Volltext Seite (XML)
Lomemii» erscheinen drei Nummern. Pränumeration». Prei» 22j Sgr. (z Tblc.) »iertchährtich, 3 Air. für das ganze Jahr, ohne Er- höbung, in allen Tkriten der vrcnüischen Monarchie. Magazin für die Mair xxgmtMen'ft «rs yreke* Rcidlau der Lüg. De Ttaaw- Zeitung in Berlin in dw Expedition (Mohren-Strafe Nr. 34); in der Pccvir; so wie im Ausland« bei den Wohlldbl. Post - Acnnecn.. Literatur des Auslandes. 136. Berlin, Montag den 13. November 1837. Frankreich. Schwester Beatrix. Eine Legende von CH. Notier. Noch vor zwei Deccnnien war jeder gebildete Franzose der festen Meinung, dass aller Reichlhum poetischen Stoffes einzig und allein in dem Schacht einiger gangbarer mythologischer Wörterbücher auzulieffen wäre, und die klassische Einseitigkeit ging so weit, tast ein seltener Name aus Lem gelehrten Phurniftus, eine Zabel, die sich nicht im Palacphalu- sand, oder eine anmuthigc Erzählung, die ihre Abkunft von dem Chaos und den Verwandlungen des Ooid nicht Nachweisen konnte, mit einem Worte, jedes dichterische Erzeugnis, das nicht die ständige und plalt- getreicne Heerstraße der Grieche»- und Römer-Poesie gebet, wollte, für eine Fehlgeburt der Unwissenheit und Barbarei verschrieen wurde. Halte man genug geredet und gedichtet von den Titancnkämpsen, den Schick salen des Phaiilon und Mclcager, den Labdaciden und Danaiden, von dem Hause des Pelops und AlreuS und anderen vcrrusencn Herrschcr- Familien, welche die lleberliesermtg des AllccthumS und die sklavische Lyra der Neueren nach dem Spruche des Schicksals dem Orkus znwies, so blieb keine andere Wahl übrig, als von vor» anjusangen, und die Schulen wurden nicht müde, diese schönen Mythen, welche inchl die geringste Nahrung für Verstand oder Gemach euthiellcn, aber mit dem süßen Wohllaut Hellenischer Rhythmen dem Ohre schmeichelten, mit be wundernswürdiger Geduld von neuem zu bestaunen und sich anzucigncu. Bald war cs die merkwürdige Geburt des Äionyso« aus der Hüfte des Göllervalers, bald des Tantalus Sohn, den die Götter anbcißen und mit elfenbeinernem Schulterblatt knriren, kann wieder Deukalion, der aus den Rtppc» seiner großen Mutier (der Erde), d. h. durch rückwärts geworfene Steine, ein neues Geschlecht',,>S Daftvn ruft, und tausend dergleichen ungereimte und ungenießbare Fabeln, deren lächerliche oder gar schmutzige und gotteslästerliche Einzclnhcitcn man kennen mußte, um nicht in den Augen der Gesellschaft für einen Idioten zu gelten.") Dafür gab cS aber auch Belohnungen und Prämien für das Kind, dessen Gcdächlniß glücklich genug war, die größtmögliche Zahl solcher klassischen Quisquilien ausjuuehmr», und der erste Geistliche seiner Parochic hielt, wen» ich mich dessen recht entsinne, die Sache für wich tig genug, ihr vns Siegel des priesterlichen Segens aufzndrücken. Und diese Abstumpfung und Erniedrigung aller Scclcnkräsle wagte es, sich den Namen der Erziehung beizulegeu! Die geistig'" Zniercffen der Völker halten indcß seit Jahrhunderten eine ganz andere Richtung genommen, als die, welche sich mit' den kindische» Mahrchen des Heidemhums absinde» ließen; die Sokraltfcht Ironie batte den hohlen Götze» der Mpthcnzeit den Todesstreich gege ben, Lucianische Sarkasmen sie in den Staub gestürzt. Ein neuer Glaube war cmporgctaucht, ernst, majestätisch, ergreifend, voll überirdischer Ge heimnisse und Hoffnungen des