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WSchknillch crschemen drei Numniern. Prcinumcsiitions- PreiS 22ä Sgr. (- THIr.) viertcliöhrUch, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie, für die Man rrßnumeriri auf dieses Beiblatt der Ällg. Pr, Staaio- Zeitung in Berlin in der Erpeditten (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Posl-Aemtern. Literatur des Auslandes. 70. Berlin, Montag den II. Inn, 1838. Süd - Ameri k a. Scarlett's Reisen in Süd-Amerika"). Das Deutsche Publikum begleitet einen Reisenden durch Bra silien, durch die weilen, öden Pampas, die Urwälder am Fuße der Andes, über das rauhe Gebtrg nach Peru zu den Küsten des westlichen Oceans wohl noch heutzutage mit der Neu- und Wiß begier und mit dem persönlichen Antheil, den .man kühnen Lander- Entdeckern zu zollen pflegt. Für uns gehören jene Gegenden noch halb und halb zu den unbekannten Landern, an das entlegenste Ende der Geographie, und wir können von einer Reise dorthin die Vorstellung des Jährlichen, Gewagten, Abcnieucrhaften noch nicht recht trennen- Die Engländer hingegen sind durch vielfachen politischen und Handelsverkehr und durch reichliche Minheilungen ihrer reisenden Landsleute, deren beständig ein starkes Kontingent in jenen Ländern unterweges ist, mit dem dortigen Terrain, mit der landschaftlichen Sccnene und Staffage, mit Zuständen und Sitten im Ganzen so wohl bekannt, daß eine Reise quer durch Brasilien und über die Andes in ihren Augen eben nicht mehr zu sagen hat, als etwa ein Streifzug quer durch Ungarn über den Balkan, und daß der Reisebeschreiber seine Fahrten und Er lebnisse am Plata-Strome, unter den büffeljagendcn Gauchos, in Chili und zu Panama ganz in der gemächlichen, alliagsbequemen, leichtgeschürzten und das Meiste im Vorübergehen munehmenden Manier hercrzahlt, wie der erste beste Tourist seine Begegniffe auf dem Durchfluge durch wohlbekannte Europäische Länder. So macht es auch unser braver und schlichter Autor, Herr Campbell Scarlett. Seine Reise ging zuerst (August 1834) im Gefolge einer Britischen Gesandtschaft nach Rio Janeiro; von da über die Banda Oriental, über Buenos-Ayres und Montevideo, durch die Pampas, welche er nicht in hastigen Märschen, wie Lie meisten seiner Vorgänger, sondern in gemächlicher Weile durchzog, bis zur Stadl Mendoza ain Fuße der Andes. Im zweiten Hande führt ihn sein Weg über das Gebirge nach Chili, von Valparaiso die Küste entlang nach Lima und Payta; er macht einen Abstecher nach den Perlen-Inseln und verweilt endlich längere Zeit zu Panama. Dieser Abschnitt ist der wichtigste und interessanteste des ganzen Buches, und ihm verdankt das Werk den bedeutenden Ruf und die beifällige Aufmerksamkeit, womit es gleich beim Er scheinen vom Publikum in England überhaupt, ganz besonders aber vom Handelsstande und selbst von der Regierung, ausgenom men worden ist. Es wird nämlich hier die Möglichkeit und Aus führbarkeit einer Kanal-Verbindung zwischen dein Mexikanischen Busen und dem westlichen Ocean dargethan und die Errichtung einer ^aeiüc.Steam-NsvigAtion-vompsnx in Vorschlag gebracht, um auf dem angegebenen Wege und mit Hälfe der Dampfschiff fahrt eine schnellere und regelmäßigere Communication mit den Hafen- und Handelsplätzen der Amerikanischen Westküste herzu- stcllen. Wir lassen jedoch dieses ernste, einer umständlichen geogra phischen und kommerziell-statistischen Erläuterung bedürftige Thema bei Seite und fassen das Buch von der erzählenden, unterhalten den Seite. Geschrieben ist es ohne alle Kunst und Prätension; es befolgt den schlichten Gang eines Tagebuchs, halt sich treu an die Vorgänge, läßt uns mit des Reisenden Augen sehen und mit seinen Ohren hören, und verschont uns mit aller unnützen Weit schweifigkeit und Reflexion. Sogar auf Beschreibung und Schil derung der Landschaften, der Städte und Wohnplätze, der Men schen, Trachten, Sitten, Gebräuche, Volks-Scenen läßt er sich nur in dem Maße ein, als ihm dergleichen von selbst entgegen- komml-' Deutschen Lesern namentlich wäre in diesem Punkte mit etwas mehr Umständlichkeit und Ausführlichkeit gedient gewesen. Allein, wie gesagt, Scarlett schreibt für ein Publikum, welches in Lima und Callao und in den Bergwerks-Bezirken der Andes so gut und besser zu Hause ist, als wir in den Ländern, die uns zunächst umgeben. Denkt inan sich einen schlichten, gutmülhigen, derben Gentleman in den besten Jahren, mit gesunden Augen und hinlänglichem Mutterwitz, aber mit blutwenig Phantasie be gabt, am 'Herde im Lehnstuhl sitzend und von seinen Reisen er- *) Vollständiger Titel: 8out1> ^moriea an6 tke paeiüo; eomprinin;: a ^onrnev aoro.8«; tl»e «uni tke trnm Ilttenox to Viilpai-ui.'io, ainl Panama; nit!, Remark« upoi» Nie Ixtlumi«. tliv Uou. I'. ^amp- ^ell 8rarl«;tt. I'o are nnüexeü an6 »Statement.