Volltext Seite (XML)
Wöchentlich «rschrinen drei Nummern. Prinumeranoni- Prti« 22! Sgr. (; Tblr.) viertellöhrlich, 3 Thlr. für Lai ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man kränumerirt aus diese- Beiblatt der Allg. Pr. Staat« Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrich«.Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Posl-Aemtern. Literatur des Auslandes. 90. Berlin, Freitag den 27. Juli 1838. England. Oeffentliche Belustigungen in England. Die öffentlichen Belustigungen sind immer der Ausdruck des Zeitgeistes und der bestimmten Bildungsstufe eine- Volkes ge wesen. Die Olympischen Spiele der Griechen, die Gladiatoren- Kämpfe der Römer, die Turniere des Mittelalters deuten auf kriegerische Völker, die im Rausche der Eroberung befangen waren. Die fröhlichen Spiele, die Tanze und Feste Italiens und Frankreichs sind bezeichnend für den leichtfertigen Charakter dieser runder, für die Eleganz ihrer Sitten und für ihre Liebe zu den Künsten. Die Volksbelustigungen sind roh oder harmlos, einfach oder übermäßig verfeinert, je nachdem die Völker einen höheren oder geringeren Grad der Bildung erlangt haben. Wer würde den John Bull, der vor zwanzig Jahren auf seine Derbheit, seine Stiefeletten, seine kurzen Beinkleider und seinen Ueberrock mit langen Schößen noch so stolz war, jeyi in einem modernen Anzuge und mit seinem feinen Benehmen wiedererkennen? Von diesem Einflüsse, der eine so außerordentliche Umwandlung zu Stande gebracht hat, haben sich auch die öffentlichen Belustigun gen nicht frei erhalten können. Ehemals bilderen gemeine Ausschweifungen den Schluß jeder Gesellschaft, jede» Gastmahl», jedes Balles. Wie anders ist da« jetzt? Wer kennt nicht Almack? Dort herrscht ein weibliches Eonseil als unumschränkter Herrscher, vor dem sich Alle» beugt und dessen Aussprüchen sich Jeder unterwirft, gegen seine Be schlüsse findet keine Appellation statt. Er wägt m seiner Waage die Stammbäume derjenigen, welche sich zu seinen glänzenden Versammlungen drängen; er entscheidet, ob sich die Thüren des Heiligihums den Bewerbern eröffnen sollen, und mögen diese Entscheidungen auch noch so willkürlich und ungerecht seyn, so haben sie doch schon aus manchem Äuge bittere Thronen hervvr- gelockt. In diesen Gesellschaften ist aber auch die Pracht mit dem guten Geschmack, die Anmuch mit der Würde, das Ver gnügen mit der Eleganz verschwistert; sie sind der Sammelplatz, auf welchem sich die Repräsentanten aller Völker und die liebens würdigsten Frauen zusammensinden. Die Französischen Moden haben hier eine unbestrittene Herrschaft erlangt; die Tüll- und Florkleider sind mit Besätzen von Veilchen und Maßliebchen ge schmückt, aber man sieht auch Diamanten und Perlenschnure glanzen. Veränderungen und Abwechselungen find freilich auch hier an der Tagesordnung. In diesem Jahre z. B- halte das diplomatische Corps, welches sonst gewöhnlich die besten Tänzer stellte, nur wenige Attaches und Legation«-Secreiaire aufzuwett scni die Gesandten selbst spielen gewöhnlich eine traurige Rolle; einige sind Witwer, andere schon über die Fünfzig hinaus und noch Junggesellen; solche Wechselfälle treten indeß nur selten ein; Almack schreitet mit der Zeit fort und giebl seinen Herrscherstab nicht aus den Händen. In den bürgerlichen Gesellschaften erscheinen das Roast-Bcef und der Pudding, diese beiden volkschümlichen und klassischen Gerichte der Engländer, nur noch im Gefolge von Erzeugnissen der fremdländischen Gastronomie. Die Schildkröten-Suppe ge nießen nicht mehr ausschließlich die Aldermen; man kann dies unschuldige Thier jetzt bei allen Eßwaaren-Verkäufern mit der feierlichen Inschrift: Tomorrow-Suppe, ausgestellt sehen. In Folge des glückseligen Einflusses, den unsere immer häufiger werdenden Beziehungen zu fremden Nationen auf uns ausüben, kommen wir allmälig von den barbarischen Belustigungen zurück; Ä sich unsere Vorfahren so lange ergötzten. Die Zahl der Mellich, Thormon und Barclay ist nur noch sehr klein, wenn auch das Boxen noch nicht ganz außer Gebrauch gekommen ist und dasselbe unter den Klassen, bei denen sich der Einfluß der Bildung weniger geltend gemacht hat, noch in vollem Ansehen steht. Ader wie groß ist i„ dieser Beziehung der Unterschied zwischen legt und vor zwanzig Jahren? Damals blühte John Broughton, welcher der Vaier des Englischen Boxens benannt wurde, und >o viele andere edle Faustkampfs-Helden, von denen wir nur den wegen seiner Häßlichkeit und seines Liebesglücks be rühmten Buihorre und Eribb, den Kämpen Englands, erwähnen wollen. Diesen hatte einst nach einer wilden Orgie der