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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- PreiS 22) Sgr. (j jdlr.) vierieUährUch, 3 Tl>>r sür da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man vriinumciiri aus diese» Bcidlan der rua. Pr. Llcai«, Zeitung in Berlin in der Ervetuion (Friedrich»-Ttrake Ne. 72); tn der Prooinj so wie im Anstande dei den Wohllöbl. Pess - Aenuern. Literatur des Ausland es. 102. Berlin, Freitag den 2i. August I8U8. Mexiko. Menkanjsche Zustände. Von Michel Chevalier. In ihrem gegemvanigen Zustande bicici die weiße Bevölke rung Mexiko s, emanei, entsittlicht, unwissend, träge, von ohn mächtigem Dünkel besessen, dem Beobachter ein kiägiichcs und widerwärtiges Bild. Zudem sind sie bei weitem die Minderzahl im Lande, eine dünne, spärliche, über die Masse der Urbevöl kerung gelagerte Schicht. Die Indianer haben bei mehr als Einem Anlaß gezeigt, daß ihnen der Gedanke, das Joch der Weißen abzuschuneln und für die vor :um Jahren an ihren Vätern verübte blutige Unterdrückung Rache zu nehmen, nicht so frcind ist. Danach zu urcheilcn, so ließe sich die Austreibung der Weißen aus Mexiko und ein neues Haiti, ein Haiti der rochen Männer auf dem schonen Hochlande von Anahuac prophezeien. Dem ist jedoch nicht so. Man schätze den Kreole» in Mexiko und seine Zukunft nicht lediglich nach den ungünstigen Anzeichen der Ge genwart. Ls schlummern große Vorzüge und Äräfie in diesem Volke; sie warten auf ihre Zeit, um wach und rege zu werden. Sie haben in dem Kampfe für ihre Unabhängigkeit viel Intelli genz und Charakter, große Tha'ugkctt und Sinn für gesetzliche und politische Ordnung an den Tag gelegt. Von Much rede ich erst gar nicht, der fehlt dem Spanischen Bluic nirgends. Da gab cs Kämpfer, vom schönsten und reinsten Hcldenmuih beseelt, und während der geborene Spanier, im Bürgerkriege aller Mensch lichkeit entfremdet, ein blutdürstiger Würger und Peiniger er scheint, haben die Kreolen häufig Großmuch gezeigt, pch des wehrlosen Feindes erbarmt und cs verschmäht, Repressalien zu üben, selbst wenn das Blut ihrer nächsten Verwandten »in Rache schrie. Zu den edelsten Gestalten der Geschichte aller Zeilen und Völ ker gehört jener Pfarrer Morelos, welcher an die Spitze der Insur- remon trat, nachdem ihr erstes Haupt, der Pfarrer Hidalgo, aus gezeichnet durch hohe Fähigkeiten, allein durch wilde und tückische Mordlust geschändet, den Spanier» in die Hände gefallen und erschossen worden war. Morelos' Lebenslauf uud Tod waren eines frommen Helden würdig. Sein Wesen war, trotz Kutte und Tonsur, echt ritterlich, voll Muth und Sceleuadel; ein glück licher politischer Verstand, die Eigenschaften eines Heerführers und die Einsichten eines Regenten und SiaatSvcrwallcrö, und dabei die milden Tugenden eines evangelischen Hirte», — dieses Alles vereinigte sich in Morelos. Ihm war von Hidalgo der Auftrag geworden, die Insurreciion in der westlichen Äüstenland- schafl am Stillen Oeean in Gang zu bringen- Dort ist die Hauptstadt, die das Land weit nach innen beherrscht, das stark- befestigte Acapulco- ,,EH' ein Jahr vergeht, bin ich Meister von Acapulco!" Mil diesem Versprechen schied Morelos und machte sich mit fünf Knechten aus dem Presbyterium auf den Weg; an Wassen führten sie sechs elende Hinnen und ein paar alte plumpe Lanzen, Erbstücke aus der Zeit der Spanischen Eroberung, mit sich. Nach drei Monaten haue Morelos mit aller Noch und Mühe lOOv Mann zusammengerafft, zumeist Sklaven aus den Zucker- pflanzungcn und Zuckcrküchcn, ohne Gewehr, ohne Pulver- Mil diesem Hausen sühne er einen verwegenen nächtlichen Ucbcrfall auf eine Spanische Division au«, schlug und zersprengte sic voll ständig, erbeutete Waffen in großer Zahl, fünf Kanonen, eine Kaffe und bekam 7W Mann gefangen- Hidalgo ließ alle „Fremd- lmge'-, d. i. Europäer, die ihm in die Hände sielen, gleich viel, ob vom Civil oder vom Mlitair, ob Offiziere oder Gemeine, mcderschießen; die Royalisten zahlten mi, gleichem Maße. More- iaS gab zuerst das Beispiel der Menschlichkeit; er reueie seinen Gefangenen das Leben, behandelte sic schonend und anstandsvoll und wußte die Tapferkeit auch in den Besiegten zu ehren. Von Sieg zu Eueg rück,c er bis vor die Thore der Hauptstadt. Mit einer Armee von Schwarz- Rochhämcn, von Leibeigenen, Sklaven und Knechten, von Mulatten und Mestizen, mit einem Offizier-Corps und Gcncralstab von Pfarrern, Advokaten und RanchcroS (kleine Landbesitzer, von rein weißer oder doch wenig gemischter Rase) schlug und vernichtete er Spanische Kcrmrup- pen, die den Krieg daheim im Kampfe gegen