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551 Nachdem Hers Trageant diesen Entschluß gefaßt/ traf er Anstalten, sei» Landhaus zu verlassen, als der Maire der Gemeinde ibn besuchte. Die Gemeinde forderte gewisse wichtige Privilegien an dem Eigenchum des Kandidaten zurück: cS waren dies lächerliche Ansprüche, über die das Gericht in erster Instanz schon entschieden hatte. Der Maire mel dete Hrn. Tragcant, daß der Munizipalralb zu appellircn gedachte. — „Meinethalben", antwortete Hr. Trageant, „ich werde vor dem Appell- hvs eben so gut wie vor dem Tribunal gewinnen, den» ich habe die Vernunft und das Recht auf meiner Seite." — Der Maire war ein gewandter Administrator; als er sah, daß der Eigcnthümcr in seinem Vertrauen und seiner Festigkeit unerschütterlich blieb, wandte er sich an den Kandidaten; er gab Hrn. Tragcant geschickt zu verstehen, daß die Gemeinde von 37 Wählern bewohnt sev, die für oder gegen ihn stim men würden, je nachdem er sich mehr oder minder nachgiebig zeigte. — „Aber", ries Hr. Trageant, „wenn ich Ihren Ansprüchen weiche, so ver liert mein Eigcnlbnm die Halste seines Werlhes!" — „Aber', antwor tete der Maire, „wenn Sie nicht nachgebcn, so verliert ihre Kandidatur 37 Stimmen, die Ihr Gegner gewinnen wird!" Zwei Journale slorincn in der Stadl N...., ein großes Jour nal, Las von dec Unlcrpräscktur unterstützt wurde, und ein kleineres ohne Patronat und ohne eigenihümliche Farbe, betitelt der 8olitairv ilu stozravtomont, mit der Aufschrift: „G'est ie «olitaire, >;ui v»it taut, enteilst tont, Löt ziurtout!" DaS ministerielle Journal war, wie sich von selbst versteht, für Len Kandidaten der Regierung; aber es war Hin. Tragcant daran ge legen, ,auch bei dem Sotilaire gut «»geschrieben zn sepn. Zum Unglück hätte Hr. Tragcanl zur Zeit der ersten Kandidatur dem Haupt-Redac- leur des Soliiairc ein Versprechen gemacht, das er nicht gehalten hatte. Er entschuldigte sich, so gut es ging, und verdoppelte seine Anerbietun gen. Der Journalist, der auf diese Zusammenkunft vorbereitet war, öffnete cin Karton und nahm einen Logen heraus, den er dem Kandi daten zeigte: „Hier haben Sie", sagte er, „einen Gescllschaftsverlrag. Wir stellen den Solitaire unter Artien, mit einem Kapital von 30,000 Franken sür zweihundert Acticn, das Stück zu 8V Thalern. Die Hülste Lieser Acticn ist schon weg, kaufe» Sie die andere Hälfte und unser Journal ist zu Ihren Diensten." — „Aber, lieber Herr, das macht ja >3 000 Franken. " — „Ich weiß wohl; sunfzehnlausend: da beißt cS: entweder, oder." Kaum war die Verlobung Herrn Trageant'S mit Frau von Nieu- ville in der Stadt N. offiziell bekannt, so bekam der künftige Gatte von neuem eine Menge anonymer Briefe, in welchen die schöne Witwe schrecklich mallrailirt wurde. Der Kandidat aber, entschlossen, zu siegen sder zu sallen, hatte sich mit einem unerschütterlichen Muth bewaffnet. Er kümmerte sich nicht um die Offenbarungen der geheimen Korrespon denz und bciralhetc Frau von Ricuville. Nun erst gewann seine Kandidatur eine gewisse Festigkeit. Die Wähler, die seiner Frau ergeben waren, und die, über welche der Cousin Aristide diSponiren konnte, traten auf seine Seite; die öffentlichen Beamten, die ihre Bcrhaltungsregcln von dem Unlerpräfeklen bekommen batten, verstärkten das Bataillon. Doch fehlte noch sehr viel zn einer sicheren Majorität, und Herr Trageant war gcnöthigt, zu größeren Mitteln die Zuflucht zu nehme». Man muß säen, um zu ärndlcn. Der Kandidat gab der Gemeinde, die ihren Prozeß gegen ihn verloren, gewonnen Spiel und kaufte die hundert Acticn des Solitaire. „Bleiben Sie auf so guten Wegen nicht sieben", sagte ihm der Doktor Forgeac. „Sic haben die Anhänger der Gewalt für sich, jetzt kokettsten Sie ein wenig mit den beiden Oppositionen. Gewinnen Sie sich die Leichtgläubigen und Einfältigen. Gehen Cie Sonntags die Messe hören, das wird einen