Volltext Seite (XML)
540 halle mindeste»« acht Ellen im Umfange und zwei Zug in der Dicke. Kaum waren wir angekomme», so drang uns ivr sügcr Dusl enlgegen. Die Ränder diese- kolossalen Gebäcks waren mil verschiedenen Figuren verzier!; unier anderen «ikannlc man die sprechende» Bilder der zwölf Apostel, aus Leig gesorwl. Judas besonder- machle mir viel Spass; Du erinnerst Dich wodl »och eines gewisse» Eielbulowski, liebe- Sa- Ivmchcheu, der mir für meine lrächlige Slule ei» kleines blinde- Pferd anbol und, mich umarmend, Goll zum Zeugen anricf, daß da- Liner ohne Fehler sch; gerade so, — zwei Wasserlropfen können sich nicht ähnlicher sehen — sah Juda« mil seinem roldgelbe» saffranfarbcnen Schnurrbarl au-. In der Mille befand sich Jesus Christus mit einer Fahne, und über ihm schwebie cm Engel, der, ohne daß man es merkte, an einem Draht befestigt war und seinen Flug gen Himmel zu nehmen schien; an» seinem Munde ginge» die Worte hervor: Ucsurrexit «icut stixit, allcluju! Die übrige» Torten stellten manchcilei andere Gegen stände dar. Sehr anstehend war sür mich da- Bad, ei» Kuchen von ganz besonderer Gestalt, der einen mit weißem Meld gefüllten Fischteich taistcllle, in welchem kleine Fnche und Nymphe» schwammen. Cupido spannle seinen Bogen; stau aber aus ihre Herzen zu zielen, zielle der Schelm, Goll verzeihe e- ihm, auf ihre schönen Augen, die sie züchlig brdccklen. Diese- Stück war mit der seltensten Lollendung gearbeitet." „Nach den üblichen Gebeten fing man an, von den Gotie-gaden zu genießen. Der große Feldherr ersuchte freundlichst, daß man ihm erlauben möchte, den Wirib zu machen, so gut er es verstände. Er aß von Allem ein klein wenig; vom Lieth kostete er, den Wei» aber lehiile er ab, indem er sagte: „„Es wäre uns besser gewesen, ihn nicht zu kennen; dies Getränk bat uns viel Schaden gcihan."" „Ler Kron-Feldherr reichte einem Jede» geweihte Eier, wobei er ohne Umstände mit Fräulein Agne- den Anfang machte, die rrröthend ihr Ei aß, nachdem sic bescheiden gedankt halte. Wir warteten alle ehrerbietigst, bis der Kron-Fcldheir uns erlauben würde, an die Tafel heranzuglhc». Er säunne auch nicht, zu uns zu sagen: „„Machen Sie doch von der Greßmulh des Hausverrn Gebrauch, meine Herren, aber mil Maß und Anstand."" Er selbst verneigle sich vor Fräulein Agnes, küßle sie auf die Esten und sagte zu ihr: „„Fräulein, vcr- schlcierl Eure Reize vor Sr. Majestät."" Dann empfahl er sich Allen und begab sich aufs Schloß zurück. Al- er fort war, fingen wir erst an, Uttscren Appetit zu stille»; der Meld und besonders die Torte auf der Mitte des Tisches empfanden die Wirkungen davon. Diese Riese»- torlr enthielt über funszig Pfund Käse, eben so viel Honig und andere Ingredienzien; ihr Geschmack war köstlich. Herr Snialvck, (Schnjaihzki) äß mit solchem Appetit, daß er beinahe erstickt wäre. Minen während des Festes wurden wir plötzlich durch die komischen Gebete ter kleinen Knaben unlerbrochcn, die Golt ihnen verzeiht; diese armen hungrige,i Kleinen hallen große Lust, sich in unsere Geschäfte zu mischen; auch gingen sie nicht leer aus; jeder von ihnen nahm rin gewaltiges Brod, über acht Pfund schwer, einen Tops Melh, ein Stück Bratwurst, eine halbe Elle lang, mit Senf zuberettel, und ein tüchtige- Stück gepfeffer- len Schinken, wie Goll es befiehlt, mil hinweg. Herr Kasimir OcicSki (Otschjäski) lachte wie ei» Besessener über ciiien kleinen Dummkopf, der sich, al- Pilatus verkleidet, eine» Barl von Flach- und lange Augen braue!, von Birkemiioos angellebl batte. Herr Miclecki (Mjälezki) ein Verwandler de- großen Feldherr», bettachlcle Fräulein Agnes, stall sich mil dem Geweihte» zu bcschäsligcii; es war, al- wollle er sie verschlingen." „W,r wcbnlen diesem Schmause mil der offene» Herzlichkeil unse rer Vorsabrc» bei. Jeder aß nach seinem Geschmack. Niemand sprach den Gelräiilc» über die Maßen zu; wir schieden mil ein,,» heilerc» Hallelnsab, schwangen uns aus- Pserd und ritten »ach dem Schloß, wo das Andenken an die Auferstehung unseres Heilande« allgemeine Freude verbreilcle. Alle Hosbeamle Sr. Majestät und andere vornehme Herren aßen und tranken zusammen in den untere» Gemächern des Schlosses, vermieden aber, eingedenk der Feier des Tages, jede Aus- schwcisung." Eine andere nicht minder naive und anziehende Beschreibung dieses uralten Polnischen Festmahle findet man in einem alt,» Kalender de« GroßbirzogthumS