Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheine« drei Nummern. Pränumeration»- Vrei« 22j Sgr. (j Tdlr.) vierteljährlich, 2 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er, hdhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man orlinumerirt «ns diese« Bella» der Svg. Pr. Staat«, Aeiwng in Berlin in ter Exocdition sFriedrich«-Straße Rr. 72) ; in der Provinz so wie im AuSlanLe bei Len Wohllöbl. Post-Lemtern. Literatur des Auslandes. 147. Berlin, Freitag den 7. Dezember 1838. Algier. Mustafa Ben Ismael. Seit einiger Zeit sehen die Pariser mit Staunen Leute von finsterer und apathischer Physiognomie, fremdartigem Kostüm, stolzem und glühendem Blicke, die sich auf öffentlicher Straße, auf den Spaziergängen und im Theater unter die wogende und lärmende Bevölkerung mengen. Ergriffen von ihrem Anblick, drangt sich das Volk mit stummer Neugier um sie her und fragt sich, ob es nicht Menschen aus einem anderen Zeitalter und aus anderem Stoffe sind. Ohne Zweifel haben die Barbaren des Nordens, als sie die Weltstadt Rom zuerst betraten, einen ähnlichen Eindruck gemacht. Erscheinen uns diese Kinder der Wüste nicht wie antike Statuen, die, für einige Zeit mit einer Seele begabt, von ihrem Marmor-Sockel herabgcstiegen sind, oder, noch bester, wie biblische Personen aus Abraham s Zeital ter, die ihr Grab verlassen haben, um Wunder anzustaunen, von denen die Vorwcll nichts wußte k Es war unserer Epoche Vor behalten, daß der Araber sein Zeil verließ, seinem Religions haffe Schweigen gebot und an dem Heerde des Ungläubigen sich niedersetzle, sortgeristen von der Sehnsucht, alle die erstaun lichen Dinge zu sehen, deren Rus bis in seine Nomaden-Zelte gedrungen. Doch ahnt er vielleicht auch, man fey in Paris eben nicht viel christlicher als in Tlemestcn oder in Maskara, und dieser Umstand mag zur Beseitigung seiner Skrupel Mitwirken. Wie dem nun scy, er fängt an und wandert gern nach dem Baby lon unserer Tage; die Pilgerfahrt nach Mekka könnte durch diese ge fährliche Konkurrenz leicht zu Schaden kommen, die gottlose Stadt Paris der heiligen Stadt des Propheten den Rang ablaufen. Die Araber von Stand und Auszeichnung gehen dem großen Haufen der Nation auf diesem unorihodoren Wege voran.' Dem berühmten Diplomaten Mcwlud Ben Arasch folgt der alte Bei von Tlcmesten, Mustafa Ben Mukallesch, und an diesen reiht sich Mustafa Ben Ismael, mit seinem ganzen Stabe- Wie viele künftige Besucher verheißt uns nicht der Anblick dieser ehr würdigen Personen k Vielleicht wird man bald gcnölhigt seyn, >n den Mauern von Paris Moscheen und Karawanserai's zu er richten — vielleicht ist der Tag nicht fern, wo wir eine Araber- Borstadt haben werden, wie es in Konstantinopel eine Franken- Dorstadt giebi. Bis icyt sind noch alle Orientalen, die Paris aufweisen kann, in jenen engen Theil der Elysäischen Felder zusammcngcdrängt, der sich -wischen der „Allee der Wmwcn" und dem Zugänge Marbocuf ausdehnt. Hier wohnen Ben Mukallesch und Ben Durand und in ihrer Nachbarschaft der alle Mustafa Ben Is mael mit seinen Leuten.I Von allen Afrikanern, die bis auf den heutigen Tag für Frankreich Pariei genommen, ist Mustafa unstreitig der in teressanteste. Nur die EcsichlSzüge dieses merkwürdigen Mannes kann man jenen Patriarchen der heiligen Schrift leihen, jenen Hirien-Konigen und Stammeshäuplern, die, gleich einem Strome, dessen Berl immer geräumiger wird, je weiter er von seiner Quelle sich emserm, nie majestätischer und gefürchteter waren, als am Abend ihres Lebens. So ist auch Mustafa Ben Ismael am Abende des seinigen. Der Tag seiner Geburt ist so weit in die Ferne gerückt, daß Niemand weiß, in welchem Jahre seine Mm,ee ihm in der heiligen Stadl Maskara das Dascyn gegeben. Und was thun auch ein paar Jahre mehr oder weniger zur Sachet Der Araber kümmert sich nicht um haarkleine Berech nungen. Er betrachtet die Civilisation in unserem Sinne als ein Ueberbcin der Gesellschaft, welches nur höchstens dem Christen von Nutze» seyn könne. Der Präsident des KricgerathS, welcher den General Broffard verurcheilte, fragte Mustafa, al« einen der Zeugen, nach sei»cm Aller; er aniworieie: „Ich bin ungefähr sechzig oder siebcnzjg Jahre alt." Man glaubt jedoch allgemein, daß er die Siebcnzjg schon zurückgelcgt haben müsse. Sein Sohn Muhammed, der erst neun Jahre zählen kann, würde diese Annahme sehr zweifelhaft machen, wäre nichl Mustafa einer von jenen eisernen Menschen,- die dem allgemeinen Natur- ') Bekanntlich kam ter Lwtqenannte wegen Le« Brossardsldcn Prvrcffc«, °'r seine persönliche Anwesenheit