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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«. Prei« 224 Sgr. sj THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie. a g a z i n für die Man pränumeriri aus diese» Beiblatt der Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichi-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 100. Berlin, Montag den 20. August 1838. England. Mac-Gregor, ein Schottischer Schauspieler. Die Vereinigung Schottlands mit England ist für die Nach» kommen Fmgal's und Ojsian's der sicherste Grundstein geworden, auf dem die Hochländer das Gebäude ihrer Bildung und eines immer wachsenden Wohlstandes aufgcführl haben; alle Vorlhcilc, welche die Kultur des Siegers mit sich führt, wanderten in Schott land ein. Um so mehr muffen wir das unglückliche Irland, „das grüne Erin", bedauern, welches die Englische Regierung so stief mütterlich behandelt, und uns wundern, daß sie nicht durch die Erfolge, die ihre Großherzigkeit in dem protestantischen Schwcstcr- landc hervorgerufen hat, über das dritte der vereinigten Reiche eines Besseren sich Hai belehren lassen. Es ivar in Folge jener segensreichen Gemeinschaft zwischen Angeln und Scotcn, daß wührend der zweiten Halste des vorigen Jahrhunderis nicht bloß dem alten Edinburg zur Seile die herr liche Neustadt allmälig emporstieg, welche sich heute an Schön heit mit den ersten Residenzen Europa's mißt, sondern auch die übrigen Städte Schottlands an diesem Aufschwung Theil nahmen, und vor allen Glasgow, die freundliche, im Thale des Elyde er baute Stadl, die durch ihr Gedeihen Manufakturen und Fabriken Hinlockle oder ins Leben rief und damit ein schnelleres Wachschum der in Arbeit erstarkenden Bevölkerung. Schon verließen die Bergbewohner ihre Clans und stiegen in die Ebenen hinab, um ihren Landsleuten, die an allen Bequemlichkeiten des Lebens Ucbcrstuß hatten, sich anzuschlieken, froh, ihr ärmliches Dascyn nicht mehr durch Plünderung der sauer bestellten Aerndlen des Landmannes oder der Alpcnhecrden des Hochlandes fristen zu dürfen. Nur hier und da gab es noch einige ungebändigle Krieger-Seelen,'die mit stolzer Eifersucht über die Prärogative ihres Raubsystems wachten und den Krämern ihre Feigheit vor warfen, wie Waller Scoll'e Rob-Roy seinem Vetter Jarvie; dessenungeachtet verminderte sich in den Hochlanden von Jahr zu Jahr die Bevölkerung, die ihre kahlen Bergrücken verließ und in die Ebene Hinabstieg, wo der Wohlstand immer liefere Wurzeln faßle- In kurzem war Glasgow nicht zum Wicdcrerkcnnen: die hölzernen Häuser waren verschwunden, die Straßen hatten ihre Kurven verloren und sich zu Sehnen rcklisizirt, bescheidene Denk mäler stiegen empor als Zeichen des gehobenen Geschmacks, und Englische Kunstfertigkeiten erhielten das Bürgerrecht in der Stadt. Schon gab es ein Theater in Glasgow, auf welchem Stücke von Shakspcare zur Aufführung kamen, in einer Gestalt freilich, die Vieles zu wünschen übrig ließ und das Zwerchfell eines Londoner Dandy zu erschüttern berechnet war. Man bedenke nur, daß drei Viertel der Bewohner von Glasgow noch Schottisch sprachen und die Mehrzahl der Schauspieler früher Pibrocs-Helden und Bal laden-Sänger waren, ja ein oder zwei Gipsies oder Zigeuner unter ihren Mitgliedern hatten, welche den Genius Shakspcare's mit dem Flitterstaat ihrer Sprachmengerei von Jtaliänisch, Ara bisch und Englisch auf das possierlichste verbrämten. So stand die Schauspielkunst daselbst noch in ihrer Kindheit, während in England bereits Garrick sie auf die Sonnenhöhe ihrer Ausbil dung gebracht hatte. Dennoch fand sich in einer solchen Truppe ein Schauspieler, um den selbst London sie beneide, hätte, wenn es seine Ohren gegen den Schottischen Accent hätte geduldig machen können — ein junger Mann von 24 Jahren, groß, wohl gebaut, von männlicher und anmuthiger Gestalt, dessen ganze Haltung bei aller Würde und Majestät eine dein Bergbewoh ner eigemhümliche Gelenkigkeit »erriech. Mac-Gregor war sein Name, und man erzählte so manchen Zug aus seiner Jugend, ver bezeugte, daß in diesem schönen Körper auch eine schöne und muchige Seele ihren Wohnsitz habe. Uebcrhaupt belehrte der Anblick des ganzen Mannes, daß er nicht auf seinem rechten Platze war und zu jenen Erscheinungen gehörte, die entweder zu spät oder zu früh m die Welt kommen; denn hundert Jahre früher würde er sich in den blutigen Fehden der Hochländer aus gezeichnet, fünfzig Jahre später die Kunst an dieser kräftigen Natur von der Wiege an gearbeitet und aus ihr ein Meisterstück gemacht haben, ein Genie im Felde, in Wissenschaft oder Kunst. Mac-Gregor, das poetische und musikalische