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552 Riffe der Mauern sah man in das Innere der verlassenen Häuser, furchtbare Schlupfwinkel, wv Räuber in Sicherheit ihrem Opfcr aus- laucrn konnten. Wir gingen schweigend und rasch vorwärts, bis wir etwa sunszig Schrill vor uns einen brennenden Cigarro an die Erde fallen sahen. Bald darauf traten uns zwei lange und finstere Gestalten in den Weg; es waren baumstarke Kerle in zerlumpter Kleidung. Beide erhoben ihre varas-zmos °); Jeder von ihnen Halle seinen Mann aus gesucht. Ich sah das todbringende Instrument Uber meinem Haupte schwingen: ich lhat einen Seilensprung, der Hut fiel mir vom Kopfe, und das vara-pan fuhr an die Erde. In demselben Augenblick fiel mein Beglciler mit einem lauien Schrei zu Boden; ich glaubte ihn lobt. Mein Gegner starrte mir mit dämonisch blitzenden Augen ins Gesicht und schlug bann, vor Wuth schäumend, ein zweites Wal nach mir. Ich entsprang ihm von neuem und rannte fort, indem ich aus Leibeskräften um Hulse schrie. Eine Zeitlang Härte ich Einen hinter mir herlaufen; dann wurde cS wieder still in der ganzen Gegend. Ich war mit dem Verluste meines Huies davongekonnncn. Das Landhaus, wo wir diesen Tag zuzcbracht hallen, war clwa vierhundert Schritte entfernt; ich kam aihemlos an und erzählte meinem Wirth, was sich zugeiragen. Sogleich schickte man bewaffnete Diener mit Fackeln, die meinen Freund aufsu- chcn sollten; sie fanden ihn mit blutigem Gesicht auf einem Acker. Die Räuber hatten ibn geknebelt und ihm Alles genommen, was er bei sich trug; er verdankte cs nur dem Schrecken, der sich bei Annäherung des bewaffneten Trupps ihrer bcmeisterle, daß sie ihm seine Kleider ließen. Wir machten sofort dem Richler des Bezirks von der Unlhat Anzeige, und diesem gelang cs, die Spitzbuben zu entdecken. Obgleich aber diese Kerle keincswcgcs Neulinge in ihrem Gewerbe waren, so lhat man ihnen doch kein Leid an; der außerordentlich gewisseichafte Richter er klärte das Verbrechen — für unbewiesen!. Schon acht Tage darauf übcrfielen die nämlichen Kerle, in dersel ben Gegend, um II Uhr Vormittags, zwei Engländer von meiner Be kanntschaft, denen man aber glücklicher Weise zu rechter Zeit Hälfe brachte. Bei dieser Gelegenheit wurde mein Hut wiedergcfundcn: der Spitzbube, der sich ihn zugecignct, balle ib» während des Kampfes vom Kopfe verloren. Erst drei Monate später ertappte die Polizei die beiden Vagabunden in stageantv änliolo, und nun wurden sic zur Deportation verurtbeili. So gebt cs in dem Weichbilde ckkcr Hauptstadt her. In der Pro vinz haben die Räuber ein noch ungleich freieres Spiel; da treiben sie ihr Gewerbe im Großen. Die Mitglieder der Bande versammeln sich an bestimmten Tagen; cs sind Bauern, Tagelöhner, Handwerker, Bürger. Ist ein solcher Haufe organisier, so beißt er eine Guerilla und liefert den Soldaten, die gegen'ihn abgeschickt werden, regelmäßige Schlachten. Die Gucrilla's plündern vereinzelt stehende Gehöfte und machen oft räuberische Einfälle in Flecken und Dörfer. In Lumiarcs sah man eines Tages einen zahlreichen Trupp bewaffneter Männer zu Fuß und zu Pferde cinrücken; mitten linier ihnen befanden sich sechs als Ma gistrats-Personen gekleidete Männer, deren würdiges Aeußere Respekt cinflößle. Der Trupp marschirtc gerades Weges auf die Behausung eines reichen Geistlichen los; an alle Ausgänge pflanzte man Wachen, und die Pforte öffnete sich vor den Magistrats-Personen, die im Namen des Gesetze« fern nnme cka 1«)°) Eintritt verlangten. Einige Bewaffnete folgten ihnen. Der Pfarrer und alle Hausbewohner wurden geknebelt und gefesselt; nur seine alte Muller ließ man frei und fcssellos; dafür mnßle sie aber den unwillkommenen Gästen die Schränke und Spinden öffnen, i» welchen das Geld und die Kostbar keiten steckten. Die Räuber packten