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602 macht; wenn Truppen au« einem Klima schnell in ein andere« kommen, gicbl e« immer ansang« viel Kranke, — erst im zweite» Jahre stellt Ach der Gesundheitszustand wieder brr." — „Die Malaria", bemerkte Canova einlenkend, „scheint übrigens den Ausländern furchtbarer, als den Römern selbst, und gegen die anderen Uebel, an denen Rom gegen wärtig leidet, kommt sie vollend« gar nicht in Betracht. Rom, Sire, ist verwaist, e« ist in Clend versunken, seitdem der Papst nicht mehr dort restdirl. Nur Ew. Majestät können durch Ihre Macht der Stadt wieder aushelfen. Sie hat ihren Souverain, 4Ü Kardinäle, über 200 Prälaten, eine ganze geistliche. Bevölkerung, die ftcmdcn Minister und Gesandten verloren. Cs wird Gras in den Straften wachsen. Ew. Majestät kann meine Freimütbigkeil nicht beleidigen; ich beschwöre Sie, Sire, weil Sie allein e« im Stande sind, nehmen Sie sich Rom'S in seinem Unglücke an. Früher strömte den Römern das Gold au« allen Ländern Europa s zu; jetzt ist der Strom versiegt." — „Mit dem Golde", crwiedene Napoleon, „hat es in ter letzten Zeit ohnehin nicht viel zu bedeuten gehabt. Ihr solltet Baumwolle pflanzen, Ihr Römer, das würde mehr einlragen." — „Sire, um Vergebung: Ihr Bruder Lucian hat den Versuch anstelle» lassen, aber ohne Erfolg. Rom ist verarmt; es erfreut sich der fchützendru Herrschaft Ew. Majestät, allein es bedarf auch Ihrer Gnade und hat vor Allen Ansprüche darauf." — Napoleon nahm den Eifer des Künstlers nicht üb-U „Wenn ich nun aus ganz Italien Eins mache, Neapel dazu und Rom zur Hauptstadt, wäret Ihr Römer damit zufrieden?" — „Roms Gedeihen, Sire, hängt ganz von der Pflege der schönen Künste ad. Im Auftrage Ew. Majestät und der Kaiserlichen Familie werben zwar viele Arbeiten auegeführt, aber sonst macht Niemand Bestellungen. Auch die Religion, früher die Muller und Beschützerin der Künste, verlier! tagtäglich an Einfluß. Lei den Acgyptern, Sire, bei den Griechen, bei den alle» Römer» ist die Kunst au« dem Schoße der Religion, aus den Tempeln und Hcilig- lbümern hervorgegangeu; die Religion gab den Anlaß und de» Stoss für die größten Kunstschöpsungen. Und mchl bloß Prachtgebäud«, wie da« Parthenon, zu Athen, nicht bloß Statuen, wie die Pallas aus der Burg zu Aide» und dec Jupiter zu Olhmpia, — nein, auch die un zählige» kleinen Bilder und Wtlbqcschcnkc, die bei lausend Gelegenhetlen von Privatleuten, von den gekrönten Siegern bei öffenllichcu Spielen, von den Hetären sogar i» den Tempeln der Götter ausgestellt wurden, — all' diesen Reichlhum an Kunstschätze» verdankte Griechenland seiner Religio». Branche ich die erhabene» Denkmäler der alten Baukunst erst zu neunen, die durch ihre religiöse Bestimmung vor dcu Zerstö rungen barbarischer Zeitalter bewahrt »nd für un« gerettet worden sind: die St. MarkuS-Kirche zu Venedig, die Dome zu Pisa nud Orvieto und da« Pisanifckc Gamzc» 8»»tc>? Und wenn man fragt, welche unter allen Religionen die liebreichste Mutier, die treueste Pflegerin und Lefchützcrin der Künste gewesen ist, so ist cs die nnsrigc, die Römisch-katholische Religion. Die Protests»!!» begnügen sich für ihren Gottesdienst mit einer kinsachen, schmucklosen Kapelle und einem Kreuz; dabei ist für die Kunst nicht« zu lbiin. Wo die Protestanten eine schöne Kirche haben, da ist sie nicht von ihnen gebaut."