Schlag gerührt; als aber plötzlich das Zeichen zu den Kämpfen ertönte, aus denen er so oft als Sieger hervorgegangen war, kam er wieder zum Bewußiseyn. Jeyt kommt das Boren immer mehr herab, oder es zieht in die Fremde; auch die sonst üblichen Re geln werden jetzt weniger streng beobachtet, und diese Kämpfe haben fast ihre ganze frühere Beliebtheit verloren, seitdem sie einen unedleren Charakter angenommen haben. Sollte man cs glauben, daß bei einer solchen gymnastischen Ucbung, die kürzlich in Manchester stattfand, die beiden Kämpfer Schuhe mit eisernen Spitzen trugen, und daß die Sohlen derselben mit Nägeln be schlagen waren? Nach einem Kampfe von achtundzwanzig Mi nuten wurde einer derselben sterbend wcggetragen. Solche Ver letzungen der Box-Gesetze müssen diesen schon so vielfach ange griffenen Uebungen den letzten Stoß geben. Wir sind bei unseren Ergötzlichkeiten anständig und ernst; unsere Vorfahren waren derb und fröhlich. Der Unternehmungs geist, die Speculationswuth sind in alle Volkeklaffen gedrungen; man nimmt an nichts Theil, wenn man nicht einen reellen Nuyen vor Augen Hal. Alles ist jeyt Gegenstand der Berechnung ge worden. Der sorglose und fröhliche Sinn unserer Vorfahren ist verschwunden, und wir kranken an einem schleichenden Fieber, das uns mürrisch und langweilig macht, wenn wir uns nicht gerade in einem Paroxismu» befinden. Das xteeple ehs--«. das Pigeon skooting, das cricßel, die Wettrennen und Wettläufe, alle Arien des turk, da» coursing, das csnine ksnc^, die Hahnen- kämpfe u. s. w. sind nur erfunden worden, um der Leidenschaft des Spiele» Nahrung zu geben. Man sucht keine Zerstreuungen mehr, sondern man will Geschäfte machen und Geld erwerben. Wie viele Mühe giebt man sich nicht, um des Sieges sicher zu seyn? Der Jockey darf nur vier Fuß groß seyn; noihwendige Bedingungen sind außerdem, daß er mager sey und daß er dürre und gebogene Schenkel habe; wenn er einige Pfund mehr wiegt, als das vorschriftsmäßige Gewicht beträgt, so wird er zurückge wiesen, oder er muß sich entschließen, zu fasten. Auf einen Hahn weitet Niemand, wenn seine Kopffedern nicht zerzaust find, und wenn er den kleinsten weißen Fleck hat; den Kopf muß er hoch tragen, der Kamm geschwollen seyn und gerade aufsteigen; ferner fordert man noch von ihm kühnen Blick, stolzen Gang, tönende Stimme, gebogenen Schnabel, starke blurrothe Füße und stattliche Sporen, wenn er das geringste Vertrauen einstößen soll. Welche» Vergnügen mag es wohl gewähren, zu sehen, wie die Hunde einen Dachs erwürgen oder Ratten ausweiden? Der Hauptreiz befiehl auch hier nur in den Wetten, die dadurch veranlaßt wer den. So kannte ich einen reichen Lord, der vierzehn Tage hin- durch jede Ratte, die man ihm zum Verkauf brachte, mit einem Shilling bezahlte. Das coursing wird, ungeachtet seiner Alier- thumlichkeit, auch zu Wetten benutzt. Dasselbe stammt aus einer viel älteren Zeit, als die der Elisabeth; aber unter der Regierung dieser großen Königin wurden Gesetze erlassen, welche dasselbe bestimmten Regeln und Gebräuchen unterwarfen. Auf einen Hasen durften nur zwei Hunde loegelaffen werde»; derselbe mußie zwei- hundenundvierzig Yards voraus seyn, ehe die Hunde losgclaffen wurden, und nur derjenige Hund, der den Hasen unbeschädigt zuruckbrachie, gewann seinem Herrn den Preis. Der legrere Gebrauch ist noch jeyt in Kraft. Der große Gesetzgeber für alle ausschweifende Vergnügungen ist „liell's t.iks in lwnäon". welches alle streitige Punkte entschei det, die Namen der Sieger verkündet und Lob und Tadel zu erkennt. Als Proben dieser Orakelsprüche mögen folgende Bei spiele dienen: ,,A- und B- haben um acht Glcher Grog gespielt, die sie gemeinschaftlich vertrinken wollen; während der Partie kommt eine dritte Person, C-, hinzu, die mitlrinkt, wodurch der Antheil eines jeden Spielers verringert werden würde, wenn nicht der Verlierende, B-, den ganzen Antheil für sich forderte, den er ohne E's Dazwischenkunft erhallen hätte. Sind seine Ansprüche begründet? Soll er sich diese Verringerung gefallen lassen, oder soll C. auf Kosten des Gewinnenden trinken? C. soll auf Kosten des Gewinnenden trinken, lautet der Ausspruch de» Orakels. B- hat verloren und muß seinen Antheil unvermindert erhalten; da er schon acht Gläser bezahlen muß, so wäre es un billig, wenn er durch die Theilung mit C. noch einen neuen Ver lust erleiden sollte." — Wir wollen noch ein Beispiel anführen: „Ä. und B- haben um zwanzig Maß Bier gespielt; der Ver lierende, B-, will nur zwanzig Krüge, von denen jeder das Vier tel einer Pinie faßt, bezahlen, weil über das Maß vorher nicht»