gemächlich ein, was ihnen de« MitnebmenS wcrlb schic», und zogen dann im Angesichte der Einwohner ab, wie sic gekommen waren. Jedermann hielt sie für Agenten der Obrigkeit, und keine Seele vertrat ihnen den Weg. Die Urheber dieses kecken Handstreichs blieben unbekannt. Diejenigen Räuber, die an den Landstraßen im Versteck liegen, sind größtentbcil« vcrlarvt. Wenn sie einen Vorübergehenden bemerken, stürzen sie hervor, lhun ein paar Flintenschüsse in die Luft und schreien: a torra! (an die Erde!) Der Kutscher oder Fuhrmann springt so gleich von seinem Sitz herunter und legt sich platt an den Boden; die Passagiere mässen es eben so machen und dürfen sich dabei nicht ein mal Umsehen; nur unter dieser Bedingung schont man ihre« Lebens. Immer bat Einer von drr Bande ein scharfe« Augenmerk aus die Be wegungen der Reisenden, während die Ucbrigcn mit der Plünderung des Wagens beschäftigt sind. Nur selten wird die Justiz dieser Räuber habhaft, und es ist so gar gefährlich, sic anzuzriqen. Einer meiner Landslculc war in der Nähe der Hauptstadt von sieben berittenen Männern rein ausgcpländcrt worden. Ein paar Wochen später begegnete er Zweien dieser Herren auf der Praha do Commcrcio; sie trugen seine besten Kleider. Aber der Anblick de« Manne«, dem sie so übel milgespielt batten, brachte sie keinen Augenblick aus der Fassung; sie grüßten ihn, wie alle Bekannle, mit einem recht anmutbigen Lächeln. Gewiß wär' c« meinem Freunde ein Leichtes gewesen, die Kerle ausknäpsen zu lassen; allein dann setzte er sich der Rache ihrer Kameraden au«, die ihn unfehlbar bei erster Gelegenheit an einer abgelegenen Stelle erdolcht hätten. Der Portugiesische Räuber lödlet in dcr Regel nur den, der ihm Widerstand leistct; zuweilen verfährt er aber dabei mit studirlcr, wahr haft empörender Grausamkeit. Ein reicher Goldarbeiter von Nazarctb halte mit seinem Bedienten die Reise nach Lissabon angetrelcn; cr führte Juwelen mit sich, deren Wcrth einige tausend Thaler betrug. ') ES sind die« mit Elsen beschlagene Stöcke von süns Fuß Länge; Spanttch r»r»p-to». Drei oder vier Tage darauf kam das Maultbicr dieses Mannes allein in seine Wohnung zurück, und man schloß daraus, daß k ermordet scv. Nach langer Nachforschung fand man endlich die Leichname de« Herrn und seines Bedienten im 'tiefsten Walde; Beide waren zusammen an einen Baum gebunden, aber ganz ohne Spuren äußerer Verletzung. Die Unglücklichen mußten den Hungertod gestorben scvn. Besonder« häufig ist dcr Straßenraub zwischen Lissabon uud Porto. Reisende, welche von der einen Stadt zur anderen wollen, bilden Ka rawanen von 100 bis 150 Personen und begeben sich in den Schutz der Estafela. Diese Estaseta ist eine Unternehmung gewisser Privat leute, die den Transport der Waarcn durch Maullhierc besorgen. Ob schon die Zahl dcr Fuhrleute bei dieser Art von Post nicht bedeutend ist, so wird sic doch niemals angegriffen. Man glaubt allgemein, die Unternehmer zahlen den Spitzbuben einen jährlichen Tribut; mir will es aber bcdunkcn, als wären die Räubcr selbst die Entrepreneur«; denn sie können ja das Publikum nicht sicherer berauben, al« unter dem Schallen dcr Königlichen Fahne, die immer dcm Zuge vorgelragen wird. Da die Esiafcla für alle Waarcn, die man ihr anverlraul^ verant wortlich ist, so läßt sie sich ungeheure Transport. Kosten bezahlen; si- stellt ihren Tarif nach dem mulhmaßlichcn Risiko, das aber in der Thar nur für den vorhanden ist, der ihr Palronal zu erkaufen verabsäumt. Die Frechheit der Portugiesischen Räuber hat kaum ihre« gleichen. Wer wäre wohl im Stande, zu crralbcn, wo sie die geraubten Gegen stände von Wenh aufbewahrcn k Sic selbst behalte» nichts bei sich; auch haben sie weder Hehler von Gewerbe, noch Pfandleiher, die ihre Beute als Depositum annähmcn. Es gicbt einen viel sicherer» Ort