guten Eindruck machen, und mehr als Ein Frommer, welcher doch weiß, daß der Kandidat der Kirche keine Aussicht bat, wird Ihnen seine Stimme geben, damit nur der Kandidat der rcvvlutionaircn Gottlosigkeit nicht triumphire. Ich glaube, die De putation ist schon eine Messe «erlh. Dann müssen Sie dem Bischof eine Visite machen; der Prälat ist ein guter Alter, durchaus nicht fa natisch und höchst tolerant. Er wird Ihnen sür Ihre Aufmerksamkeit Dank wissen. Um ibn vollends zn bestechen, dürfen Sie ihm nur sagen, daß Sie den Minister nm ein Gemälde für die Kathedrale ersucht, und daß dieses Gemälde so eben angckommen seh: dann werden Sic ihm jene schöne Kreuzabnahme schicken, die in Ihrem Kabinct hängt...." — „Was? cin Bild, das 6000 Franken kostet?" — „«000 Franken? Desto besser! der Bischof ist cin Kenner."' AIS man in der Stadl erfuhr, daß Herr Trageant sür die Kathe drale cin prächtiges Bild erwirkt,_ kam der Bibliothekar in, aller Eile gelaufen, dem Kandidaten eine Visite zu machen und ihn an 33 Briese zu erinnern, die cr ihm in der Absicht geschrieben, einige gute Werke für seine Bibliothek zu erlangen- Der Doktor Forgeac war gerade zu gegen und antwortcle rasch: „Mein geehrter Freund bat Sie nicht vergessen, gerade beute hat er einen Brief von dem Minister bekommen, Ler ihm drei Bücherkisten ankündigl: morgen müsse» wir sie bekommen. Ich hoffe, Here Bibliothekar, daß Sie allen Freunden der Literatur einen Kandidaten empfehlen werden, dec sich ihrer Interessen so lbätig annimmt." — Und als der Bibliothekar fort war, sprach der Doktor zu Herrn Tragcanl: „Das wird Ihnen 300 Bände Ihrer Bibliothek kosten: aber dafür haben Sie die Stimmen aller Gelehrten und aller Dichter des Kreises." Im Besitz der beiden Journale der Stadt, war Herr Tragcant vor den Angriffen der Presst- nach nicht geschützt. Man ließ cin hcs. tiges Pamphlet gegen ihn erscheinen. In dieser Schrift standen so viel Wahrheiten, das; Forgeac selbst bestürzt ward. Madame Trageant, Lie nicht geschont wurde, spie Feuer und Flammen. Man lachte ganz laut, und der Skandal ward gefährlich. „Sic müssen den Kerl packen", sagte der Doktor zu Herrn Tragcanl. „Was sübrcn Sic sür Waffen?" — „WaS meinen Eie denn?" — „Eje müsscn sich mit dem Versasscr dcs Pamphlets schlagen. Ihre Ehre und Ihre Kandidatur sind auf dem Spiel. Die Deputation ist schon eine» Degenstich wertb." Herr Tragcanl bekam eine Wunde in den Arm. „Sie sind verwundet, sagte der Doktor, das ist ja vortrefflich. Jetzt müsse» Sie Ihre Wunde zu Ihrem Bortheil benutzen. Ler Degenstich dcs Pamphletschreibers bringt Sie bei dcn jungen Leu ten Ler Sladt in Ansehen, und dadurch gewinnen wir wieder einige Stimmen der Opposition. Kommen Sie, wir wollen in dem Kaffee- Hause unserer Dandys eine Bowle Punsch trinken, und vergessen Sie nicht, sich einen guten Firniß von Liberalismus zu geben." Die Dandys zu N. ließen dem Hcrrn Trageant eine ausgezeichnete Ausnahme widerfahren; cr lud sic zu seiner Punschbowle ein, der meh rere andere folgten. Nach dem Punsch sprach man von einem Souper, Las der Kandidat seinen -junge» Freunden bereitet halte. Das Fest dauerle die ganze Nach!: man fraternisirle mil dem Glase in der Hand, und über dem Wein vergas; sich Herr Trageant, der Kandidat der Un- tcrpräfeklur, so weit, daß er cin anarchisch-republikanisches Glaubensbe kenntnis; ablcgtc. Dcn anderen Morgen lag Herr Trageant im Bell ganz krank Lon dcn Exceffen der Nacht; aber Lasur war er auch den anderen Morgen nicht mehr Kandidat, sondern Dcputirlcr, und hinter den Vorhängen, wo ihn Las Fieber fesselte, hatte er Muße, die Kosten seiner Wahl zu rekapituliren. „Das Ding ist zwar sehr ruhmvoll", sagte er, „aber auch kost, spielig genug. Zuerst habe ich einer Frau entsagen müssen, die ich liebte und die mich glücklich gemacht hätte, und eine Frau heirathcn müsscn, die ich nicht liebe, und die alles