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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- Preis 22) Sgr. (; Tbtr.) rierreli-ihrlich, 3 Tdlr. sür das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man orönumerirt aus dieses Beitlatt der Litz. Pr. S-aoi«. Aeiiung in Berlin in der Eroedition (Mohren-Slras, Nr. 34); in der Prooin.; s» Ivie ini AuSlande hei den Wohllöbl. Poll-Aenuern Literatur des Auslandes. «W' 141. Berlin, Freitag den 24. November 1837. England. Von der Aristokratie Les gesellschaftlichen Lebens in England. (Nach der Kerne vritt.) Nur, wenige Monate sind seil dem Tode Wilhclm's lV. verflossen, und die dosen Ahnungen, die Befürchtungen und Zweifel, welche sich unmittelbar nach diesem folgereichcn Ercigniß kund gaben, sind fried lichen Erwartungen, gewohnter Ordnung lind altem Vertrauen gewichen. Eine Jungfrau, dem Kindesalter näher, hat unter der Aegide unserer Verfassung dir Zügel des Reiches ergriffen, und alle Stürme, welche übelgesinnte Wetterpropheten mit bedenklichem Kopsschütteln als dem Ausbruche nahe verkündigten, scheinen bei dem bloßen Hervorlrcten dieser gewinnenden Unschuld beschworen zu seyn. Die Fabriken keiner Arbeiter bedürftig, ter Handel in Verfall,-die Nation in Zwiespalt, Irland im Ausstande, der Klerus ohne Einfluß, Rußland in drohender Stellung, das ^Parlament aufgelöst und ein Mädchen, an der Spitze der Verwaltung, konnte irgend ein Zeitpunkt bedenklicher sevn? Um so merkwürdiger ist es, daß trotz des so übergroßen Zündstoffes Alles mit Ordnung hergeht, als wenn in den Verhältnissen sich nichts geändert batte; Handel und Gewerbe nehmen ihren alten Gang, die Ruhe ist wiedcrgclehrt, die Wahlen erleiden keine Störung, die Nation blickt mit Vertrauen in die Zukunft, und England verfolgt keck und frei die Bahnen, die cS sich gesteckt hat. Ist es Zufall, weise Berechnung der möglichen Ereignisse odep die Umstände schlau benutzende Gewandtheit der Verwaltung, der England diese glückliche Wendung der Dinge ver dankt? Nichts von dein; die Weisheit unserer Gesetze, die Unge- schwächtheit ihres Einflusses, die Ehrfurcht, deren sie bei der Nation genießen, habe» einzig und allein den Sieg der Ordnung und Ruhe in England hervorgerufen. Fern scv die Behauptung, daß unsere Ver fassung keine Mängel habe, keiner Verbesserung fähig seh; aber sie zeigt gerade in solchen Zeilen sich minder unvollkommen, als die anderer constilulionnellcr Staaten, nnd dieser Umstand sollte den Freunden der Reform mehr Schonung für das Bestehende auslegen. Jedes Menschenwerk wandelt und verfällt mit der Zeit; was die vorhergehenden Geschlechter als ersprießlich emsetzten, können die folgen den als nachtheilig ausheben, und cs sollte ausfallend erscheinen, wenn unsere Verfassung, wie sehr sie auch England im Lause mehrerer Jahr hunderte ruhmvoll nach außen und glücklich im Innern machte, Aende- runqcn, Verbesserungen, Reformen bedürfte? Wo gicbt cs größcrc Veränderungen als die ll.ahess-corzins-Akte und die Üill nk kizlits? Das siebzehnte Jahrhundert gab ihnen die Entstehung, und das ncun- zcbnlc, wenn es dasselbe Bedürsniß nach Veränderungen fühlte, sollte nicht dasselbe Recht auf Vervollkommnung wie seine Vorgänger besitzen ? Es ist keinem Menschen die Noth wen digkeit der Reformen zu leug nen cingesallen, und ohne Zweifel würden alle Wünsche, welche das Land hat, allmälig erfüllt