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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22^ Sgr. (j THIr.) viertcliichrlich, 3 Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt auf dieser Beiblatt der ÄUg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Poft-Aemtern. Literatur des Auslandes. 147. Bertin, Freitag den 8. Dezember 1837. Italien. Taffo und sein Verhältniß zum Hofe von Ferrara. Es war leicht vorherzuschcn, daß die Behauptungen des Marchese Gaetano Capponi, die wir in Nr. 137 des „Magazins" mitgetheill, in Italien nicht ohne Widerspruch bleiben wurden. Noch bevor Cap poni mit den angekündiglen Beweisstücken herausgerückt ist, hat bereits der bekannte Lilerar - Historiker und Novellist, Professor Giovanni Rosini, ein geharnischtes Sendschreiben gegen Capponi erlassen.") Dasselbe ist ganz mit jener gereizten Empfindlichkeit geschrieben, welche in der Polemik Itaüäuischcr Schriftsteller von jeher immer vorgchcrrschl hat. Herr Rosini, der früher die Licbeshändel des Taffo zum Gegen stand eines Dramas gemacht, das er mit einer kritischen Einleitung herausgegeben, steht das Manifest des Herrn Capponi als eine direkte Kriegserklärung an und scheint darüber um so empfindlicher zu seyn, als er jenes Drama dem Marchese Capponi in tiefster Verehrung ge widmet hatte. Der Letztere soll, wie sein Gegner behauptet, die beiden von ihm benützten Briefe Taffo's an Scipio und Fabio Gonzaga (Vgl. S. 847 des Mag.) zum Theil verstümmelt und zum Theil in ganz ver kehrtem Sinne ausgelegt haben. Die Liebe Taffo's zur Prmzessin Leonore läßt sich, nnc Hr. Rosini behauptet, aus denselben Aktenstücken beweisen, die Capponi dagegen anführt, und steht übrigens durch zahl reiche Gedichte des Sangers der Ooeusalvinniv unwiderruflich fest. Rosini scheint ebenfalls von den Manuskripten des Grafen Alberti, deren erste Lieferung (Lucca, 1837) bis jetzt erst erschienen, noch manche Beweise für seine Ansicht zu erwarten, deren Bekämpfung, bei dem ein mal seit Jahrhunderten feststehenden Glauben an die Liede Taffo's und Leonorens, allerdings etwas Gewagtes und Schwieriges ist. Freilich ist Herr Capponi nicht der Erste, der cs ausspricht, daß Alfons von Este den großen Dichter nur darum einsperren ließ, damit er nicht in die Dienste der Mediciier eintreie. Schon Serassi Hal cs im Jahre 1788 gelhan; aber gleichwohl ist gerade um jene Zeit der erste Entwurf zu dem schönsten Drama entstanden, in welchem der Dichter jemals gefeiert worden und worin seine Liebe zu Leonorcn so poetisch wahr erscheint, daß sie wenigstens in den Herzen des Deutschen Publikums immer fortleben wird, wenn auch ihr Ungrund bis zur Evidenz erwiesen werden sollte. Inzwischen können wir den Streit auf sich beruhen lassen, bis einerseits Graf Alberti seine Handschriften und Dichtungen als Beweise für und andererseits Marchesc Capponi die seinigen gegen das Liebes- verhüllniß Taffo's vollend« herausgcgeben baden wird. Eine unbefangene Abwägung de« Für und Wider mag alsdann den für die Litcraiur- Geschichte allerdings nickt uninteressanten Ausschlag geben. Zur Ehre Deutscher Forschungen dürfen wir jedoch nicht verschweigen, daß Cap ponis scharssinnige Vermulbungen über Taffo's Verhältnisse zum Hose von Ferrara lange vor ibm schon in Deutschland ausgesprochen worden, und daß er selbst auch sich dazu