Mögliche lhun wird, um mich unglücklich zu machen. Ich habe einen Degenstich bekommen und meine Gesundheit vielleicht für immer zu Schande» gemacht, denn Forgeac spricht schon von einer bedenklichen Gastritis. Ich habe mein Vermöge» zu Grunde gerichtet und mich meines schönsten Bildes und meiner werthvvllsten Bücher beraubt; ich habe 13M»O Franken dem Solitaire in den Rachen geworfen und mein schönstes Befstzlhum um die Halste seines Werlhes gebracht; und endlich habe ich ungeheure Schulden ge macht, um Stimmen und HochzcilSgcschciike zu kaufen. Ist das nicht um bankerott zu werden?" „Ja", antwortete Forgeac, der ihn gehört hatte, „cs ist zum ban kerott werden; aber der Dcputirte wird schon Alles wieder cinbringen." Bibliographie. Aömoircs et siiWvrtRions sur les Kntnzuites nationales et etrsnAÜres.— Herausgegeben von dcr König!. Socicläk Ler Alter- thümcr in Frankreich. Slcue Folge. 3ter Theil. 7^ Fr. -Vlnege <Ies Lnti^uites nationales. — Bon A. L. Millin. Iste bis 4le Lief, mil 280 Kpfr». 23 Fr. laichen co inoteoroloxinue äes munka^nes et sie« sorets. — Bon Morel. Portugal. SicherheitS-Polizei in Portugal. In Lissabon nnd Porto besteht eine Art von Sicherheits-Polizei, die jedoch weder sehr thätig, noch sehr energisch ist, also auch nicht allzu viel Sicherheit gewährt. Die Provinzial-Städte und die Dörfer müssen sich selbst beschützen, so gnt sie können; dort ist der Einzelne und Wehrlbse ganz auf die Barmherzigkeit seines Feindes oder des Räubers angewiesen, dem nach seiner Börse und seinem Leben gelüstet. Die Obrigkeit läßt nur dann Bewaffnete auSrücken, wenn ei» Ort von einer ganzen Räuberbande bedroht wird. Man nennt solche Banden Mignelisten, aber gewiß mit großem Unrecht; die Politik Hal an ihren Exzessen selten oder niemals Antheil; gewöhnlich bezwecken sie nur Mord und Plünderung, und ihre vornehmste Triebfeder ist die Noth, bisweilen auch die Rache. In Ortschaften von geringem Umfang sind Lie einander kreuzenden Interessen immer in Bewegung: der Starke unterdrückt den Schwachen ungestraft; viel vermögende Feinde stellen sich Jeder an die Spitze eines ihm ergebenen größeren vdcc kleinere» Hausens, und so giebl es Duelle aus Tod und Leben zwischen Hunder. len. Nichl seilen trifft cs sich, daß SlandeSpersoncn in ihren Häusern angefallen und ermordet werden; und fast immer steckt alsdann cin Mann von hohem Range hinter den Mördern, von dem sie bezahlt und beschützt werden. Als Dom Miguel die Herrschaft über Portugal an sich riß, herrschte in Lissabon vollkommene Anarchie. Wer an Abenden aus abgelegene Straßen oder Spaziergänge sich wagte, dcr wurde von den Ziegen- birten (imhreiras), einem eben so armen als rohen Gesindel, das in dcn Umgebungen der Hauptstadt wohnt, überfallen nnd geplündert. Bald ging die Frechheit und Raubsucht dieser Kerle so weil, daß sie Lie Borübcrgehcndcn bei Hellem lichten Lage beraubten. Die Stadt war so gut wie im Belagerungs-Stande; man wagte sich nur in großen Karawanen und bis an die Zähne bewaffnet zum Thore hinaus. Eines Tages ging ich, um eine» meiner Freunde zn besuchen, der mit seiner Familie ein Landhaus aus dem Campo Lida bewohnte; dieses Landhaus siebt in einem der prachtvollsten Orangcn.Gärlc» »m Lissabon. ES war ein lieblicher Maitag; die Stunden entflohen unS rafch im Schalten der Maulbcer- und brcitästigen Nußbäume, und in der er- ftischcndcn Nähe eines Springquells, der aus cincm Marmor-Bassin cmporsprudeltc. Zwei Stunden nach Sonnen-Untergang machten wir unS auf den Rückweg in die Stadt. Die Nacht war schwül und finster; dickes Gewölk zog schwer und langsam dem Meere zu. Wir gingen zwischen verödeten nnd zertrümmerte» Landhäusern, Denkmalen des unseligen Bürgerkrieges. Da wurde mir auf einmal sehr unheim lich zn Mnthe. Mein Geführte nnd ich, wir waren Beide ohne Waffen; ich hatte nur cincn Sonnenschirm zu meinrr Bertheidigung. Durch die