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W-ch«mUch erschein«» drei Nummer». Prinum«railon<- Prei« 22j Sgr. lL THIr.) »terttMrlich, L U!r. sür da« gani« Jahr, «hn« Er< Höhung, in allen Theilen her Preußischen Mönarchi«. für die Man prinumerirs aus diese- Beiblan der Sllg. Pr. Staat»- Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrich--Straß« Sir- 72); in der Pro»i»i l° wie im Ausland« bei den Wohllödl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 1S7. Berlin, Montag den 31. Dezember 1838. Nord - Amerika. Der Wasserfall des Niagara. Au- dem Schreiben eine- Britischen Osstjiers in Kanada. Das Regiment, das nach seinem Wimcrmarsch aus Neu« Braunschweig in dem kleinen Flecken am Fluß Richelieu kamon- »in Hane, befand sich endlich in bequemen Quanieren zu Mont real, und nachdem unsere schwere Bagage nach einer Entfernung von sechs Monaten uns zur See nachgckommen war, schmeichel ten wir uns mit der Hoffnung, daß wir jeyl unsere zerschlagenen Glieder ausruhen und uns aus die Dauer im warmen Nest pfle gen könnten. Doch am 30. Juni bekamen wir um sechs Uhr Morgens die plötzliche Ordre, sofort nach Kingston in Ober-Kanada aufzubrechen, und nachdem wir noch einmal von unseren Frauen, Kindern, Kranken und Gepäck Abschied genommen, marschine das Corps mil dem Glockenschlage neun Vormillags aus den Baracken. Der linke Flügel zog längs des Ottawa-Flusses und des Rideau-Kanals, einen langen und beschwerlichen Weg, wäh rend der rechte Flügel, zu dem ich gehörte, die Richtung des Lorenzstroms nahm und, bald mit Dampf fahrend, wo der Fluß schiffbar war, bald zu Land marschirend, wo die Siromschnellen ihn unfahrbar machten, am 3. Juli Kingston am Ontariosee er reichte. Das Regiment übernachtete nur einmal unlerwegcs in Cornwall, einer Stadl, deren Namen, Sprache und Bewohner »ns erinncrlcn, daß wir jeyl in Ober-Kanada waren. Die gellen den -carrö'« und inurrk» Nonc'^ der Französischen Kanadier lönten nichl mehr ins Ohr, und statt des schwächlichen, schwarzen und affengleichen Jean Baplistc «rasen wir ein stämmiges, ernstblicken- dee Geschlecht, das offenbar aus Schottland herstammle. Doch selbst hier fehlt nicht das gehässige Näseln der Pankee's von jen seits des Wassers, so wie eine Unhöflichkeit der Sitten, die das Mutterland nichl kcnm. Cornwall scheint eine blühende Stadt zu scyn. Auf meinen Streifereien nach den kleinen Pflan zungen in der Nähe sah ich nirgends ein verfallenes Haus, einen schmutzigen Menschen oder ein anderes Zeichen der Ar- mulh, außer wo ich auf die Hütte eines „armen Verbannten von Eriy" stieß; denn diese bringen ihre schmutzigen, nachlässigen Sitten eben so unfehlbar in die neue Welt mii, wie irgend einen anderen zur Einwanderung unentbehrlicheren Artikel. Oberhalb Cornwall's begegneten unsere Dampfbölc einigen gefährlichen Stromschnellen, die sie mit großer Mühe überwan den. An manchen Stellen sah das Auge sehr deutlich das Herab- fallen des Stroms. Das Boot, in dem ich war, blieb mehr als einmal stehen, «rotz seines kräftigen Ruderns, und unser Nachbar schiff war genöthigt, seinen Kesseln mil Pferden und Vieh zu Hülse zu kommen. Wir passincn viele liebliche Inseln, deren reiches Laubwerk in ungehemmler Ueppigkeil ins Wasser hinabsank, indem die Siromschnellen, von denen sie eingcschloffen sind, sie vor dem Beil und Pflug des Alles verbessernden und gewinn« süchligen Menschen schützen. Andere Inseln, die nichl so schön, aber voriheilhafier liegen, sind gelichiet, bewohm und sehr reizend mir Heexden besät. .In der Nachl des 2. Juli wanden wir uns durch die weil- berühmte Gruppe der „Tausend Inseln", die erst kürzlich noch berühmter wurden durch den Aufenthalt des bekannten Piraten Bill Johnson. Die Fama hat um diesen Räubcrhelden einen Kreis von Romamik gewoben, in der seine vier muihigcn Söhne und seine schöne Amazonische Tochier die Hauptrollen spielen. In der Thal waliei «was Geheimnißvolle» in seiner Lebensweise und eine wilde Schönheit in seinen Schlupfwinkeln, die der Phantasie eines Cooper's nicht unpassenden Stoff zur Verarbei tung liefern würden. In der Wahl seines Verstecks Hai Bill Johnson „ich, wenig Klugheit gezeigt: in diesem unzugänglichen Inseln-Labyrinth, das von gefährlichen Stromschnellen geschützt wird, ist er vor ;edem Angriff von außen vollkommen sicher. Der Aufenthalt des Regiments in Kingston mar nur von kurzer Dauer. Am Morgen de« V. Juli bekamen wir freudig den Befehl, an die Niagara-Gränze zu rücken und einen Strich Landes zu besetzen, der bisher fast nur von Milizen und Frei willigen vcnheioigt worden. Noch denselben Abend gingen wir mil