Napoleon und die Französischen Hecrcsmasscn erlern» hatten; erschlug, am >8-Okto ber 1813, das Asturische Regiment, das sich mit der Glorie von Baylen brüstete und mit aller Extravaganz des Spanischen Stolzes sich den Titel „die unbesiegbare» Besieger der Sieger von Austerlitz" beilegte. Morelos wußte Siege nicht allein zu erfechten, sondern auch zu benutzen. Er hielt unter seinen Leuten die strengste Mannszucht aufrecht; er.berief, orgamsnic und in- stallirte emeii National-Kongreß, der sofort mii ausdauerndem, auch unter Widerwärtigkeiten zuversichtlichem Eifer an das Ge schäft ging, die Grundzügc einer Constitution zu entwerfen. Das Waffcnglück verließ Morelos' Fahnen. Der Kreole Imrbide, als Mitglied einer geadelten Familie mi: den Meisten "seiner Sian- drsgcnosscn der Herrschaft des M-t'-erlandco anhängig, cuochc zwei Siege Himer einander bei Valladolid uud Püruaran. Mo relos büßte seine liebsten Freunde, seine treuesten Offiziere ein. Der Pfarrer Matamoros wurde bei Puruaran gefangen und bin- gerichicl; gleiches Geschick traf den Don Miguel Bravo; Galcano fiel im Gefecht- Der Kongreß wmdc aus seiner letzten Zuflucht sstätte zu CHUpanzingo verjagt und mußte seine Versammlungen in den Wäldern halten, von Morelos mit einem unverzagten Häuflein bewacht- Am IS. November I81L überfall» ihn cm Spanisches Corps; er emsendci seine Leute, dem Kongreß zur Eskorte zu dienen, und stellt sich fechtend in die Nachhun „Mag cs", ries cr, „meine letzte Stunde scyn! Was gilt mein Leben gegen die Rettung des Kongrcsscsk Mein Werk ist vollbracht seit dein Tage, da eine linabhamgigc Regierung dieses Landes einge setzt ist." Nur St» Mann waren um ihn geblieben, und auch von dieser Zahl entflohen die Meisten, als lie Spanier angrjffem Morelos hielt Stand bis auf den legten Mann, im dichteste» Kugelregen; wie durch ein Wunder geschah cs, daß von allen Schüssen keiner auch nur seine Haut streifte. Er wurde gefan gen, zum Tode verurthcili, auf dein Richtplage der geistliche» Weihen und Gewänder entkleidet und erschossen (22. Dezember I8l»j. Der mit der Execuiio» beauftragte Spanische Komman dant, Concha, begegnete dem Verunheilicn bis ans Ende mit der cdelmüthigsten Theilnahmc und mi, einer Hochachtung, die an Verehrung gränzle. Heiter und fest, mit seinem gewohnten ruhigen Anstand, betrat Morelos die Todcsstätie und kniete nie der; „Herr, hab' ich in Deinen Augen Recht gechan, so dank' ich Dir; »Hal ich Unrecht, so cinpfchl' ich meine Seele Deiner unendlichen Barmherzigkeit." Wer den Spanischen Charakter kennt, wird mich begreifen, »vcnn ich keine Handlung der Großmulh, der Selbstbezwmgnng, der Verzichinng auf Rache, so viele deren die Geschickte bench- »et, über folgende» Zug aus dem Leben des Don Nicolas Bravo setze. Sein Vater, Do» Leonardo Bravo, saß in Mexiko gefan gen und ward zum Tode veruriheilt. Nun bekam Don Nicolas zu Palmar ZOO Weiße in seine Gewalt- „Ich übcrlassc sie Dir", sagte Morelos, „damit Du ein Pfand für die Rettung Deines Vaters in Händen hast." Sogleich schrieb Bravo an den Vice könig Venegas und erbot sich) die gegen seinen Vater aus» zuwechseln. Stal» aller Aniwor» schickte der Diceko-üg den Don Leonardo aufs Schaffe». Auf kiese Kunde säumte Don Nicolas keinen Augenblick und schenkte allen dreihundert Gefangenen die Freiheit. „Ich muß eilen", sagte cr, „mir selbst den Weg zu blutiger Vergeltung zu verschließen. Wer weiß, ob nicht morgen, nicht in der nächsten Stundc der Schmerz um meine» gemorde te» Vaier, das Verlange» nach Rache mich übermann«, ob cs mich »ich» »reibt, sein Blut von den Brüder» seiner Henker zu- rückzufordcrm" Das ist mehr als cdclmüihig, mehr als mensch lich, das ist wahrhaft übermenschlich für Einen, der au-Spa nischem Blute cmsproffc» ist. Ein wahrer Typus jener Alt-Spanische» Charaktere, icncr Krieger voll begeisterter Kühnheit und zähc» standhaften Muches, deren Reihe von de» Zeiten des alten Pelayo bi- zu der Glorie der Entdecker und Eroberer unter dein kacholgckcn Ferdinand und Karl V. hinabreickt — ein solcher begegnet uns in dem Ge neral Guadalupe Victoria. Nach Morelos' Tode^gericchen die Insurgenten in Zwist und Pariciimg. Der General u.er.rn löste den Kongreß auf; cs gab keine Cemralgcwalt, keine cb.rsie Leitung mehr. Jede»' General nahm eine Provinz für nch in Beschlag. Guerrero, der nackmalige Präsiden», welcher in unsere» Tagen der schmählichste» Tücke und Hinterlist zum Opfer gefalle» ist'), >),Er gerietb im November »sau durch Vcrratk den Tnwven uineS Gegners Vuüamcntc in die Hande uns wurde an» »7. Februar xsu» ju üaraca »schossen.