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WSchkntlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Pre!« 22j Sgr. THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaaiS- Zeitung in Berlin in dec Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so «vle im Auslände bei den Wohllöbl. Posl-Aemtcru. Literatur des Auslandes. 79. England. Zur Geschichte der Englischen Karrikaturen. Im Französischen giebt es ein eigemhämliches Wo« zur Be zeichnung des linkischen Wesens und der Unbeholfenheil, welche vem Spießbürger anklebi; dasselbe heißt malorr», und wir wollen wenig danach fragen, ob es von mal« m-nrtujus oder von m»Io -ttruettu, oder gar von mul e.-itru, was im Languedoischen Dialekte so viel wie mal upri« bedeutet, abgeleitet ist; aller Wahrscheinlichkeit nach aber kommt cs von male »etux. Lasten wir nun auch die Ely- mologieen dieses Wortes ganz auf sich beruhen, so ist doch gewiß, daß die Normandie in der Mine des I7ten Jahrhunderts eine Fa milie von Sonderlingen besaß, welche Maloirio hieß. Eines der ehrenwenhen Mitglieder derselben trug sechs Paar Strümpfe, sechs Paar Beinkleider und sechs Kutten- Als derselbe eines Tages die Messe las, glaubte er auf dem Gesichte seines Gutsherrn ein leises, l/öhnisches Lächeln zu bemerken; dies bestimmte ihn, Herrn von Laffon eitlen Prozeß an den Hals zu werfen. Der Verklagte rächte sich durch eine zum Sprechen ähnliche Karrikaiur, weiche den Richtern zum nicht geringen Vergnügen gereichte, sie konnten sogar nicht umhin, zu gestehen, daß 'es schwer halten müsse, beim Anblick eines solchen Menschen nicht zu lachen. Herr von Laffon wurde frcigcsprochem Seine Entschuldigung können sich alle Karrikaturen-Zeichner zueigncn. Wie sollte man nicht spotten, wenn uns so viele ver spottbare Dinge begegnen? Ist das Lachen nicht ein eigemhüm- licher Vorzug des Menschen? die Thiere weinen; kein einziges lacht. Das Lächeln, weiches uns das Häßliche und Gemeine ent lockt, ist eine Huldigung, die wir dem Schönen und Edlen dar bringen. Der Tempel der Karrikaiur gränzt unmittelbar an den des Ruhms, und es giebt keinen großen Mann, der nicht die Apotheose des Lächerlichen erduldet hat. Der Spott läuft im Gefolge des Ruhms einher, und das Erhabene schlägt in das Komische nm. Gönnen wir dem Helden die Freude des Triumphs, aber er mag auch nicht finster darein schauen, wenn zuweilen spöttische Verse durch die Gesänge, welche seinen Ruhm verkün, den, hindurchtönen. — Wenn jede Erscheinung zwei Seiten Hai, nach denen sie aufgefaßt werden kann, so kehr, der Äarrikaluren- Zeichner nur die eine hervor, und deshalb ist er weniger ein strenger Richter als ein Lustigmacher; er will weniger eine Eensur ausüben, als zum Lachen anregen. Ihm ist Alles erlaubt, weil Alles, was er thut, keine ernste Bedeutung hat. Man kann zwan zig Jahre den Gcißelhieben der Satire und den Verzerrungen der Karrikaiur ausgesetzt scyn, ohne das Geringste von seinem Ruhme einzubüßen. So ist Gillray, der Fürst der Englischen Karrikatu- ren-Zeichner, jetzt gänzlich vergessen, während Napoleon, der von Hm so vielfach Angegriffene und Verspottete, noch eben so be rühmt ist, wie er cs nur je war. Sobald man die Schwelle des Tempels der Mode oder des Ruhmes überschritten hat, befindet man sich auch im Innern unseres grotesken Museums, in welchem der Volkswitz, der gegen alles Glänzende und Ungewöhnliche wüthet, Hohepricsterstelle vertritt- Der Karrikalurist nimmt die Vorunheile des Volks auf und schmeichelt ihnen; so liefert er einen Kommentar zur Ge schichte, mildert deren Ernst und dient den immer ungerechten Leidenschaften, auf deren Stimme die Nachwelt nicht achtel. Wenn uns ein günstiger Zufall eine Karrikaiur Cicero's, Eäsar's oder eincs anderen berühmten Römers in Herculanum finden ließe, so würden wir erfahren, welche Lächerlichkeiten diese großen Männer hallen; wir würden uns in die Römerzcil zurückversetzen und uns ein anschauliches Bild von den Interessen, Thorheiien und Leidenschaften derselben entwerfen können. Der gewöhn lichen Geschichtsdarstellung fehlt das frische Leben, aber eben weil die Karrikatur der Ausdruck der Leidenschaft ist, so giebt sie uns auch ein Spiegelbild der Gegenwart. Dem unparteiischen Rich ter, der das Für und Wider sorgfältig abwägt, der sich auf die verschiedensten Standpunkte zu stellen weiß, ziemt allerdings die Gerechtigkeit; aber zu den wesentlichen Eigenschaften der Karri- kalur gehört die Uebcrtreibimg und Ungerechtigkeit. Der Jtaliä- nische Ausdruck caricmo und der Französische clmrxe bezeichnen nicht vollständig den ironischen und beißenden Charakter dcr mo dernen Karrikatur- Dieselbe hat immer eine persönliche Tendenz, und