Jenseits z in das Mensckcnbcrz bauen sich Gefühle gesenkt, die dem Alttrtbum fremd waren: heiliger Glaubens- eiser, echte Gcistesfrcihcil, Liebe zu den Brudern, Mitleid und Ver söhnlichkeit des Christen. Eine Poesie, welche diesen Gefühlen entsprach, hatte sich mit erzeugt, hatte sich ihren selbstständige» Kreis von Ge- fchichte und Sage gebildet. Warum fand diese neue Quelle himmlischer Begeisterung und tiefster Errcgsamkeit keinen Eingang bei jenen Vers- künstlern, welche durch ihre Erzählungen aus der langweiligen Wirk lichkeit in das Land der Ideale versetzen wollen? Die einzig richtige Erklärung liegt in der fortschreitenden Abnahme jener heiligen Einfall, der die ersten christlichen Jahrhunderte ihre reinsten Genüsse verdankten und ohne welche cs keine wahre Poesie giebl. Den» das dichterische Leben einer Nation beruht auf zwei wesentlichen Elementen, dem unge färbte,1 Glaube» des Dichters an seine Erzählung und dem nicht minder feste» Glaube» des Hörers an den Inhalt des Vorgctragcncn. Wo dieses Vertrauen und die gegenseitige Sympathie der für einander organisirlcn Naturen fehlt, da ist die Poesie ein eitler Klang, armselige Kunst gedrechselten Sylbensalles, und das ist zugleich der Grund, warm» wir keine Poesie im einfältige» und ursprüngliche» Sinne des Wortes besitzen und noch lange nicht besitzen werden, wenn sie überhaupt je wiederkebrcn sollte. Man steht, daß der gelehrte Franzose tick wenig um die Resultate Deutscher Mnthensorschuna ackümmert oder ste absichtlich iqnorirr hat. Wie de», auch sei), die Schriften eines Ereuzer, Welker, Ottsr. Muller u. A. bürgen dafür, da» die Hellenischen Mnthen unter ihrer oft paradoxen Außen seite einen tieferen Gehalt und eine stnuvollere Verwandtschaft mit dem Orient dem Ohre dessen erschließen, der ste zu deuten versteht. Anmerk d ucb. Um aber einen schwache» Begriff von dieser Einsall zu bekommen, muß mall die alle,, Chroniken ehrlicher Mönche nachschlageu oder in einem abgelegenen Gcbirgsdörflcm an dem Heerde einer unverdorbenen Bauernfamillc seinen Platz wählen. Hier werden die erhebenden und herrlichen Uebcrlieferungcn, deren Gültigkeit zu bestreiten Niemanden beisällt, die sich, gleich einer allen Erbschaft, von einem Geschlecht aufs andere fortpstauzcu, wie das hochverehrte und untrügliche Work crr Greise sie giebl, mit Treue bewahrt. Fruchtlos bleiben die bespöttelnden Einwürfe einer unreifen, frivolen Aufklärern, welche, ohne etwas von Grund aus zu verstehen, dennoch keinen Glauben schenkt, weil sic die Geheimnisse des Uebcuratürlichcu mn ihrem Verstände lichten wente und den Zweifel gewann. Diese Laudlculc machen ihre Sagen zu keinem Gegenstände von Erörterungen: sic wehren dem Richtcrfpruch einer an- maßenden Vernunft und einer absprcchendcn Philosophie den Zugang, binden sich an keine Gränze alltäglicher Wahrscheinlichkeiten, selbst nicht an das Gebiet dec Möglichkeit; den» was jetzt nicht geschieht, meinen sic, konnlc gewiß ehemals geschehen, als die Welt in ihrer Jugend und Unschuld »och werih war der Wunder, die Goll für sie lhal, als die Engel und Heiligen unter die einfachen und reinen Erdenbürger, deren Leben zwischen Arbeit und frommen Werke» gctbeilr war, sich, ohne ihrer himmlische» Würde zu viel Abbruch zu ihn», mischen dursten. Diese Erzählungen bedürfen für sic auch keines weiteren Stempels ihrer Glaubwürdigkeit; es