« for k>taI»I»Hnk 8team Aavinativu ou tke Pains«'. 2 vok- I^oustvu, Ileor^ OoNiuru, 1838. zahlend, so hat man von dem Ton und der Vortragsweise des Buches die beste Vorstellung. Wir lassen nun etliche ausgezogene Stellen ohne weitere Bevorwvrtung auf einander folgen. Rio Janeiro. „Wir fuhren an einer Reihe kleiner, grüner, bewaldeter Eilande vorüber, die vor dem Hafen liegen. Sie schienen sämmtlich unbewohnt; nur auf einem wurden wir ein Gebäude mit einem Thurme gewahr, der zugleich als Leuchl- lhurm und als Signalposten zu dienen scheint. Die Ansicht der Gestade zu beiden Seiten war freundlich, aber nicht großartig. Kaum aber hatte unser Fahrzeug, um eine Landspitze wendend, den Hafen von Rio gewonnen, so war wie mii einein Zauber schlage die Scene geändert. Im herrlichsten Sonnenlicht lag ein weites und hohes Amphitheater von Bergen vor uns ausge breitet, so gewaltig und erhaben und dabei so reizend, lockend, anmulhig, wie keines Menschen Wort noch Feder beschreiben kann. Wer es nicht gesehen, der Hal keine Vorstellung von dieser unermeßlichen Ueppigkeil und Fülle der Vegelalion, von diese!» reichen, schwellenden, saftgesälliglen Grän, das aus jeder Scholle am Boden, aus jeder Fuge des Gesteins emporzuquellen scheint, das die Thäler, die Abhänge, die runden Kuppe» und die sanft geschweiften Züge der nahen und fernen Berghöhen in tausend facher Farbenabstufung Überkleider und keine Lücke läßt, außer wo ein Meeresarm, eine schmalgcwundene Bucht sich in das Land hineinstreckt, oder wo man, an fernen offenen Stellen, einen klaren Fluß unter majestätischer Tropenwaldung vorüber- gleiten oder die Abhänge hinunterrauschen sieht. Aus dieser Fluch von Grün taucht die Stadt Rio Janeiro mit ihren Palästen und ihrer Umgebung von Landhäusern und ländlichen Gehöften im glänzendsten Weiß hervor. Ich habe Konstantinopel, Neapel, Smyrna, viele andere Slädie gesehen, deren malerisch berrlicher Anblick als unvergleichlich gerühmt wird; aber so erhabene und entzückende Pracht, wie dieses Amphitheater des Hafens zu Rio, bieiel fürwahr kein zweiter Platz in der Welt." — Rio Janeiro har keinen Sklaven-Markt mehr; allein der Neger verharrt noch immer in tiefster lhierischer Erniedrigung. Zu den härtesten, gemeinsten, schmutzigsten Diensten werden ausschließlich Schwarze gebraucht. Scarlett ist im Ganzen der Meinung, daß sie in der Thal zu nichts Besserem taugen, und daß es einer langen Erho- lunas- und Bildungszcit für sie bedarf, damit sie nur einiger maßen von der über sie gebrachten Entwürdigung und , Ent menschung wieder aufkommen. „Sie dienen als Zugthiere, wer den paarweise vor niedrige, vierrädrige Karren angejchirrl unv schleppen schwere Gäleriasten durch die Straßen. Zuweilen tra gen ihrer vier oder sechs eine Last an Stangen oder auf einer Bahre einher; dazu halte» sie Schritt und Takt und heulen, um sich munter zu halten, eine klägliche, eintönige, in Sätzen abge brochene Melodie. Sieht man dazu die unförmlich mißgestalteten Figuren, die schmutzigen Leiber, die thierischen, widerwärtig stumpfen, gedanken- und empfindungsleeren Gesichter, so fühlt man sich in der Thal versucht, zu glauben, daß der Abstand, physisch und moralisch, in der Raxe liegt. Sind sie müßig, so sieht man sie Tag und Nacht auf der Straße liegen, sich auf Misthaufen wälzen; das Hedürfniß der Reinlichkeit scheinen sie gar nicht zu kennen und sind in dieser wie in mancher anderen Hinsicht um nichts besser angesehen, als die Schweine." — Ein abendlicher Spazierritt in der Umgegend von Rio bringt uns folgende Schilderung: „Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir an einem großen Zuckcrrohrfelde vorüber, — das erste, welches ich in meinem Leben sah. Die Pflanzen waren noch jung und prangten im frischesten Grün. Je dunkler der Himmel uns zu Häuplen wurde, desto lustiger fing es zu unseren Füßen an zu sprähen und zu leuchten. Im Gra>e, im Rohre, in den Büschen, wimmelte es von Leuchtkäfern; zu Tausenden stiegen sie auf nnd schwärmten ringsumher und über unseren Köpfen, wie daheim die Mücken. Und als die Nacht einbrach, da war es keine stille, schweigende Sommernacht, dergleichen man bei uns in Idyllen schildert; sondern allerwärts wurde eine ganze Welt von Ge schöpfen laut und lebendig, ein Durcheinander von tausenderlei verschiedenen Tönen, einförmig nnd doch unendlich mannigfaltig, ein wirrer Lärm und doch eine gar nicht üble Musik; so ritten wir unter Konzert und Feuerwerk. Das ist kein Quaken, was die Frösche hier vollführen, — das dröhnt wie die Hainmerschläge in eines Grobschnticds Esse. Millionen Heuschrecken, Grillens Cikaden geigen nnd zirpen ihren schrillenden Diskant, ohne Takt