bekannt hat, durch einen Aussatz, der einmal in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" über Hrn. Professor Ranke « akademische Beiträge zur Geschichte der Ztaliänischen Poesie gestanden, zu Forschungen in dem Modcnestschen Archiv veranlaßt wor den zu sehn, welche diejenigen des Deutschen Gelehrten vollkommen bestätigt hätten. Interessant ist, daß gerade jetzt auch jene Abhandlungen, die Herr Ranke vorlängst im Schooßc der Königliche» Akademie der Wissen schaften vorgelragen, im Druck erschienen sind. °°) Wir werden dadurch in den Stand gesetzt, in dem Prozesse, der eben in Italien verhandelt wird, ein wichtiges, viclgeitendcs Zeugniß zu vernehmen. Die großen historische» Gemälde, die Herr Ranke von Fürsten und Völkern, von Päpsten und Reformatoren entworfcn, haben ihm auch den glücklichen Anlaß zu jenem anziehenden Genrcdilde gegeben, das die Italiänischc Poesie zum Gegenstände hat. Wir sehen darin diese Poesie aus den Gestaltungen de« Mittelalters zu den Formen der modernen Zeit über gehen. A» den poetischen Erzählungen der Italiäncr, von den liaali <N kranoi» — über deren bisher verloren geglaubten letzten Theil uns hier zuerst eine Darstellung nach einem in der Bibliothek Albani zu Rom befindlichen Manuskripte gegeben wird — dis auf Tasso, weist Herr Ranke die genetische Fortbildung mittelalterlicher Stoffe nach, die am Ende in ihrem modernen Gewand einer ganz anderen Welt anzugehören scheinen. Taffo aber ist es, für den Herr Ranke das Verdienst vindi- ') I^ettera Liovanvi ko^ini n! Oefendeut« 8u^c.ki » Hlilano »ul »ttil'mriato «lß-Ua siourr» isrnnt.» xvvoture tli VorquLto **)*Zur Geschichte der Italienischen Poesie. Lon Leopold Ranke. Gelesen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 4 Perlin, 1837 zirl, die Aristotelischen Einheiten in die Poesie eingeführt und zum ersten Male den romantischen Stoff klassischen Gesetzen unterworfen zu haben. Tasso repräsenlirl die vollendete Form der Ilaliänischen Poesie; er hat ihr jenen modern-klassischen Stempel aufgedrückt, der zuerst in Spanien nachgeahmt, später aber in Frankreich durch das Jahrhundert Ludwig s XIV. zum allgemeinen Europäischen Gesetz erhoben worden ist. Hören wir nun, was Herr Ranke über das Schicksal Torquato Taffo's am Hofe von Ferrara sagt. Es wird uns damit ein tiefer Einblick in das Eemüthsleben des Dichters gewährt, und wir werden dadurch auf die Entscheidung der obschwebcnden Frage vorbereitet, sie möge nun ausfallen, wie sie wolle. — S. 77 der vorliegenden Ab handlung heißt cs: „Jedermann kennt das unglückliche Schicksal Taffo's im Allgemeinen. Bei weitem weniger bekamst sind die inneren Motive desselben, die zu gleich mit der universale» Verwandlung des Zeitgeistes Zusammenhängen. Denn an jene Erzählung von einem Verhältniß des Dichters zu der Prinzessin Leonore von Ferrara, die zuerst ein gewisser Brusoni, ein an erkannt fabelhafter Autor in der Mitte des 17ten Jahrhunderts, in Umlauf brachte, ist nun zuvörderst gar nicht zu glauben. Vor mehreren Jahren hat die 1-arretta sii WI;>no einen Fund angekündigt, den man in der Casa Falconieri zu Rom gemacht habe; da sevcn die Originale der Briefe und Sonette versteckt gewesen, die zwischen Beiden gewechselt worden, um deren willen Alfonso II. den Dichter gefangen gesetzt habe. Gleich als würde Ler Fürst, nachdem er sich der