— „Er bat Recht", bemerkte Napoleon gegen Marie Louise; „die Protestanten Haden nichts Schöne« in dec Kunst auszuweiscn." °) Es war eben so kühn als edel von Canova, sich auf solche Weise vor dem gewaltigen Napoleon zum Verfechter der Rechte und Interessen Italien« auszuwerse». Da er mit Nachsicht, ja mit Gunst angehört worden war, fo getraute er sich weiter zu gehe» und die traurige Lage seines früheren Herrn und Wo!M>älerS, des Papstes Pin« V ll., welcher sich damals in Französischer Gefangenschaft befand, zur Sprache zu bringen. Natürlich mußte dies mit äußerster Vorsicht geschehen. Canova wußte mit vielem Takt und großer Klugheit den Anschein des cinsachen, bescheidenen, harmlosen Kunstlers zu bewahre», dem da« Her; aus der Lippe sitzt, während alle seine Gedanken bei dem Werke sind, das er verbot. Er stellte sich, al« ob alle seine Aufmerksamkeit darauf gerichtet wäre, die Züge der Kaiserin, die ihm saß, zu studiren und auszufaffen, — al« ob er ohne.Absicht und Vorbedacht, bloß au« augen- blicklicher Eingebung des Gemütbes spräche. Als Canova da« erste Wort fallen ließ, runzelte Napoleon die Stirn, — doch besann er sich, wen er vor sich balle, und im nächste» Moment war seine Miene wieder gütig wie zuvor. Der Künstler schöpfte Hoffnung: „Der Kaiser ist von Gemülh nickt tyrannisch", dachte er sich, „aber vou Schmeich lern umgeben, die ihm die Wahrheit verhehlen, ibn zu Gcwallthaten verleiten." So »ahm ec denn all seinen Muth zusammen und sprach, in den ehrerbietigsten Ausdrücken, mit aller glatten Feinheit cincs Venc- tiauerS, — Canova war an« Venedig, — aber mit Ernst, mit Wärme, mit eindringlicher Beredsamkeit. Sein Französisch war nicht ganz kor rekt, er tras nicht immer da« rechte, bezeichnende Wort, — aber gerade in dem Fremdartigen seiner AuSdrncksweise mochte etwa« Gefälliges lie gen. Der Kaiser hörte ruhig zu; die Kaiserin betrachtete de» kühnen Redner mil Erstaunen, nicht ohne Bangigkeit, — innerlich zollte sie ihm Beifall. „Warum", so schloß Canova, „warum versöhnen Ew. Majestät sich nicht aus irgend eine Weise mit dem Papst?" — „ES gebt nicht. Die Priester wollen überall herrschen, den Meister über König«, und Kaiser spielen, wie Gregor VII." — „Ew. Majestät babcn da« nicht zu fürchten: ganz Italien gehorcht Ihnen, der Papst ist obuipächlig." — „Wa<-kona Euch Jtaliünern überhaupt an einem Papst, gelegen seyn? Die Papst« babrn sich schleckt um Euch verdient gemacht; sie haben, di-' Nation veruneinigt, niedergebalten, fremde. Zwinghrrren in« Land, gerufen- Sie batten ost nicht so viel Macht, sich in Sbom gegen die Factioneu der Colonna nnd Orsini zu bebaup- ten, aber immer Macht genug, dem Lande zu schaden." — ,,E« gab auch Zmcn, wo die.Päpste die schönste GAigtnbeit batten, Herr«» .von ganz Italien zu werden; nur die Kühnheit sehlle ihnen." — „Nicht ») Seltsam! und doch lebte damals Tborwaldsen schon, ei» Prolestant, »er der Canova de« heutig««, Italiens ist. doch", erwicderl« Napoleon und legt« die Hand an seinen Degen, „das sehlle ihnen; das ist das Werkzeug, womit man Herrfchaflen gründet." — „Auch damit, Sire, wußten Päpste umzugehcn.» Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Alexander VI. länger gelebt Halle; Cesar Borgia halte cinen schönen Anfang gemacht. Auch Iuliu« II. und Leo X. haben sich ttnlkrncbmend bewiesen; aber in ter Rrzrl wäre» die Män ner, die mau zu Päpsten wählte, zu alt, und wenn Einer mit kühnen Plänen umgeganzen war, so sorgte man dasür, ihm einen desto zah meren Nachfolger zu geben." — „ES bleibt schon dabei, Herr Canova: nur da« Schwert erwirbt und befestigt Königreiche."'— „Siro, ich er innere mich, in den Disccrst von Macchiavclli gelesen zu haben: es lasse sich nicht entscheiden, wer mchr zu der künsngcn Größe Roms bei- gelragen habe, ob Romulus durch das Schwert oder Numa durch teu Pricstcrstab.") Leide müssen Zusammenwirken. Wir Ztaliäncr dursm übrigens nicht undankbar gegen die Päpsie scpn: sie haben des Großen und Schönen viel ii, unserem Lande gegründet. Die Brücke zu Civita Casiellana, rin Päpstliches Bauwerk, gicbl dem berühmte» all-Römischen Pont st» Oaril nichlS nach." — „Gicbl cs in Italic» noch viel Brücken aus dec allen Römerzeit?" — „Mir sind nur drei bekannt: eine z» Zvrea in Piemont, wo Ew. Majestät vor der Schlacht bei Marengo Ihr Hauptquartier ballen ; eine zu Rimini; dann der p»nie lli iXmm aus der allen Heerstraße zwischen Rom und Gabiä." — „Die Röwer sind ein großes Volk gewesen; was seildem auS Jlalicn gewor den ist, daran lragcn die Päpste die Schuld. Eie bade» beständig die Zwielrachl grichürl, sie haben Jlalicn de» Frcmde», de» Dcnlschen, den Fcanzosc» gcöffner. Sic koiinlc» die Waffe» nichl sichren, sich selbst nicht hclsrn, »nd doch wollten sic herrschen; so haben sie Alles vcrwirrr »nd zu Grunde gcrichlel." — „Sire, Italien Hal jetzt rincn Herrn: Sic haben durch den Dczen die Macht erworben, miser Weblibäler zu sev», — sctzeu Sie den Lcikcn Italiens ein Ziel. Wem, Ew. Majestät sich Roms nichl anncbmc», so wird es der Stadl trauriger ergehe« als zu der Zeit, da die Päpste zu Avignon saßen. Damals, Sire, hatte die Slacl unzählibc Wasserleitungen, Fontaine» und Cisicrnen, — aber weil Niemand dasür sorglc, sie in Stand zu ballen, sehlle es an Wasser, und das Volk mußlc dcn gelbe», flüssigen Schlamm der Tibcr lrinken." — „So wird cs nichl kommen", ries Napoleon mit einer ungeduldigen Bewegung, — „aber warum vereitelt man mciuc guten Absichten? warum trotzt man mir? Ich herrsche über Frankreich, über Italien, üd«r drei Liecihcilc von Deutschland"); ich bin der Nachfolger Karl'S de« Großen. Hätte sich der heutige Papst so gegen scincn Kaiser bensw- men, wie die damaligen, Alles wäre gut. Sie sind ja ein Benetianer, Herr Canova; wissen Sic nicht, daß Ihre Republik sich mehr als einmal mit den Päpsten überworfen bat?" — „Nicht so hart, Sire, wie Ew. Majestät, lind wenn auch, — die kleine Republik halte ernst lich für ihre Unabhängigkeit zu fürchten; Sie abcr, Sire, sind mächtig genug, um großmüthig scyn zu können. Nur Rom ist de« Papste« würdiger Aufcnlhall; was