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rilliger Enlfernung vom User Prosa und Poesie ins Meer werfen ließ, rief der Minister aus: „Kein übles Mittel, in der Thal, die Bücher zu ersäufen! Es giebt aber ein besseres; ich liebe die halben Mittel nicht!" Der Reittier-Literat spielt den Elegant, wohnt auf der (.charmsee «1'^ntin in der ersten Etage, seine Pscrdc konkurriren bei den Wettren nen auf dem Marsfclde, und er giebl sich alle erdenkliche Mühe, nicht für einen Schriftsteller zu gelten. Er bewirbt sich nie um Lobsprüche in den Journalen und erhält auch wirklich keine; der Kreis, in dem er sich bewegt, beschränkt sich auf einige Salons, wo keine literarische Berühmtheit geduldet wird, und seine Sucht besteht darin, in allen Stücken als Gentleman zu erscheinen. Jedoch fehlt cs nicht an beißen den Bemerkungen über ihn, und sobald er den Rücken kehrt, heißt cs: Ein scharmanter Mensch; er gleicht frappant seinem Vetter, dem Käsc- händlcr; seine Stimme klingt ganz so, als ob inan seine Mutter, das Waschweib, Härte! Der Literat, der nach einer Stelle in der ^caür'mi« kranxaiso strebt, wartet auf einen Todesfall, um selbst gehörig und in aller Form sterben zu können. Man glaubt cs kaum, wie er sich abmüht, ernie drigt und herabsctzt, um nur.seine Absicht zu erreichen. *Scinc Poesie ist mittelmäßig, seine Prosa total unbekannt, sein Name lebt nur iw Gedächlniß einiger Freunde, und er weiß in der Tbat selbst nicht, was ihn berechtigt/'sich um den Platz des berühmten Mannes zu bewerben, dessen Nachfolger er zu werden wünscht. Erhält er ihn nun, so erhebt er seine Kollegen bis zum Himmel; im anderen Falle sind es grobe Flegel. Wir kommen nun zu der letzten Klasse, dem Literalen, der nicktts Eigenes besitzt als seine Feder, und der dennoch auf dem ruinirenden Fuß eines Bank-Direktors leben, alle Freitag mit dem Gepränge eines Präsidenten der Pairskammer die Aufwartcnden empfangen und endlich im Hause und außer demselben die Dienerschaft eines Russischen Fürsten um sich haben will. Armer Fürst, dessen zehn Schlösser in seinen zehn Fingern, dessen herrschaftliche Besitzungen in seinem Gehirn bestehen. In dem Palast eines Literaten dieser Klasse nun herrscht der aus gesuchteste LuruS; überall die prächtigsten Teppiche und Armsessel, die kostbarsten, seidenen Tapiffcriccn, herrliches Porzellan und zahllose Domestiken, ohne die Frcundc mftzurechnen. Einige von diesen, näm lich von den Domestiken, schütteln auf den Treppen,Absätzen Tiger- und Pardeldeckcn aus; andere ordnen prachtvolles Silber-Service in den Servanlen, wieder andere bohnern die Salons, andere liebkosen die mit Eiscuil gefütterten Windspiele, andere tummeln im Hose die Tages vor her bei Crcmieux gekauften Pferde, andere fangen das Kammermädchen auf, welche voller Eile nach dem Schlafzimmer der Madam läuft, die geklingelt hat; man klingelt aber zugleich auch auf einer anderen Seile und an einem drillen Orte. Welch' ein Speklakel, welch' eine unnütze Geschäftigkeit! Dies ist das Innere eines Hauses, das- ein Mann bewohnt, der Seile sür Seile und Zeile für Zeile, wie der Dachdecker Ziegel für Ziegel, bezahlt wird, sich aber von Letzterem darin unterscheidet, daß er, wann cs regnet, wann cs zu heiß oder die Lust zu drückend ist, keine Lust zum Arbeiten hat und daher auch wirklich nicht arbeitet. Ja, Splbc für Sylbe, freilich nicht Idee für Idee, erwirbt ihm genuy, um damit die Domestiken, das Silbcr-Service, die Teppiche und die Pferde zu bezahlen, die in ihren Ställen mit lautem Wiehern Heu und Journal-Artikel fordern. Aber auch die Jagdhunde haben Hunger; rasch eine Seile Prosa! Das Windspiel verlangt nach Biscuit; rasch ein Kapitel Roman! Ein Domestik fordert seinen Lohn, ein anderer hat keine Livree, ein dritter keinen Trcffenhut mehr, ein vierter noch keine Schuhe, der Kutscher bat die Peitsche verloren, der Reitknecht hat keinen Klee mehr, dcr Fnttermeisirr zeig! sich an der Schwelle mit der