reicht das Zeugniß des Großvaters hi», der sie wieder von dem scinigen weiß, und so auswärts bis zu dem Ah», der Augenzeuge war, und in dieser Stammtafel ehrwürdiger Patriarchen, die in der Scheu vor Sünde ausgewachsen sind, hat es nicht einen gegeben, de» man der Lüge zeihen könnte. Freunde, die Ihr eine» Funken von dem göttlichen Leben, das dem Menschen am ersten Tage seiner Schöpfung zu Theil geworden, in reiner Brust bewahrt, die Ihr ein Herz für Glaube» und Liebe habt und in der allgemeinen Verzweiflung unfercs Geschlechts nickt an Euch und der Zukunst verzweifelt, Euch fordere ich zur Thcilnahme an de» genußreiche» Legende» ans, die das glückliche Leben verflossener Jahr hunderte, welche kein Wissen, aber Tugend hallen, uns ins Gcdächlniß zurückruscn; aber ohne Säumen, weil es noch beule ist, ehe die Ent wickelung, die einmal begonnen, ihre» reißenden Fortgang nimmt. Was Horaz vom leidliche» Tode sagt, das gilt jetzt von der Erziehung der Jugend, dem moralischen Tode alles geistigen Wachsthums, der mit unbarmherzigem Fuße selbst an die niedrigste Hültc pocht. Sckon dringen mil Macht alle Uebel, welche der durch die Presse unermeßlich erweiterte literarische Verkehr in feinem Gefolge Hal, in die entlegenste» Wohnungen alter Zucht und Schaam, und »sic lange wird cs währe», so bat die im Keime schon vergiftete Welt, welch? ans Licht sich rinat, den magnetifchen Pol einer Unioerfalsprache gefunden und ihre» Golr verloren. Drum, Freunde, ohne Säumen an cinc Diorthosis der Volks-Poesie, ehe dieselbe mil Sckaam ihrer Nacktheit inne wird und sich, wie Eva, als sie das Paradies verlor, mit einem Feigen blatt bekleidet. In den höchste» Theile» LcS Jura, aus seinem westliche» Abhänge, wurde man noch vor einem halbe» Jahrhundert einen Trümmerhaufen gewahr, der von dem Dasch» der Kirche und dcS Klosters Unserer Lieben Frauen zum blühe,iden Dornstrauch stummes Zeugniß gab. An dem Ausgang einer engen und lieft» Schlucht gclcgc» und vor den kalte» Nordwinden durch seine Lage geschützt, brachte dieser Punkt jährlich die seltenste» Blume» der Gegend hervor. Eine halbe Stunde davon, an der entgegengesetzten Seite, wird ma» rbensalls die Trümmer eines Herrubauscs ansichtig, das gleich dem Gotteshaus? in Verfall gcralhen ist. Da« Einzige, was man von ihm weiß, ist. daß es von einer durch Waffenrubm auSgczcichnclcn Familie bewohnt war, und daß der letzte feiner adlige» Besitzer bei der Eroberung des heiligen Grabes seinen Tod gesunde», ohne einen Slammhaltcr seines GcscklrchlS zu hinterlasse» Die trostlose Wilwc zog nicht weg vo» dem Hause der Trauer; der Rus ihrer Frömmigkeit verbreitete sich mit ihre» Wobl- tbaten in die Weile und erhielt sich in der Tradition dcS umwohnenden Volkes, das, obgleich cs alle andere Titel vergessen hat, sie noch jetzt die Heilige nennt. An einem jener späten Winlertagc. wo der blaue Himmel und kie milde Lust gleichsam die Vorfeier des Frühling« begebe», wandelte die Heilige, wie gewöhnlich ernsten Betrachtungen »achbängcnd, unter de» Bäume» der langen Schloß-Allee, deren Ende mit Dornen sträuchern umhegt war, und ibr Staune» schien nicht gering, als sie das Gebüsch in voller Blütbe fand. Sic bcschlcmiiglc ihre Schritte, um sich zu überzeugen, ob vielleicht der zurückgebliebene Schnee ihr da« Blendwerk bereite; aber ihr Gesicht Halle sic'nicht gkläuschl, daS Gc-