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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcratlonS- Prei« 22.1 Sgr. (^ Thlr.) vierteljährlich, 3 THIr. für da« gani« Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preujilschcn Monarckie. Magazin für die Man pränumerirt auf Lies«« Beidlatt der Allg. Dr. StaalS- Zeitung in Berlin in der Expedition (FriedrichS-StraS« Rr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 127. Berlin, Montag den 22. Oktober 1838. Süd-Amerika. Paraguay und der Diktator Francia. Zweiter Artikel. Als Herr Robertson, nachdem er ungefähr sechs Monate in Buenos-Ayres verweilt, den Ruckweg nach Assuncion amra«, be gegnete er auf der Reise dem Obersten San Marlin und war Zeuge der Schlacht bei San Lorenzo, die, obwohl man von beiden Seiten mit geringen Streitkräften focht, für Paraguay wichtige Folgen hatte, da sie allen künftigen Versuchen der Spanischen Marine, den Fluß Parana in feindlicher Absicht hinanzuschiffen, wirksam vorbeugte. Bei seiner Ankunft in Assuncion (1813) fand Herr R. die Macht des Negros wankend und Francia's Ge stirn am Horizonte steigend. Der Legiere haue seine Rolle so meisterhaft gespielt, daß man, als die bestehende Regierung ihrem Untergang sich zuneigte, in ihm den einzigen Mann sah, der das Vaterland reuen könnte. Ein Abgeordneter war aus Buenos- Ayrcs gekommen, um, wo möglich, einen Vertrag mit Paraguay zu schließen, und bei dieser Gelegenheit erhielt Francia die ver lorene Gewalt wieder. Er erklärte sogleich seine Nebenbuhler ihrer Acnucr verlustig und verbannte einen von ihnen, Vas po- pulairste Mitglied der Junta. Die allgemeine Furcht vor seinen Maßregeln war so groß, daß Niemand, außer Herrn Robertson, es wagte, mit dem verbannten Minister zu reden. Umerdeß sorgte Francia für die Wahl von Depulinen zum Kongresse und bediente sich dabei der feinsten, genialsten Kunstgriffe, um Jedermann in sein Inleresse zu ziehen. Solch ein buntscheckiger Haufe von Volksvertretern war vielleicht noch nie zusammcngetreten. Herr Robertson giebt uns folgende Schilderung von einem Indianischen Mitglied«: „Der Indianische Alkalde trug einen altmodischen dreieckigen Sluyhul und darunter eine verwitterte Perücke, die weiland von roiher oder brauner Farbe gewesen seyn mochte. Der Hut war über und über mit roihen, blauen und gelben Bändern geschmückt. Die schwarzsammeinen, an den Knieen offenen Hosen/ mit einer langen und dichten Reihe silberner Knöpfe daran, und die kostbar gestickten, darunter hervorguckenden Unterhosen, wahre Manschet ten für die Beine, wurden durch eine roihe Schärpe um die Hüf ten zusammengehalten. Strumpfbänder von derselben Farbe prang ten an seidenen Strümpfen, und große silberne Schuh-Schnallen vollendeten das wunderliche Kostüm." „Sein Pferd war nicht weniger seltsam gemustert. Die Ohren, der Schweif, die Mähne und der Sanel strotzten von Bändern aller Farben, welche offenbar zum Theil wieder gyt machen sollten, was die unbarmherzige Zen an Pferd und Ge schirr verdorben Hane. Auf dieser Mähre, die obendrein zum Lanzen abgerichtet wav, pflegte der Alkalde in der Zeit vor Er öffnung des Kongresses öfter durch die Straßen zu paradiren. Zwei Page» in elendem Aufzuge gingen an beiden Seiten des Pferdes, und Himer demselben schaanen sich, gleichfalls bcrinen, die Freunde und Schützlinge des Alkaldcn, deren Anzug thcils aus geborgtem priesterlichen Schmucke und anderemheils aus Fragmenten ehemaliger Gala-Kleider ihres Patrons zusammen- geflicki seyn mochte." „War der Alkalde mit seiner Eskorte dem Gouvernements- Hause gegenüber angelangt, so setzte er sich in noch steifere Posi tur, als gewöhnlich, sporme das Thier zum Tanze und ließ seine Musiker eine grauliche Kalabassen-Symphonie anstimmen. Dann vollzog e,- den Huldigungs-Akt und zog tanzend wieder ab, wie er gekommen war, jedoch etwas feierlicher und gemessener." Das Ergebniß dieser lächerlichen Zusammenkunft eingeschüch- lener Depuiinen bestand darin, daß man einen von Francia's Kollegen verabschiedete und Francia zum erste» Konsul wählte. Der Botschafter von Buenos-Ayres wurde mit einer parlamen tarischen Negative heimgeschickl und der Kongreß sofort aufgelöst. Francia war jetzt j,» unbestrittenen Besitze der Regierung; allein «r begann sein despotisches System nicht auf einmal: cs ent wickelte sich stufenweise; doch hatten Furcht und Schrecken be reits die ganze Bevölkerung ergriffen. Die Spanier waren die ersten Opfer seiner Tyrannei. Seine politischen Gegner hatten das Gerächt