Rechnung; rasch Prosa her! — Aber ich bin unwohl, dcr Hals thut mir weh, dcr Kopf ist mir eingenommen, ich habe Stiche in der Brust! — Hilft nichts, Prosa her; kein Geld, keine Pferde; keine Prosa, kein Geld. Da sangt denn der Literat an zu seufzen, setzt sich an den Tisch und besingt den Frühling in Prosa, die Zeile zu fünf Sous. Italien. Tasse und sein Verhäftniß zum Hofe von Ferrara. (Schluß.) Zweimal entweicht er von Ferrara: aber die Ueberrcbung seiner Freunde und die poetische Meinung, dcr Herzog werde großmülhig allen Groll fahren laffcn, wenn er sich wieder in seine Arme werfe, bringen ihn beide Mal dahin, zurückzukchren. Als er das zweite Mal wieder- kommt, mit neuen großen Hoffnungen, trifft er gerade zu einer Zeit ein, wo man mit Festen beschäftigt ist und Niemand auf ibn achtet. Er empfindet das als eine absichtliche Kränkung: in einem Anfall seiner melancholischen Aufregung stößt er beleidigende Reden gegen den Her zog ans. Der Herzog, der auch nicht mit sich scherzen zu lassen pflegte, hält für das Bcste, zugleich um ihn zu strascn und ihn kuriren zu laffcn, ihn in das Spital von St. Anna einznschließen. Und hier wurde nun der arme Taffo sieben lange Jahre, von 1379 bis 1886, festgebalten. „Er ist in der Tbat wahnsinnig", schreibt dcr Florentinische Resident am 4. April 1883 an seinen Hof, „doch spricht er zuweilen recht vernünf tig und macht poetische Cowposilionen".") Seine Seele war in ihrer Tiefe zerrüttet und die endlich zurückgcgebcne Freiheit konnte sic doch nicht völlig Herstellen. Er suchte I58S eine Zuflucht in Rom, wie cr denn auch dort eine Zeit lang im Palast Gonzaga gastfreie Ausnahme fand. Aber seh es nun, daß seine Melancholie den Umgang mit ihm 590 unangenehm machte, oder aus welcher Art persönlicher Abneigung auch immer, in kurzem finden wir ihn aus diesem Hause verwiesen. Er mußte in Gasthöfen hcrumwohncn, und zwar ohne Geld, ohne anstän dige Kleider und von seiner Krankheit gepeinigt. Er mußte in ein Hospital gebracht werden, das einer sejncr Vorfahrt» für arme Lands leute gegründet balle. Es fchlle uichl viel, so Halle dcr Man», der damals in gewissem Bezug als dcr ausgezeichnetste in Italien angesehen werden konnte, dessen Geist die Jtaliänischc Literatur beherrschte, vor den Kirchlhüren betteln müssen. Es ging ibm wahrlich noch schlimmer als unserem Kepier oder als seinem Zeitgenossen Camocns. In diesen vcrzwciflungsvollcu Zuständen nahm aber Taffo eine immer entschiedener geistliche Richtung. In seinem Ecsängniß glaubte er durch eine förmliche Erscheinung der heilig:» Jungfrau genesen zu sehn: als er dann befreit worden, tbat er das Gelübde, seine Poesie nie wieder einem profanen Gegenstände zu widmen. Am liebsten hielt cr sich seitdem in Klöstern auf: cr studirte nur »och die Kirchenväter, die alte» Lehrer: es findet sich ein Exemplar des Augustin durchweg mit Randglossen von seiner Hand: cr war glücklich, als cr endlich einen Thomas von Aquino zu Händen bekam. Allein diese ernsten Studien verhzndcrlen nicht, daß cr sich nicht doch noch den ausschweifendsten Phantasier» überlassen balle. Er glaubte alles Ernstes zuweilen von einem guten Engel besucht zu werden und wollte sich nicht überzeugen lassen,'daß Lies Imagination seh. Selbst in Gegenwart eines Dritten balle er einst diese Erscheinung: man Hörle ihn zu dem Fenster hinaus über die dunkelsten Fragen der Gottesgelahrtheit mit jenen! Genius, den cr zu sehen glauble, Zwiesprache ballen. Schmerzliche Entwickelung eines so reich begabten Geistes. Aber cr ist ein Beispiel, welche gewaltsame Lebcnscrschüttcrungen die Restau ration des KatholiciSmuS, die sich damals vollzog, i» einzelnen Ge mächern zur Folge balle. In dieser, ganzen Epoche ftlhr Taffo fort zu dichten; jedoch wie die Zustände, so waren auch die Werke verschieden. Endlich legte er Hand an, auch das befreite Jerusalem umzuarbcitcn: natürlich in dem Sinnc, dcr ibm jetzt dec einzig zulässige schien. In der 6«rnsalommo conezuist.