zum einstweili gen Unlerbringen des erbeuteten Gutes, und dieser Ort ist — das Gc- fängniß, in dem ihre Kameraden sitzen! Man bat nämlich wohl in ganz Europa keine schlechter organistrle Gefängnisse, als in Portugal. Lie Gefangenen leben meistens auf ihre eigcnrn Kosten, und nur wer blutarm ist oder Niemanden hat, dcr ihm von Zeit zu Zeil Speisen und andere Bedürfnisse bringt, erhält die sogenannte Suppe der Barmherzigkeit (svzm fla miverivoi <!!»). Ein Spitzbube, der nicht bloß auf eigene Faust sein Gewerbe getrieben, braucht in seinem Kerker nie Mangel zu leiden; er bleibt mit seinen Verwandten und Spießge sellen in täglichem Verkehr und nimm! bei solcher Gelegenheit auch Manche« in Verwahrung, was dcr Geber später wieder abholt, um anderweitig darüber zu verfügen. Ost ist das Wicderabbolen eines solchen Depositums überflüssig, weil der Kerkermeister sich zur Befriedigung aller Betheiligten ins Mit tel legt. »Hat man Euch ein Kleinod gestohlen, das Euch besonders tbcucr war, so wendet Euch nur an diesen würdigen Mann; cr wird es gewöhnlich bej seinen Klienten zu cntdeckm wissen und sich ein Vergnügen daraus machen, es Euch abzuliesern, vorausgesetzt,, daß Ihr den doppelten Werth des Gegenstandes bezahlet. Sein Mäkler-Lohn ist ihm gewiß; dcr Klient, welcher da« Kleinod bewahrt hat, darf sich auch einiger Dutzend Rei« geiröflcn, und nach Abzug der beiden Hono rare bleibt für den Deponenten (d. h. den Dieb oder Räuber) immer noch mehr übrig, als cr vielleicht aus dem Verkaufe des gestohlenen Gutes gelost hätte. (l-e I)rvit.) Mannigfaltiges. — Italiänischc Literatur im Jahre 1836. Numerisch sind die Leistungen der Italiänischcn Literatur noch immer sehr bedeutend, doch sicht man sich die Sache genauer an, so findet man eben nur Zahlen — non numoru!; sumu-i. Im vorigen Jahre sind nicht weniger als 3314 Bücher in Italiänischcr Sprache gedruckt worden. Diese ver- theilien sich auf die verschiedenen Staaten in sehr ungleichen Verhält nisse». Es erschienen nämlich: In der Lombardei (Mailand 822) 788 Im Vcnetianischen (Bcnedig 2S7) . . . . 843 Königreich Sardinien (Turin 211) 484 Hcrzögthum Parma (Parma 78) Hk - Modena (Modena 26) 34 « Lucca (Lucca 27) 27 Großberzogthum Toskana (Florenz 102) 161 Im Kirchenstaate (Rom IW) > . . 300 Königreich beider Sicilien (Neapel 260) 666 Im Auslande (hauptsächlich Lugano und Paris) . . 30 Zusammen 3314 Man ersteht hieraus, daß da« Lombardisch-Veneuanische Königreich die meiste literarische Thäligkcit entwickelt, wie es auch überhaupt wohl den übrigen Italiänischcn Staaten an äußerer und innerer Bildung über legen ist? Den wiffenschasttichen und bibiiograpbischcn Rubriken nach, vertheilten sich obigc Erscheinungen folgendermaßen. ES lieferten die Theologie 651 Schriften (worunter viele Gebetbücher, ascetische und liturgische Schriften, Predigten, Heiligcn-Vcrcbrungen jDivnriom vorsn fflnria Vergino allein 3Ij und andere Traktättein); die Jurisprudenz 180 (worunter 56 Kriminal-Prozeffc, die im Königreich beider Sicilien veröffentlicht wurden); Geographie, Geschichte, Archäologie und Mytho logie 462 (worunter 112 Lcbcnsbe-chrcibnngen verstorbener Privatper sonen); Philosophie 75; Kameralistik 72; Mathematik 61; Phvsik und Chemie 113; Mrdizin und Chirurgie WO (worunter 75 Znauqural- Disscrlalionen); Literaturgeschichte 30; Sprachwissenschaft 71; Poesie 435; Theater 112 (worunter 57 Operulenc); Roman» und Erzählun gen 113; Kupferstiche:c. 69 n. s. w. — Daß unter diesen Schriften eine große Anzahl von Nachdrucken und eine noch größere von Ucbersetzungen (namcnlltch ans dem Französischen und Englischen) sich befanden, braucht wohl ni vi erst noch besonders hinzugefügt zu werde». Herausgegeben von der Redaction der Allg. Preuß. Staat«-Zeitung. Rcdigirt von I. Lehmann. Gedrgcki bei A. W. Hahn.