worden sehn, wenn nicht eine Partei sich er hoben hätte, die, ungestüm eine Radikal-Reform verlangend, unter Lem Vorwande wieder auszubauen, aus die Zerstörung des Bestehenden ausgegangen wäre. Von dem Atigenblick, wo das Prinzip de« Radikalis mus als reformirendc Gewalt ancrkannt wird, ist cs unmöglich voraus zusehen, wo die Reform stehen bleiben werde, und nur die Furcht vor einem solchen System hat der konservativen Opposition ein so bedeuten des Uebcrgewicht gegeben. Wer wollte bestreiten, daß in der Einrich tung des Oberhauses, in den Wahlen der Mitglieder des Unterhauses, in der Stellung beider Häuser zu einander und zur Nation, in der Art ihrer parlamentarischen Verhandlungen, sich viele Eigcnlhümlichkciicn sinden, die beim ersten Anblick großer Verbesserungen nicht bloß fähig, sondern ungesäumt bedürftig scheinen, die man aber bei näherer Betrach tung, trotz ihrer anscheinenden Mängel, für die größere Haltbarkeit de« ganzen Gebäude« nolhwcndig finden wird. Zwar verunzieren sie es, aber sie gleichen dcn eisernen Haken, welche man selbst de» schönsten Bauwerken, um ihnen größere Dauer zu verbürgen, einzufügen nicht Scheu trägt und mit Emblemen mancherlei Ari verdeckt, um sie dem Auge zu entziehen. Werfen wir einen prüfenden Blick auf das Gebäude unsere« gesell- fchastlichen Verkehrs, nach seinen verschiedenen Stockwerken, so wird diese Uebcrsicht uns mehr als cun Veranlassung geben, mancherlei irrige Ansichten ausländischer Publizisten und selbst einheimischer politischer Schriftsteller aufzudecken. Der erste unter ihnen, Montesquieu, fand iu der Schilderung, die er von der Verfassung Englands entwarf, ihre Vorzüglichkeit ausschließlich in dem Gleichgewicht der Kräfte, ohne zu überlegen, daß, welche Vorsicht man auch anwende, das Gleichgewicht bald aufhören muß, wenn da« Volk nicht zu dessen Erhaltung beiträgt durch Achtung vor den verschiedenen Kräfte», nicht lediglich in ihrer Eigenschaft als Staaiskrästc, sondern auch in der besonderen Stellung einer jeden gegen die beiden anderen. So lange diese Achtung Bestand bat, wird unsere Verfassung gewiß die schönste, beste nnd dauerhafteste von der Well seyn, weil sie dem Bürger die unbeschränkteste und meiste Freiheit gewährt, welche der Mensch in der Gesellschaft genießen kann; wäre aber diese Achtung nie vorhanden gewesen, oder ginge sie zu Grunde, so wäre das.vorgebliche Gleichgewicht der Kräfte eine Täuschung und fiele vor dem Machlgcbot eines Soldatcnrcgimems oder dem Zcr- störungSruf eines Volks-Aufstandes. Vergeblich sucht man in England die g-.änzcnlose Verehrung, die fast abgöttische Anbetung dc« Monarchen, wie sie ehemals in Frankreich gefunden wurde. Dazu ist der Engländer zu stolz, zu rcpublikanitch; al« Mensch glaubt er sich nicht geringer als sein König, aber nichts gleicht der liefen Ehrfurcht, ja Demülhigung, mit der er von der Souvcrainclät seines Königs in uhslruolu spricht. Soll z. B. gesagt werden, daß der König einer Feierlichkeit bcigcwohnt, daß die'Gegen wart des Monarchen zur Erhöhung ihres Glanzes bcigelragen half so wird der Engländer unser „Monarch" weder durch dasselbe auch im Englischen übliche ,,ÜIonmch", noch durch Ivmx oder 8nvoi-oizu. selbst nicht einmal durch das gewöhnliche „siis wissest)'", (Seine Majestät) ausdrückcn, sondern durch ülujesl)- schlechtweg, also ,.tüo lü-oseneo ns Rasest/', indem er nicht der