Sir John Colborne, der an diesem Tage aus Nieder-Kanada ankam, an Bord des DampfbovlS „Großbrilauieu"; unsere Sireil« mach, bestand aus dem rechten Flügel des Regiments, einem Artillerie-Delaschcment mit zwei Kanonen und einem Haufen Sapeurs und Mineurs mit Lagcrgeräih sür 1000 Mann. Am Morgen des 7. Juli war kein User des großen Süßwassersees, auf dem wir fuhren, vom Verdeck aus zu sehen; gegen Mittag aber lag der Amerikanische Landstrich niedrig, platt und waldig dem. Wind gegenüber. Nicht ein Berg war am Horizont, nicht einmal ein Hügel als Hintergrund. Das Wasser des Sees war wie das Meer ,m Ankergrund gefärbt. Nicht ein Hauch kräuselte seine Oberfläche, nicht ein Vogel flatterte darüber, nur zuweilen sah man Störe nicht weit vom Strand Hüpfen. Nm vier Uhr Nachmitlags, während unsere Mannschafl diese öden Ufer von den Tinen des tio<I xavv rlw «zueen wiederhallen ließ, fuhren wir um die Landspitze herum, auf der das Fon der Vereinigten Slaaien, Niagara, stchl, und kamen in den berühm ten Fluß dieses Namens. Ls war, als hätten wir aus der Kö niglichen Heerstraße in einen engen Qucrweg umgebogen, wo bei die Glätte der einen und die Unebenheit des anderen das Gleichniß vollständig machte. Unter einem brennenden Himmel landeten wir jetzt an dem Kanadischen Fort, und nachdem wir uns am Ufer geordnet, marschinen wir auf eine grüne mit Bäu men besetzte Ebene, wo wir sogleich ansingcn, zum Lager für die Nacht Anstalten zu treffen. Inzwischen kam ein Samarila- nischer alter Soldat zu uns, der in dieser schönen Gegend sein beständiges Bivouak aufgeschlagen Hal, und zog durch die kaba- listischen Worte „Klare« in Lis" den größien Theil der Offiziere nach sich. Wir fanden eme höchst gebiidcie Gesellschaft, die durch mehrere schöne Damen geziert war, für welche zum Glück unser Hause eine willkommene Neuigkeit war- Bei der Plötzlichkeit und Raschheit unseres Aufbruchs von Monireal hatten wir geglaubt, unser Vorrücken an den Niagara werde etwas mehr zu bedeuten haben, als einen bloßen Quartier« wechsel. Jndeß war Alles ruhig, und seil der Affairc von den „kurzen Hügeln" Hal kein Angriff von Seilen der Amerikaner statlgefunden, außer einzelnen Schüssen auf die Schildwachen jensetts des Flusses. Doch dies ist nur ein Poffenspiel zwischen den beiden Nalionen. Ein Danker ist eben so Hünig mil seiner Flinte, wie ein Deutscher mit seiner Pfeife; jener schießt sein Gewehr mit eben so kaltem Blut ab, wie dieser seinen Meer« schaumkopf raucht. Am folgenden Morgen mit Tagesanbruch brachen wir unsere Zelte ab, stiegen noch einmal in ein Dampfboot und fuhren den Strom sieben Meilen hinauf. Die Ufer wurden immer höher und auch schön bewaldet, und die Breite des Flusses wechselte von einer halben zu einer Vierlelmeiie. Oberhalb Queenston ist der Niagara wegen seiner großen Schnelligkeit für Dampfböle nicht schiffbar. So mußten wir unterhalb dieser Stadl aussteigen und die felsigen Höhen von Queenston erklettern, dem Schauplatz der blurigen Schlacht von 1812, und indem wir dicht unter dem Denkmal des tapferen Brock vorüberzogen, setzten wir unseren Marsch fori bis an die Ebene, die sich von diesen Höhen bis zum Erie-See ausdchnl. Man sicht noch deutlich an dem Abhang des Hügels die Reste der Britischen Arbeiten. Die Position ist furchtbar, und man kann die Kühnheit der Amerikaner bei ihrem Angriff nur bewundern. Ein Führer au« New-Dork sprich, von der Affairc bei Queenston in folgender lakonischer Weise: — „Die Amerikaner blieben nur einige Stunden im Besitz, dann fuhren sic wieder über den Fluß zurück." Dies heißt mit anderen Worten: sie wurden mit dem Bajonnet jählings die steile Höhe hinabgejagl, und diejenigen, die nicht getödiet, ertränkt oder ge fangen wurden, die fuhren allerdings über den Fluß zurück mit einer Eile, die ihnen keine Ehre machte. Die Hügel an dieser Stell« sind gegen 3<;o Fuß hoch, und der trübe Strom, der einzige Abfluß-Kanal für die Gewässer der großen westlichen Seen, die die Halft« des ganzen Süßwasscrs der Erdkugel eiuhalien sollen, rauscht furchtbar durch diesen en gen Schlund. Die ganze Masse dieses ungeheuren für den Ocean bestimmten Tributs ergießt sich über die Wasserfälle des Niagara. Die Theorie, nach der die großen Katarakten sich allmäiig von diesem Punkt an ihre» gegenwärtigen Ort entfern« hätten, schein« mir nich« ganz unpassend. Die Naturforscher gründen hierauf die Vermuthung, daß die Wasserfalle mi« der Zeit bis an den Erie-See zurückweichcn werden, wo dann dieser edle, obwohl nich« sehr liefe Binnen-See ganz auSlrccknen muß. Unser Weg von Queenston aus war sehr hübsch und inier-