-ita — denn so nannte er das Gedicht — sind die Regeln noch viel strenger gehalten, die anstößigen Stelle» ausgcmcrzt, die un- geistlichen Phäntafiecn gestrichen, die Beziehungen aus Ferrara, das er jetzt haßte, mit ängstlicher Peinlichkeit vernichtet, — an die Stelle des Rinald z. B. muß allenthalben ei» Riccardo treten, was dann sehr un bequeme, kleinliche Acnderungen nothwendig macht — es finden sich neue Zusätze der Devotion oder dcr Gelehrsamkeit; aber zugleich ist dem Gedichte auch sein Reiz genommen: es ist Alles schroffer,'gewaltsamer, übcrgangsloser geworden. Es ist wohl nur Eine Stimmc, daß die spä tere Arbeit eigentlich durchgehends eine Vcrdcrbung der früheren ist. Allerdings bezeichnet sic auch eine Stufe in der Jtaliänischc» Literatur? die noch ausgcbildelere Herrschaft dcr geistliche» Tendenzen, dic sich in Kunst und Gelehrsamkeit ebenfalls durchsetzte. Aber cs war nur kein Gedicht mehr: Niemand hatte daran Wohlgefallen." In Bezug auf die hier von Herrn Ranke erwähnte spätere Arbeit Tasso'S möge es uns gestattet sehn, noch eine andere minder bekannte Hhpolhcsc anzufübren, dic ein Jtaliönischer Kritiker zur Erklärung der langen Gefangenschaft des DichlcrS ausgestellt hat. Herr Zuccala behauptet nämlich, daß weder dic Liebe Taffo's zu Lconorcn, noch dessen Absicht, an den Hof der Mcdicäcr auszuwandern, den Herzog Alfons von Estc z» solcher Strenge veranlaßt habe. Vielmehr scy es nur die Besorgniß gewesen, daß dcr Sängcr dcr 6orusal<-min<-, cingcdcnk dcr schlechten Bchandlung, die er am Hofe von Ferrara erfahren, sein Ge dicht ändern und alle Verherrlichungen des Hauses Este, so wie seines AbnS Rinald, herausstreichcn möchte. Um ihn hiervon abzuballcn, seh also der Dichter Jahre lang eingcsperrt worden; dieser aber habe den ersten Moment seiner Freiheit dazu benutzt, um gerade das auszufüb- ren, wovon man ihn auf so grausame Weise zurückgchattcn. Es ist dies freilich eine auf nichts weiter als eben jene Oerusnlkmmo con- rzuistata gestützte Hypothese, aber als eine dritte sich geltend machende Ansicht scheint sic sich doch am meisten derjenigen Meinung zu nähern, die die Gefangenschaft des Dichters in anderen Motiven, als in seiner angeblichen Liebe zur Prinzessin Leonore sucht. — Am Schluffe seiner Abhandlung kommt übrigens Herr Ranke in einer nachträglichen Be merkung auf dic vom Grafen Alberti herausgcgcbenen Papiere zurück, und wir glauben, zur Vervollständigung der Aktenstücke auch diese Stelle hier noch wiedcrgcbeii zu müssen. Sic lautet: „Da ich »77 der Papiere aus dcr Casa Falconieri gedacht habe, so will ich doch nicht versäumen, binznzusügcn, baß der erste Theil der selben so eben wirklich erschienen ist (Lucca, 1837). Noch ist bas Buch nicht in unsere Gegenden gelangt, aber aussührliche Inhalts-Anzeigen benachrichtigen uns, daß es von jenem geheimen Verhältnis; Taffo's zu der Prin;cssin Leonore, das man hier in alle» Details hervorlrctcn zu sehen erwartete, auch nicht das Mindeste enthält. Natürlich! Schon Scrassi benutzte dieselben Papiere, und dieser chrenwertbc, gelehrte und alles Zutrauens würdige Mann ist cs gerade, der von allen den romanhaften Erzählungen am entschiedensten nichts wisse» will. Mit Freude» würde ich aus neuen Dokumenten neue Kenntnis; schöpfen: jetzt ist dcr Stand der Sache folgender. Für jene Erzählungen werden einige Briese und Gedichte angeführt, die aber sämmtlich nichts ent halten, was sich nicht auch anders erklären ließe. Welch ei» mißliches Unlernchyrrn ist cs überbaust, aus den leichten Schöpfungen der Phan tasie eines Poetcii die realen Verhältnisse und Lebcnsbeziebungen dessel ben ernstlich ermittel» zu wollen. Ma» mag doch darüber Lessing ein mal wieder lesen! In unserem Falle stehen aber auch dic überdies in sich untusammenbängenden Resultate eines solchen Bemühens mit allen glaubwürdige» Zeugnissen im Widerspruch. Da ist gleich der Bries M. Venirr's au de» Großherzog von Tokka-a, einen Herrn, dem wahr«