liegt Ihnen, Sire, daran, an welchem Orte ein schwacher, hülslvsec Greis sein geistliches Amt verrichtet?" — „Wcnu ick den Papst in Italien lasse, so ist er ganz Und gar ein Deutscher Papst", sagte Napoleon und sab dabei Maric Louise an. — „Ich kann Ew. Majestät versichern", ccwicderle die Kaiserin, „in Wie» sagte man just das Gegentheil, cr wäre ein Französischer Papst." — „Aie Thalcu bcweiscn'S", hob Navolcon wieder an, „cr hat alle» Fein den Frankreicks, Engländern, Russc», Schweden, Vorschub gelhan; er hätte sic zwingt» soll«», dc» Kirchenstaat zu räumc», cr wollte nicht." Canova ließ mchl ab, dringend zu einer Versöhnung zu ralben: „Ew. Majestät!', sagt er, „wollen gewiß lieber angebem und geliebt als gefürchtet scv« " — „So ist mein Verlangen", crwiedcrle Napoleon, „nur muß man c« danach machen." Hiermit brach er das Gespräch ab. Ein anderes Mal wußte Canova die Unterhaliung aus seine Vater stadt Vcmdig zu lenken. Ec sprach von ibrem Verfall, ihrer Verar mung und nahm die Gelegenbeil wahr, dein Kaiser eine Bittschrift aus Venedig zu überreichen. „Ist es kurz?" fragte Napoleon, und da er bei der Eröffnung di« ganz« Supplik nur etliche Zeilen lang sand, las cr sic auf der Stelle, steckte sie ci», und wenige Tage darauf erfolg!« die Gcwäbrung des Gesuchs. Auf diese» A»laß kam die Rede aus die Verfassung und Regierung der allen Rcxublik Venedig und auf die Dauerhaftigkeit aristokratischer Institutionen. Canova ließ sich darüber sachkundig aus und schloß mil der Bemerkung: „Ich balle nichl gc- dachl, dc» Slurz Venedig« zu erleben. Mem polittsches Orakel, Mäc- chiavelli, sagt irdendwo: die Venclianer verstcbr» ihre Sache; sie male» ihren Sankt-Markus mit dem Evangelium und dem Schwert in der Hand; da« Buch allein lhul'S nicbft"— „Gerade die Maxime", cc- witderte Napoleon, „haben bic Vemlianer vergessen. Die engbcrzige, argwöhnische Arisiokralie ter Nobili lebte in beständiger Furcht, e« möchte ihnen au« ihrer Mitte ein Cäsar über die Köpfe wachsen; darum duldete» sie aus ihrer Terrascrma keine» geborenen Vcnetianer als General." — „Dochzuweilen, Ew. Majestät, in sehr dringenden Fällen; allein dann vertrauten sie ihm das Kommando nur auf fehr kurze Zelt an." — „Darin ballen sie Recht", bemerkt« Napoleon mit großen! Ernst; „nicht« ist für Rcpublikeu gefährlicher, al« da« Kommando über Trupp«» zu lange in de» Händen eine« Gcncral« zu lassen. Ich habe es den Mitgliedern de« Direktoriums vorausgesagt: wenn Ihr mit dem Kriegsühren kein Ende macht, so sinder sich über kurz oder lang ein General, der Euch Alle» komwandireu wird.:' Napoleon war nicht ohne Vorlieb« süc die Jtaliäner; er ließ sich »ich! ungern an den alte» Toskanisch«» Adel seiner Abkunft eri»n«rn. Einmal frag!« Napoleon plötzlich: „Wo liegt Alßeri begraben?" — ') Macchiavelli sagt sogar, I, 1t: knti-Kc » ai-ngt»!- » <^ii»Ie prtneip« tüAL«' pi" ö « knniolo, » a Xum», «r«<io vke pui >'iimr» ott^rr^ddv il pri»w ^ri»6o: perotie Oove relixi^n«, xi purKoiio inlrycüurre e Love -tnu» 1'arwi e uoo religiove, «oa «Mkcult» i» pu» iutrollurv« "> Navoieon zahlte dabei unstreitig alle SGatev. »«« Rbcmbundes mit zu scmen Besitzungen.