Loo«, mit Dir zu sterben? Wenn ich Dir noch theuer bin, so nimm mir das Leben; nimm Dein Gut zurück; durchbohre dieser H«rz, da» sich von Dir nicht zu «rennen vermag; oder, wenn es Dein Arm nicht kann, laß die eigene Hand gegen diese Brust sich kehren! (Lie zieh« «in«» »erborgen-» Dolch ans ihrem Gewandt, um sich damit zu durchbohren, üha, riginr» wirft sich in ihre Arm^ und sucht ihr den solch zu entreiien.» Nikirato«. O, meine Kinder!.... O, meine Tochter!.... Du, mit mir sterben! in einem so zanen Alter! Zerreiße nicht mein Inneres, mein« Kleonice! habe Mitleid mit Deinem unglücklichen Vater! Steh' meine Thränen!.... Nöchtge mich nicht.... Dringe nicht in mich.... Kleonice. Mein Entschluß ist gefaßt; entweder verlassen wir Beide diesen Ort des Schreckens, oder Missolonghi wird unser gemein, schaftliches Grab werden! Nikirato«. Und Charigene»? Und Drin Bruder, der keine andere Stütze hat, «l« Dich, was soll au« diesem werden? Habe wenigsten« mit diesem unschuldig«» Wesen Mitleid! (Mit zerrissenem Herzen:) Meine Tochter!.... meine Tochter!.... Kleonice. Uebergieb ihn den Händen unseres Freunde«. Mag Lystma, cho» ihn mit sich führen; mag er suchen, «hn zu reuen.... Charigines. (Umarmt seine Schwester und nist mit Thränen ln den Augen:) Nein, Kleonice, verlaß mich nicht! trenne mich nich« gewal«, sam von Dir!.... Kleonice. (Drückt ihn an ihr- Brust und sag, mit zitternder Stimme:) Geh', geliebter Charigene«; folge den Schritten des Lysima- cho»; bald werde ich wieder bei Dir seyn. Charigene s. (Sie umarmend.) Nein, nein, Du wirst nicht kommen; ich verstehe Dich, Kleonice. Kleonice. (Bei Seite.) So ist es denn nöihig, auch dieses Kmd unsere Gefahren mit uns «heilen zu lassen!.... Aber wenn der Feind .... Und ich die Ursache seines Todes!.... Soll denn von unserer ganzen Familie Niemand übrig bleiben, einst das Blu« unserer Äettern zu rächen?.... Doch wie könnte ich mich entschließen, einen so zärtlichen Vater zu verlassen?.... O, Go«! nimm die Tag« meines Vaters und meines Bruders in Deinen Schutz! — Und für mich?.... O, heiliger Boden de» Vaterlandes, sey du mein Grab-!.... Nimm du meine Gebeine in deinen Schooß, daß sie mit der Asche meiner Mutier vereinig« werden!.... Lysimachos. (Bei S-ne.» Unglücklicher Rikiratos, was muß Dein Herz leiden!.... Nikirato«. Ich hoffte, Lusimacho«, meine Kinder zur Fluch« zu über reden; ich hoffte, unbekümmert uin ihr Schicksal, die Barbaren zu vernichten.... Und setz«? Welche Heere, welche Feinde werden es wagen, sich mir zu nähern?.... Aber — sie sollen kommen!.... sie mögen es wagen! Sie sollen dafür be» straft werden; mit meinen eigenen Händen will ich sie vernichlen! Mannigfaltiges. — Die Sylphide. Eine Russische Novelle, ein aller liebstes kleines Genrebild, liefen uns unier diesem Tiiel da« neueste Heft des „Freihafens". Nichl Marie Taglioni, die seit einem Jahre von Russischen Blättern immer nur die Sylphide genannt wird, sondern ein noch äiherischeres Gebilde, «in wirk liches Kind der Luft» und Wasserwell, ist die Heldin dieser Mährchen-Novelle, die auf eine anmuchige Weise das Leben der allerprosaischsien Russischen Land - Sdelleuie mil den pociischen Träumen und Idealen einer feffellosen Phaniasic in Verbindung bring«. Der Verfasser, Fürst Wladimir Odojeffskij, bewähr« sich darin als ein ausgezeichneler Sillen, und Seelen-Maler. Es ist, als hätte er nichl bloß auf Justinus Kerner und andere Geister, scher der Ari, sondern auch und haupisächlich auf deren phi, liströse Gegner eine Saiire schreiben wollen. Wir sehen die Verirrungen eine« poeiischen Gemächer vor uns emstehcn, seine Geisterwell öffnel sich uns auf di« naiürlichste Weise, aber so krank er uns auch erschein! — wir müsse« ihn doch in dieser Krankheit für glücklicher hatten, als in dem gesunden prosaischen Zustande, den ihm sein wohlmeinender Freund mii Hülfe eine» höchst be sonnenen Arzie» wieder zu verschaffen weiß. Wir vermögen nichl zu beurcheilen, ob die Russische Novelle nich« durch die Deutsche Nebertragung an Eleganz und Zierlichkeit gewonnen Hal — dem Verfasser ist nämlich die Auszeichnung zu Theil ge worden, durch Varnhagen von Ense in die Deutsche Lesewelt eingefühn zu werden; — gleicht jedoch auch die äußer« Form de» Originals der Deutschen Kopie, so darf man den Fürsten Odo, jeffskij zu den besten Novellisten seiner Zeit zählen. — Russische Uebersetzun gen Deutscher Dramen. Z„ den besten Uebersetzcrn aus dem Deutschen wird in Rußland Herr P. Obodoffsklj gezählt. Manche seiner Bearbeitungen, wie z. B- die de» .allerdings sehr mittelmäßigen Drama» „Johann, Herzog von Finnland" (von Frau v. Weißemhurn), wird sogar für viel effektreicher und poetischer als das Original gehalten- Eben so soll durch einige Veränderungen im ersten Akte seiner Bearbei tung von Halm's „Griseldis" (welcher kürzlich auch di« Ehre widerfuhr, auf dem Hof,Heater in Stockholm Schwedisch aufge- fährt zu werden) das Stück ungemein gewonnen haben. Nächst diesem Drama Halm's Hal Herr Obvdoffskij auch dessen „Eamoens" und „Adept" übertragen. Vorzugsweise scheint sich der Ueber- seger jedoch an unsere schwächeren Autoren zu hatten; nament lich Hal er auch noch Dramen von Auffenbera tda» böse Hau») und von Schenk (die Krone von Cypern) mil Glück bearbeilet. Herausgegeben von d«r Redaction der Mg- Preuß. StaaiS-Zeitung. Siedigirt von I- Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hap».