die Pfeile, die sie abschießi, haben eine vergiftete Spitze 1838. Deshalb kann man auch die Darstellungen, welche das Laster im Allgemeinen angreifen, nicht zu dieser Gattung zählen; die selben gehören mehr zum Gebiet der Satire. So z. B- ist „der verzweifelnde Musiker", auf den aller Lärm, alles Geräusch cin- stürmen, welche die verschiedenen Mitglieder des Thierrcichs wie die riesenhafte Industrie einer großen Stadl nur irgend hervor bringen können, kein Gegenstand der Karrikatur. Eben so wenig sind es zwei vortreffliche Skizzen, welche „der enthusiastische Maler" und „der Admiral im süßen Wasser" betitelt sind. Auf dcr ersten wird ein bebrillter Maler dargcstclli, der sich am Ufer des Meeres niedergelassen hat; vor seiner Staffelei sitzend, ist er ganz der Wirklichkeit entrückt und in künstlerische Entzückung ver sunken; aber leider beginnt jetzt die Fluth, und die Wogen be spülen schon seinen Fuß, ohne daß er die ihm immer näher rückende Gefahr, bemerkt. Der „pensioninc Admiral" schifft ganz ge- müthlich auf einer Lache umher, in welcher die Enten ihr un schuldiges Spiel «reiben; das Schiff, welches er lenkt, ist eine Art Nußschale; in dieser sind drei oder vier kleine Kanonen auf gepflanzt, mit welchen er eine von Pappe erbaute Festung am rechten Ufer eifrig beschießt. „Oer gichlbrüchige Jäger" ist ein Seilenstück zum „pensionirlen Admiral"; derselbe ist auf Pinen Lehnstuhl hingcstreckl, welchen ein Neger umhcrrollt; so legt er auf einen unschuldigen Vogel an, der davonfliegt, während der Himer dem Lehnstuhl stehende Bediente sich vor Lachen ausschüttet. Hätte der Künstler auf der einen Skizze einen bestimmten Gene ral mil Portrait-Ähnlichkeit und eben so auf dcr anderen einen wirklichen Admiral außer Diensten dargestellt, so hätten wir eine Karrikatur erhalten. Bei Hogarth erhebt sich die Satire zuweilen zur Erhaben heit und macht einen erschütternden Eindruck; aber dieser Künstler griff mehr das Laster im Allgemeinen an, als daß er seine Kunst all einzelnen, wirklichen Perjonen versucht hätte. Man kann sich allerdings nicht ohne Grauen in eilte dcr dunkeln und winkeligen Höhlen versetzen, in welchen sich der Londoner Pöbel im Gin (Schnaps) für seine Leiden zu entschädigen sucht. Von dort gehe man nach dem Laden des Pfandleihers; die Hande, welche eine kleine Münze für die Lumpen, die sie als Unterpfand lassen, hin nehmen, verkünden das tiefste Elend. Am Fenster einer Boden kammer schwebt der Körper eines Handwerkers im Winde; eine trunkene Mutter sieht ihr Kind ihren Händen entgleiten und auf die Straße fallen; sic stürzt ihm nach. Anderes Elend und andere Verworfenheit enthüllt uns das Leichenbcgängniß einer Frau, hin ter dem der tiefgerührte Gatte betrunken einherwankt; ein bleiches, abgezehrtes kleines Kind schläft mit dem Branntweinglase in der Hand am Geländer eines Brunnens. Alle diese Darstellungen, welche man tragische Scenen aus der niederen Sphäre nennen könme, sind keine Karrikaturen. Man Hai durch mehr als eine Theorie das Lachen und das Komische zu erklären gesucht; das Einfachste ist wohl, den Ur sprung des Komischen in der Verknüpfung der Gegensätze zu suchen und das Lachen als das Staunen über einen Kontrast zu bezeichnen. Der Rechenkünstler, dcr das Mittel, die Staatsschuld zu tilgen, gefunden hat und wegen einer Schuld von drei Shil- lingen im Schuld-Gefängnisse styl, ist eine komische Figur. So machen die guten Bürger, die sich als Freunde des Landlebens zu beweisen glauben, wenn sie in einer finsteren Schenkstube, welche die Aussicht auf eine staubige Landstraße gewährt, aus ihren großen Pfeifen qualmen, einen komischen Eindruck. Die Flamändischen Maler sind reich an solchen unbeabsichtigten Kon trasten. Rembrandt hat alle seine Magier und Hohepriester mit dem Kostüm dcr wackeren Bürgermeister von Leyden und Amster dam auSgestattet. Der König Salomo trägt Buscnkrausen und Manschetten; im Zimmer der sterbenden Cleopatra erblickt man eine Stütz-Uhr und ein Klavier. Vor nicht gar zu langer Zeit konnte man den tapferen Achilles auf dem Französischen Theater mit einem Mieder, Reifrock und Federhut erblicken. Hamlet er schien in kurzen schwarzseidcnen Beinkleidern mit einer gepuder ten Perücke; Caro wurde mit einem beblumlen Schlafrocke aus- gestattel und streckte sich ganz behaglich in einen Lehnstuhl ö I« Voltaire hin; Talma und Kemble haben diese Thorheiten zuerst abgeschafft. Wenn man einem gereiften Mann einen Fallhut auf setzen wollte oder die Frau eines Krämers darstellie, welche die Herzogin nachäfft, so erhielte man vortreffliche Karrikaturen. Ein hoher Europäischer Offizier, der eine Beschreibung des militai- Bcrlin, Montag den 2. Juli