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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22j Sgr. Tdlr.) vierteliädrlich, ! Mir. für da- ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumeriri auf diese- Beiblatt der Lüg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichr-Strasie Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSIande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. ü/W'-136. Berlin, Montag den 12. November 1838. Frankreich. Robespierre'S Sturz Was eigentlich dieMeaclion des Thermidor herbcifühne, war die Spaltung des Konvent« in mehrere Parteien, wodurch eine starke Zahl der wärmsten Patrioten, wie die Girondisten, aufs Schaff»! kamen. Dazu kam noch der wahnsinnige Ehrgeiz Robee- prerre's, der, als er in sich das Idol des Volks sah, zuletzt nach der höchsten Gewalt strebte. Um diese zu erreichen, war, wie er sah, das beste Mittel, dem politischen Blutbad durch eigene Machtvollkommenheit ein Ende zu machen; er suchte also, alles Gehässige desselben auf die beiden Ausschüsse der öffentlichen Wohlfahrt und der allgemeinen Sicherheit zurückzuwälzen, wie wenn diese allein ohne sein Wissen das Revolutions-Tribunal ge«. leitet hätten, während es sich nach seinem Sturz erwiesen hat, daß die Liste der tagtäglich zu opfernden Häupter ihm jeden Abend vorgeiegt und von ihm bestätigt wurde. Nur war von seiner ab scheulichen Oberleitung nichts offenkundig geworden. Robespierre haue sich überzeugt, daß er viel Boden gewinnen würde, wenn er das Geheul der Hinrichtungsplätze zum Schweigen brächte- Daher fing er jetzt an, in allen seinen Reden Moral und Phiiam chropie zu predigen; er wollte jetzt ein größmülhigcr Befreier werden, der da käme, der Welt die Sicherheit wicdcrzugebcn, die Alle verloren hatten. So weit war ihm dieö gelungen, daß er wieder die religiösen Ideen aufs Tapet gebracht. El hatte am 18. Floreal des Jahres II. vom Konvent dckretirc» lassen, daß „das Französische Volk das Dascyn des höchstens Wesens und die Unsterblichkeit der Seele anerkenne, und daß am 20. Prairial zu Ehren dieses höchsten Wesens ein Fest gefeiert werden solle-" Ich war Zeuge dieser Feier, die im Garten der Tuilerieen vor sich ging- Ein großes Orchester war unter dem Pavillon de l'Horloge angebracht, dessen Säle von den Mitgliedern des Kon vents voll waren. Robespierre ließ lange auf sich warten, was seine Kollegen sehr übel nahmen. Endlich erschien er ganz strah lend, mit gepudertem Haar, auf dem Balkon, vom Volk mit dem lebendigsten Enthusiasmus empfangen. Ais diese Beifalls- Musik geendet, begann das Orchester die seinige. Verschiedene zu dieser Ceremome verfaßte Hymnen wurden mit aller Kunst, die ihnen die Talente der ersten Virtuosen geben konnten, ge spielt. Unter diesen Hymnen war eine, die durch den Schwung des Dichter« und da« Genie des Komponisten uns eben so lief ergriff, wie die Marseillaise. Der Anfang lautete so; pere <1e l'vuiver«, «apröme inteNixenee, kieufLiteur ixvore .»vskuxle» mortel», Vu wo stre i» 1» r«koonuai«„o6« Hui »euie ülev» te« Lulei«. Die zweite Strophe schloß: Lt vncaper tu rempii* tou« monki?» Hui ue peuvent te eonteuir. (Lrr) Al« da« Orchester geendigt, war Robeepierre, vom ganzen Konvent begleitet, in den Garicn hmabgcstiegen; er trug eine angezündete Fackel in der Hand und ging auf das erste Bassin w dec Mille zu, auf welchem man ein Amphitheater errichtet Haire, über das eine mil einem Schleier bedeckte Statue hervor« ragte: es war das Bild des Atheismus, in Lebensgröße dargcstellt. Al« er ari der Statue war, legte Robeepierre Feuer an, so daß die Stücke des angezündelen Schleiers, der an den Seiten der Statue lag, sie ganz schwarz machten. Sogleich zog man daraus unglückliche Vorbedeutungen sur den Helden des Festes. Der Konvent indcß, um Robeepierre ein Gefolge bildend, setzte sich in Marsch nach dein Marsfclde, wo andere Feierlich- kciten vor sich gehen sollten. Vorau« ging ein großer, ziemlich Hoher Wagen mi, Fähnlein von Bändern geschmückt und lang sam gezogen von vier kräftigen Ochsen. Auf dem Vordenheil de- Wagen« lagen mehrere frisch geärndlnc Korngarben ausge breitet; .Schmer und Schäferinnen, in Weiß gekleidet, nahmen das Jnsterc ein. Es war eine Huldigung, der Ceres dargcbrachl, deren Kultus verkündigt worden war. Drei Tage darauf, am 2Z. Prairial, hatte der Konvcm, aus *> Nach de» ko eben erlchetaeirde» Memoiren Berryer'« de« Netteren. Furcht, man möchte diese