Person versichert, nicht auch die Papiere an sich genommen haben: er, der sogar das unschul dige Gedicht der 6i!ru8alemmo lange Zeit nicht herausgeben wollte. Gewiß ist hier irgend eine Mvstification im Spiele. Man braucht in der Thal nur die Briese Taffo's im Zusammen hänge zu lesen, um sich von dem Ungrund dieser Fabcl zu überzeugen. Tausend Mal erörtert Taffo in denselben sein Unglück: in der Hef tigkeit seiner Leidenschaft verschweigt er nichts, was er weiß, was zu seiner Entschuldigung dienen kann; jedoch von einem Verhältniß dieser Art, das ja doch nicht unchrenvoll für ihn war, findet sich nicht die leiseste Spur, nicht die entfernteste Andeutung. Er hat dieser Prin zessin einige Sonette gewidmet, in denen er sagt, er würde noch zu anderen Gefühlen gegen sie erweckt worden sehn, wenn ihn nicht ihr Rang zurückhielle; allein das ist eben nur eine poetische Forniel; ihrer Schwesier Lucrezia trägt er ganz andere Schmeicheleien mit dem Aus druck persönlicher Leidenschaft vor. Leonora war sehr zurückgezogen, männlich, gefiel sich in einer stoischen Gleichgültigkeit; sie galt für eine Heilige; man schrieb cs z. B. ihren Gebeten zu, daß Ferrara von einem Erdbeben, welche« eintrat, nicht härter mitgenommen wurde. Bon einer schwachsinnigen Hinneigung zu einem jungen phantastischen Poeten war die ernste, stille, vernünftige Fürstin weit entfernt. Auch könnte man eher sagen, daß Taffo ihrem Andenken Gleichgültigkeit bewiesen habe. Als sie gestorben war, wurde sie von Allem, was in Ferrara Verse mackte, besungen; Tasso allein, der doch auch da war und sonst jedes Gefühl in ein Madrigal, cin Sonett gießt, schwieg still; er hat sie niemals wieder erwähnt. Weil andere Dinge waren c«, die den armen Tasso bedrängten und in innerer Gährung herumwarsen. Einmal seine Lage am Hof in Ferrara überhaupt. Die Ilaliänischen Literalen pfleglen, wenn da« Glück sie nichl besonders bedacht hatte, sich irgend einem Großen, einem Fürsten, einem Kardinal, einem reichen Edelmann anzuschlleßen und in dessen Hause, ohne bestimmte Bedienung, zu verweilen, bis Glück oder Verdienst ihnen bei diesem ihrem Herr» eine einigermaßen sichere Stellung verschafften. So stand auch Taff» anfangs bei dem Kardinal Este, dann bei dem Herzog von Ferrara: und auf die« persönliche Verhältniß gründete er die Hoffnungen für seine Zukunft. Zn seinem Gedicht halte er nach dem Muster seiner Ferraresischen Vorgänger da« Haus Este aufs neue verherrlicht; er zweifelte nicht, daß diese Beflissenheit und das Verdienst seines Werke« ibn auf eine höhere Stufe, in eine bequemere, angemessenere Lage be fördern würden. Hoffnungen aber, auf Hofgunst gegründet, sind zu allen Zeiten trügerisch gewesen; auch Tasso wurde hingehalten, nicht besriedigl. Zn dieser Zeit geschah nun, daß er einen Antrag erhielt, in Lie Dienste de« Hauses Medici zu treten. In der Stimmung, in der er war, ließ er sich bewegen, darauf einzugeben. Hätte er es nun wenigstens auch sogleich ausgesübrt! Da er sich aber doch nicht völlig entschließen konnte, gcrieth er in eine unbesiimnne, schwankende und höchst unbequeme Stellung. Schon mit sich selber ward er uneins. Indem er in Ferrara daraus anlrug, daß man ihn zum Geschicht schreiber des Hauses ernennen möge, gelobte er seinen Floreniinischen Freunden, dies Amt nicht anzunebmen, um nicht von dem Hause Medici