Person des Königs den Tilcl „Majestät" giebt, sondern die Königliche Majestät in dem In dividuum, da« gegenwärtig damit bekleidet "ist, pcrsonifizirt darstclli. Im Allgemeinen wundert man sich darüber, daß der Engländer, der ans seine Freiheit so stolz ist, sich vor dcn PairS auffallend unter würfig zeigt, vergißt aber dabei, daß, wenn er nicht vor dcn Pairs wie beim Königlhumc individuell, d. h. für die Pairschaft, die in In dividuen versonifizirt ist, diese Ehrfurcht besäße, das Oberbaus, dessen Glieder Pairs sind, außer Stande seyn würde, in dem ihnen ange wiesenen Range die Pflichten, zu denen es berufen ist, genügend zu erfüllen. So hoch auch das Haus der Gemeinen verehrt wird, so ist aus demselben Grunde ein jede« seiner Mitglieder nur nach den Talenten, die c« entfallet, oder nach dem Grade seines persönlichen Einflusses, dessen es sich erfreut, al« Individuum geachlel. Dies ist sür die Be hauptung des Gleichgewichts und die Erreichung des Zieles, das den SlaatSkräslen von der Verfassung zugcdachl istf durchaus nolhwcndig. Unmöglich hätte aber das von Montesquieu so gerühmte Gleichgewicht der Kräfte noch ferneren Bestand, wenn eine Radikalrcsorm cs dabin brächte, daß der König bloß als höchste obrigkeitliche Person betrachtet, die Pairs jede« anderen Einflusses al« des ihrer Rcichlhümcr vcraudr und als natürliche Folge dieser Vorgänge die Mitglieder des Unterhau ses außer der ursprünglichen Würde, aus die sic rechtmäßigen Anspruch haben, noch mit dem neuen Zuwach« derselben, welcher ihnen von der Schmälerung der Königs- und PairSmachl znflöffe, bekleidet werden sollten. Ein Blick auf die Ereignisse anderer Naüoncn des Kontinent«, z. B. der Franzosen, die mit Einsetzung eines Königs und zweier Kam mern sich eine der Englischen ähnliche Verfassung gegeben zu haben mein ten, reicht hin, um uns über einen solchen Sieg des Radikalismus gc- »ügcnden Aufschluß zu geben. Als Ludwig XVIII. den Thron bestieg, sah cr sich berufen, über ein Land zu herrschen, da« seil 120 Jahren alle Regierungssormen durchgemacht halte, ohne eine ausschließlich zu behaupten. Constilu-- tionnelle Monarchie, Anarchie, drei oder vier verschiedene Arten republi kanischer Verfassungen, despotisches Soldalenregimcnl, wechselten mit cinander in Frankreich ab und halten keinen anderen Erfolg, als daß sic das Geleise nalionalcn DcnkcnS und Handeln«, da« geschichtliche Leben und Weben der Nation verwischten, ohne ein anders« an dessen Stelle zu setzen. Denn alle diese Regierungen währten zu kurz, um die Masse des Volkes uneingeschränkt republikanisch zu machen oder sie gänzlich unter das Joch des DcSpoliSmuS zu beugen. Frank reich befand sich in solcher Verfassung und Ludwig in einer schwierigen Lage. Er konnlc weder die alte Rcozicrung des Landes wieder hervor- suchen, noch die Herrscherweise Napoleon'« forlsetzcn, und sollte dennoch regieren. So kam der König auf den Gedanken, dem Reiche eine neue Verfassung nach dem Muster der Englischen zu geben, und schuf eine constilutionnelle Monarchie mit zwei gesetzgebenden Kammern. Dies stand ihm ohne Einschränkung frei, dazu war er vollkommen bercchligt; über sein Vermögen jedoch ging cs, drm Volke Ehrfurcht sür die neuen Gesetze cinzuflößen, und da« Ganze blieb ein papicrcncs Machwerk, dem alle Kraft und alles Lcben abging. Zur Fcit der Restauration trug ein Theil des Französischen Volkes