verbreitet, Francia sey den Spaniern weniger abge neigt, als man allgemein vorausscyle, und nun wollte er die Grundlosigkeit dieses Gerüchtes rech, überzeugend darlhun. Er ließ ein Edikt ergehen, kraft dessen kein Spanier innerhalb der Granzen von Paraguay sich verheiralhen durfte, es sey denn mit einer Negerin oder Mulattin. Dieses Mandal, welche« bei Trommelschlag und Pfeifenklang prokiamirl wurde, hatte auf die stolzen Söhne Alt-Spaniens die Wirkung eines Blitzstrahls; denn bis dahin war Amerikanisches Blut so wohlfeil gewesen, daß eine Scsiorita von Assuncion lieber einen Krämer aus Galicien ehelichte als einen Edelmann von Paraguay. Um diese Zeit hatte Herr Robertson viel mit Francia zu ver handeln. Der erste Konsul plauderte vorzüglich gern von mili- lairischcn Dingen und verweilte dann bei den geringsten Kleinig keiten mit wahrhaft kindischer Lust. „Eines Tages", so erzählt der Vcrf., „kam ein Büchsen schmied in Francia's Zimmer und brachte ihm drei oder vier alte Gewehre. Francia nahm die Gewehre eines um das andere, legte an wie zum Schüsse und drückte ab. Als die Steine schöne Funken sprühten, wendete sich der Konsul gegen mich und sprach voll Entzücken: „Was meinen Sie, Robenson? werden meine Kugeln das Herz der Feinde durchbohren?" „Nach dem Büchsenschmicd kam der Schneider und über reichte eine neue Grenadier-Uniform. Der Rekrut, für den die Uniform bestimmt war, mußte hercimrcien und sie anprobiren, was ihm denn mit einiger Mühe gelang. Die lange Taille und die sehr kurzen Schöße dieses miliiairischen Rockes schienen mir gar possierlich; allein Francia bezeugte dem Schneider seine hohe Zufriedenheit und ermahnte den jungen Krieger, sich zu hüten, daß kein Flecken auf den Rock käme. Dann sagte er, mir mit den Augen winkend, auf Französisch: ,-Das ist ein Calembourg, den unsere Leute nicht verstehen." „Zuletzt machten zwei unbehülfliche Mulatten ihre Aufwar tung: Ser Eine trug eine Grenadier-Müge aus Bärenfell, der Andere braunes Lcderzeug und eine Patrontasche. Francia reichte den drei Rekruten ihre neuen Gewehre und sprach dann zu mir: „In diesem Stile, Herr Robertson, soll jeder meiner Gre nadiere eguipirl werden." Seine Grenadier-Compagnie war ihm das liebste Spielwerk; er kleidete und bewaffnete diese Leute eigenhändig mit derselben kindischen Freude, wie ein kleines Mädchen seine Puppen aufpuyi." Bald »ach diesen Begebenheiten kam Herrn Robertson'« jüngerer Bruder nach Assuncion, um sich ebenfalls in Paraguay niederzulaffen. Der ältere Robertson erlangic von Francia mit einiger Noch die Bewilligung, eine Reise nach England zu machen, da der Hafen von Assuncion gegen jede Ausfahrt ver sperr« war. In einer langen Abschieds-Audienz äußerte ihm Francia seinen Wunsch, einen direkten Verkehr mit England zu eröffnen. Die Süd-Amerikanischen Nachbarstaaten, sagte er, seyen voll innerer Zwietracht, und deshalb wolle er nichts mit ihnen zu schaffe» haben; dagegen würde eine diplomatische Ver bindung zwischen England und Paraguay und ei» Austausch der Produkte beider Länder dem Interesse beider sehr förderlich seyn. „Indem der Konsul die« sagte", so erzählt der Verf., „sprang er voll innerer Bewegung vom Stuhle auf und hieß die Schild wache an der Thür, de» wachthabenden Unteroffizier hcrcinrufcn. Al« dieser eimrat, warf ihm der Dokior einen bedeutenden Blick zu und sprach: „Bring das Bewußte!" Der Sergeant entfernte sich und kehrte nach wenigen Minuten, von vier Grenadieren be gleitet, zurück. Die Grenadiere brachten einen großen Ballen Taback, 200 Pfund schwer, einen Ballen Indianischen Thee'« von ähnlicher Dimension, ein halbes John Indianischen Branntwein«, - einen großen Zuckerhut und verschiedene Päcke Cigarren, mü bunten Schnüren umwickelt. Endlich kam noch eine alte Negerin mit schönen Probe« gestickten Zeuge« aus der Baumwolle von Paraguay." „Obschon die ziemlich barbarische Ostentation in der Art, wie da« Geschenk überreicht wurde, mich etwa« in Verwunderung setzte, so zweifelte ich doch nicht, daß die mir zu Füßen gelegten Landes-Produkte ein Abschieds-Geschenk seyn sollte», womit der Konsul mir seine freundschaftliche Gesinnung beurkundete. Man denke sich aber mein Staunen, als Francia, nachdem er die Leute wieder entlassen, in folgender Weise anhob:" „„Se-ior Don Juan Robertson! Sie sehen hier einige Pro ben von den trefflichen Erzeugnissen dieses Landes und von der Betriebsamkeit seiner Bewohner- Ick habe mir angelegen seyn lassen, Ihnen die besten Proben zu liefern, und zwar aus folgen-