nöwig machte, nach Frankreichs Bei Lieser Gelegenheit nahm er sich »er, m Lem sande seiner Bundesgenosie« eine Zeit lang zu verweilen gesehe nicht unterworfen sind. Wie dem aber scy, so Hal er erst kürzlich bei mancher Gelegenheit bewiesen, daß sein Arm noch furchibar ist. Als Mustafa da« waffenfähig« Aller erreicht halte, enrollirtc er sich bei dem Maghsen. So hieß ein Corps Eingeborner, das neben der Türkischen Miliz unicr den Befehlen des Bei stand. Wir übergehen diese lange Periode seine» Lebens, in der es eine Menge abenteuerlicher Expeditionen gegen Arabische Stämme gab, welche die Fahne des Aufruhrs gegen den Bei zu erheben oder räuberische Einfälle in sein Gebiet zu lhun wag ten. Wir bemerken nur beiläufig, daß ein Naiional-Gcfühl, wie es bei regelmäßig organisirlen Gesellschaften sich findet, den Arabern fremd ist. Ihr sozialer Instinkt geht nicht so weil. Der Siamm, weichem sie «»gehören, ist ihr Alles; und sie be sitzen in ihrer Sprache kein Won für Vaterland, wenigstens nicht in dem moralischen und abstrakten Sinne, dcy wir Europäer da mit verbinden. Jeder Arabische Stamm betrachtet die übrigen Stämme als Ausländer oder Feinde; und schon die unbedeutendste Kollision der Interessen erzeugt blutige Kämpfe, in denen der Sieger keine Schonung kennt, und welche oft mit gänzlicher Ausrottung des einen Slammes enden würden, wenn nicht beide kriegführenden Theile die Waffen endlich niederlcgcn und an die Bestellung ihrer Felder denken müßten. Man würde sich gar sehr irren, wenn man den barbarischen Gebrauch der Araber, unseren Soldaten, die in ihre Hände fielen, die Köpfe abzuschneiden, dem religiösen Fanatismus Schuld gäbe- Sic verfahren eben so ge gen ihre Religions-Genossen. Als in dem Gefechte an der Sikka die Infanterie des Emir'» durch das kluge Manöver des Ge nerals Dugeaud an den Hohlgrund des Jsser zurückgedrängt war, brachte jeder Duair und jeder Smela einen Femdeekopf als Trophäe mit in» Lager; Einige schleppten sogar bis an drei al-geschnittene Köpfe. Wir haben diese Erklärungen voranschicken müssen, damit der Leser Mustafa « Handlungsweise nicht von Europäischem Standpunkte beuriheile und ihm ein Verbrechen daraus mache, daß er unter den Truppen der Herren der Regentschaft gegen die Seinen gedient Hai. Ei» Europäer, der wider seine Lands leute zu Felde zöge, würde sich mit Schmach bedecken; aber da« brüderliche Band, welches die Provinzen Europäischer Staaten so eng mit einander verknüpft, ist bei den Arabern nicht zu finden. Auch ist die Stellung Mustafa'S von den Meisten der Seinigen als höchst ehrenvoll beneidet worden, und Keiner Hai sie für unrühmlich oder verächtlich erklärt. Obschon er mit den Türken gegen die Araber, ihre geschworenen Feinde, kämpfte, so haben ihm doch seine Tapferkeit und andere großartige Eigenschaften eine entschiedene Autorität bei den Letzteren erworben. Als das Glück die Französischen Waffen begünstigte, bekleidete Mustafa zu Oran das wichtige Amt eines Agha'«. Unsere sieg reichen Erfolge waren das Signal zu einer allgemeinen Empörung in der Provinz Oran. Des Türkischen Joches müde, ergriffen die Stämme ihre Waffen und begrüßten uns als ihre Befreier. Der alte Hassan, welcher das Bcilik verwaltete, cnisagle voll philo sophischen Gleichmuche seinem Amie und zog sich in einen Winkel des Orients zurück, um die ungeheuren Reichchümer, die er erpreßt hatte, gemächlich zu verzehren. General Damrömom nahm Be sitz von Oran und Mers-cl-kabir. Die Türkische Garnison zerstreute sich in der Provinz, und Ben Ismael begab sich zu den Duair'«. Der eben genannte Stamm und die Smela'«, welche an beiden Extremitäten des Scbgha oder Salö wohnen, sind gleich sam die geborncn Bundesgenossen der Gewalthaber von Oran. Mustafa wurde als Häuptling der Duair's ausgerusen, als der Sultan von Marokko den anarchischen Zustand des Beilik Oran benutzen und dieses Land erobern wollte. Sein Feldherr Mulci- Ali rückte an der Spitze eines zahlreichen Reiterheercs in die Gränzcn ein; mehrere Stämme unterwarfen sich ihm; und schon waren zwei Marokkanische Agenten in Meieah und Midianah, zweien Städten des Beilik Tinery, installirt. General Boyer, der kaum Soldaten genug hatte, um sich in Oran zu halten, konnte dem Unwetter nicht die Stirn bieten- Da gab Mustafa Ben Ismael das Signal zum Widerstande- Auf seinen Ruf ka men die Smela's und die Beni-Ammer, der mächtigste Stamm de» Beilik's, und schloffen sich an di« unicr seinem Kommando stehenden Duair'«- Die verbündeten Stämme griffen den Feind an« schlugen ihn und verjagten ihn au« dem Gebiete-