ersten Zeichen der Milde gegen ihn selbst mißbrauchen, sich beeilt, das Revolutions-Tribunal von Paris zu reorganisiren, das jetzt allein die Macht besaß, die Feinde des Volks zu richten, In seinem Dekret hatte er eine Menge Klaffen von denjenigen angegeben, die in diese Kategorie der Volksfeinde zu rechnen scyen, und ein eigener Artikel ent hielt die Bestimmung, „daß nur der National-Konvem, der Aus schuß des öffentlichen Wohls, der der allgemeinen Sicherheit, die Repräsentanten des Volks, als Kommiffaricn des Konvents, und der öffentliche Ankläger vor das Revolutions-Tribunal ziliren dürften." Bourdon de l'Oisc, mil Recht erschrocken über die Leichtig keit, mit der man bis dahin mehrere Haufen seiner Kollegen den Prvscnplionen dieses Tribunals preisgegcbcn, Halle von der Zahl der Verdächtigen, welche die beiden Eomiiü'ö allein vor Gericht ziehen durften, jeden Volks-Repräsentanten ausschlicßcn wollen; auch verlangte er, daß das Anklage-Dekret nur vom Konvent ausgehen dürfe. Hierüber erhob sich in der Versammlung selbst ein großer Lärm. Die Mitglieder der beiden Eomims, die durch Boürdon's Motion versteckter Weise beschuldigt wurden, da« Ver derben ihrer Gegner zu wollen, nannten ihn laut, umer Anfüh rung Coulhon's und Robespierre'S, einen Verleumder. Robcs- pierre, in seiner Erbitterung, sich so entlarvt zu sehen, vergaß sich in dem Grade, daß er Bourdon mit dem Beiwort „Bose wicht" (»eölerst) lraklirle. Und ohne auf Boürdon's Reklamation im Geringsten zu revoziren, behauptete er, der Letztere sey in dem Fall, wo die Comiiös seine Verhaftung veranlassen könnten. Nach dieser stürmischen Sitzung fühlte Bourdon nur zu gut, daß cm Kainpf auf Tod und Leben zwischen ihm und Robcspierre ausgcbrochen sey. Entschlossen, zur Bcschützung seines Hauptes Robcspierre znvvrzukommen, indem er mit eigener Hand diesen Tyrannen und Usurpator vernichtete, der kein Bedenken trug, die National-Repräsentation zu verleumden, um ihre Mitglieder ein zeln seinem maßlosen Ehrgeiz zu opfern, dachte er vor der Aus führung dieses Entschlusses an einige Maßregeln in Betreff seiner eigenen Angelegenheiten. Besonders waren cs eine Frau und mehrere Kinder in zartem Alter, deren Schicksal ihm am Kerzen lag. Mick wählte er zugleich zum Vollstrecker seines 'letzten Willens und zum Beschützer dieser geliebten Wesen nach seinem Tode. Zu diesem Zwecke bestellte er mich auf den Morgen des 2Zsten Prairial in seine Wohnung, unter dem Vorgcben, cs handele sich um nichts als ein Dejeuner. Er bewohnte damals ein kleines Junggesellen-Logis in der Rue des St- Pore«; eine Frau, die in Verzweiflung, daß sie seine Verwendung für ihren Gauen nicht erlangen konnte, ihn eben verließ, bezeichnete mir sein Zimmer. Kaum war ich eingelretcn, als Bourdon ohne weitere Einleitung anfing: „Höre, xg ist lange her, daß wir „ns kennen; ich weiß. Du bist ein gemäßigter Patriot und nicht sehr begeistert für die Republik; aber Du bist ein rechtschaffener Mensch, ein guter Freund, und als solchem glaubte ich mich Dir über meine Pläne und die Maßregeln, die sic nolhwendig machen, anvenrauen zu können. Robeepierre ist mein persönlicher Feind; er Hal mich an gegriffen und mir gedroht vor dem ganzen Konvent; er will mich vernichten, um desto leichter den Konvent zu beherrschen und sich der absoluten Gewalt zu bemächtigen. Ich will seine ehrgeizigen Pläne zu Schanden machen, indem ich ihn selbst mit eigener Hand opfere." Zugleich zog er, als bedürfte es noch dessen, mich von seiner Seelcnkraft zu überzeugen, umer seinem Bett ein längliches Kästchen hervor, worin das Kleid lag, das er bei der Eroberung der Bastille getragen, der Fcderbusch, der ihn in der Vendee als Volksrepräsemamcn geschmückt, und ein Säbel, mit dem er sich immer zu seinen Unternehmungen rüstete. Er vergaß nicht, mir zu zeigen, wie sein Kleid noch von den Bluts tropfen, die er bei der Bastille vergossen, befleckt und sein Feder busch von den Kugeln der Vendöer durchlöchert wäre; der Säbel, den er mehr als einmal in die Brust seiner Feinde getaucht, war die Waffe, womit er bei der ersten Gelegenheit Robespierre durch bohren wollte. Ich zitierte vor Angst, daß die Wand, welche diese schreckli chen Geständnisse zugleich empfing, eine Sylbc davon irgend Je manden mittheiltc. Um mich wieder zu beruhigen, fügte er hinzu, er brauche einen Menschen, der diskret genug sey, um vor und nach der Thai zu schweigen, ireu genug, um sein Testament zu