Talent, fühlte sich durch Glasgow'« Geselligkeit und Bildung angezogen, und da er keine Neigung für die nüchternen Geschäfte des Kaufmanns- Standes verspürte, entschied er sich für'« Theater- Die Natur Hane ihn zu einem jener Schauspieler gemacht, welche die Zuschauer von der verschiedensten Erregbarkeit und Theilnahme zu fesseln und chinzureißen verstehen; man hätte auf den Wahn kommen mögen, daß er ein elektrisches Fluidum in sich trug, vermittelst dessen er sich mit seinen Hörern in einen magnetischen Rapport setzte; von dem Augenblick an, wo er die Scene betrat, sah und Höne man nichts als ihn; ihm allein gal ten alle Bravo'«, galt jene Sympathie, welche den Handelnden und Zuschauenden in Eins verschmilzt und in die Leidenschaft des Stückes hinreißt. Daher kam es denn auch, daß das Haus voll war, so oft der Name Mac-Gregor auf dem Zettel stand. Diese Beliebtheit verdankte er einzig seinem Talent, keineswegcs aber seinen geselligen Tugenden; denn er mied den Umgang der jungen Leute seines Alters und selbst der Familien, die es sich zur Ehre würden angerechncr haben, ihn aufzunehmen. War es Neigung oder Künstler-Schlauheit, die das Horazische: mssor « lonxingu» reverentia adoplirl, genug, je mehr er nach einer offenen, edlen Vertraulichkeit in seinen Rollen strebte, eine desto größere Zurück gezogenheil beobachtete er in seinem Privatleben und suchte er alle Zeugen von demselben zu entfernen. Oft, wenn er, seinen Träu men nachhängend, beim Einlenken in eine andere Straße auf einen achtbaren Bürger stieß, daß ihre Nasen sich berührten und das Ausweichen fast unmöglich schien, bedeckte er sich schnell mit seinem Tartan und suchte mit langen Schritten, als wenn der Verfolger ihm auf dem Fuße wäre, die engen, volkreichen Straßen der Altstadt, um sich unter den Haufen zu verlieren oder in seine Wohnung zurückzuziehcn, die bescheiden und verborgen in der sie umgebenden Reihe von Häusern lag. Vor Allem stand er bei den Frauen in Gunst und 'war darin fast sprüchwörtlich geworden; er spielte die Liebhaber-Rollen, die stets die dankbarsten sind, selbst wenn der Erfolg des ganzen Stückes auf dem Spiele steht; die kräftige, wohlgebaute Gestalt des jungen Mannes, der volle Klang seiner Stimme, das Fever seiner Augen mußten ihm allenthalben den Sieg sichern, wo er es auf Eroberung angelegt Hane, und wollte man einen recht glücklichen Liebhaber bezeichnen, so sagte man: dem gelingt's wie'Mac-Gregor. — Die Rolle, in welcher Mac-Gregor das meiste Furore machte, verlangte die Vereinigung dreier Eigenschaften, die sich selten in gleichem Grade in Einer Person treffen, Jugend, Anmulh und Schöns heil, die de« Romeo. Er war dafür wie geschaffen; in seinem schwarzen mit Schmelz auSgelegien Gewände, seiner blühenden Gestalt, dem fcingespitzlen, fast sarkastisch lächelnden Munde er schien der kecke Sohn der Berge seinen Landsleuten als der leib haftige Buhle, der Rosalinden verlassen hat, um sich der schönen Julia, der Feindin seines Hauses, zu weihen. Jetzt erst verstan den sie die Schilderungen des Dichters und sahen keine Hyperbel mehr darin, daß es nur eines Blickes, eines Händedruckes auf dem Balle bedurft habe, um Julien zu gewinnen, und wenn die Jungfrau das Geständniß ihrer Liebe ablegte mit den Worten: OK, xveevt ltoineo! hörte man ein schmachtendes Flüstern durch die Logen, als wollten die Damen von Glasgow in da» Geständniß Juliens einstimmen. In dieser Welt des Scheins fehlt es nicht an Täuschungen, und eine allgemein für wahr angenommene Meinung erweist sich oft als irnhümlich- Auch Mac-Gregor wqr nicht glücklich, wofür ihn doch ganz Glasgow hielt, und zwar durch einen Um stand, an dessen Möglichkeit man sogar gezweifelt hätte; er liebte — ohne wieder geliebt zu werden. In dem Hause, welches an das seinige stieß, lebte ein junges Mädchen, ebenfalls Hochlände rin wie Mac-Gregor, aus einem Clan, der mit dem seinigen einst in Feindschaft gelebt hatte, von mittelmäßiger Schönheit, wie erzählt wird, aber verständigen und sicheren Geistes. Von dem Augenblicke an, daß Mac-Gregor Liebe zu ihr gefaßt haue, beschäftigte ihn seine Neigung ausschließlich- Er machte sich viel bei ihrem Vater zu lhun, erwirkte sich, da beider Grundstücke unmittelbar an einander stießen, von diesem die Erlaubniß aus, eine Thür nach dessen Garten durchbrechen zu dürfen, um, ohne belauscht oder mit seiner Neigung verrathen zu werden, seine Geliebte täglich sehen zu können. Gern vergaß der Vater den alten Familienhaß, fand auch in dem Gewerbe Mac-Gregor'« nicht allein nichts Ehrloses, sondern sogar etwas Rühmliches, und gab um so lieber seine Einwilligung in die Verbindung mit