Pose», au- der Zeit Wladislaus IV. Der dortige Erzähler äußerl sich folgendermaßen über die Feicrlichkcil: „Der Wojcwode Sapieha (Sapjäha) veranstaltete zu Dereczpn (Därätschyn) ein überaus prächtiges Geweihtes, zu welchem sich eine große Menge Litbauischer und Polnischer Großen versammelten. Mit ten aus einer langen Tafel befand sich ein mit Pistazien und anderen Leckereien zubereitiic« Lamm, welches das u^nus I)ci vorstcllle, und über dem eine kleine Fahne angebracht war. Dieses töstliche Gericht war sür die Damen, die Senatoren, die höchsten Würdenträger der Krone und die Geistlichen bestimmt Aus der einen Seite sah man vier gewaltige Keiler, welche die vier Jahreszeiten vorstellten: jeder dieser Sb«r war mit Schweinefleisch, Schinken, Würsten und Spanser- keln gefüllt. Der Koch batte eine Probe von den, wunderbarsten Ta lent abgelegt, indem er diese ungeheuren Massen zu braten gewußt. Aus dec anderen Seile der Tafel waren zwölf gebralcnc Hirsche mit vergvldelen Geweiben der Gegenstand der größten Bewunderung; alle Arlen von Wildprcll, Hasen, Kaninchen, Rebhühnern, Auer hühnern und Fasanen, waren genommen worden, um tiefe Hirsche, welche die zwölf Monale de- Jahres vorstellten, damit zu füllen. Um diese ungeheuren Fleischmaffen herum standen gewalt ge Torten, die man nur »ach Klafter» messen konnte. Dieser Tone» waren zwciund- sunszig an der Zahl, den Wochen des Jahres entsprechend. Dazu kam noch ei» ganzer Wald von Samogilischen und Masurischen Küche»'), ») So nennt man noch heutzutage Saffrankuchen mit Rosinen und Mandeln. Herau-gegeben von der Redaction der Allg. Preuß. Slaats-Zeitung. sammtlich mil Rosinen, Mandeln uub anderem Naschwerk gefüllt. Hin ter diesen Verschanzungen besandcn sich dreihundcrlfüufundsrchzig Babe» (Napfkuchen), welche die Tage de« Jahre« bcdsuieten. Jede dieser Baben irug eine andere Inschrift, und mancher neugierige Gast be lustigte sich erst mil deren Linzifferuiig, ehe er daran dächte, seinen Appetit zu stillen. Getränke waren in gleicher Menge vorhanden. Zu erst kamen vier Karasfinen voll Weins aus der Zeit König Stephan'«, dann zwöls silberne Kannen mit Wein aus der Zeit des König Sigis mund; ferner zweiundfunfzig silberne Tönnchen mil Spanischem, Ita- liänischcm und Cvper-Wcin gefülll; weiterhin noch dreihuntcrlfünfund- scchzig Füßchen Unzar-Wein und endlich acht tausend siebenhnnderisech- zig Maaß Bresaschen Melh-, dieser sür die Dienerschaft de« Hause-; zusammen wieder die vier IähreSzeilen, die Monale, Wochen, Tage und zulctzl auch noch die Slnnden dr« Jahres bezeichnend." Auch in unseren Tagen wird das Geweihle noch gefeiert, aber im Verlauf ter Zeit und durch die Fortschritte der Civilisätion bat eS eine etwas andere Gestalt bekommen. Vergebens würde man jetzt ganze Hirsche und Eber auf der festlichen Täfel suchen. Indcß überall, wo sich Polen am ersten Osterlage befinde», wird man sie auch diese von ihren Vorfahren überkommene Sille gewissenhaft beobachte» sehen. Wie man sic in Spanien zur Zeit des Kaiserreichs das Osterfest mit der Feier des Geweihten begehen und selbst die Spanier durch ihre fromme Gesinnung erbauen sah, eben so feiern noch heutzutage die in Frank reich, England und Amerika zerstreuten Flüchtlinge den heiligen Tag durch eine Ccremonie, die gewissermaßen einen Theil ihrer Nationalität ausmacht. Die beiden obigen Gemälde sind in ihrer einfachcn und naiven Sprache ein treuer Ausdruck drs Geistes einer ritterlichen Zeit und ein lebendiges Bild von jenem orientalischen Prunk, der in dcn VolkSge- bräuchcn des alle» Polen« vorherrschte und sich so harmonisch mit dem Charakter seiner Einwohner verband, die in ihren Handlungen einfach und edel, in ihrem Temperament heiter und jovial und in ihren Ge sinnungen so gemüthlich waren. Mannigfaltiges. — Philosophie in Italien. Das Land de« Galilei, des Savonarola und des Vico hat sich zwar schon durch diese Namen seine» Platz in der Geschichte der ncuerrn Philosophie gesichert, gleich wohl Hal doch gerade diejenige Periode, in der sich die Philosophie erst zur Wissenschaft gestaltete, keinen ausgezeichneicn Kopf in Italien ge weckt. Es blieb ein stummer Zuschauer bei allen Umwälzungen, welche das Reich les abstrakten Gedanken« in Frankreich, England und Deutsch land erfuhr, und nur der angewandten Wissenschaft hat c« seine Galvani, Volta, Meloni, Plana u. A. geliefert. Jetzt scheiut cs jedoch einen Tbcil seiner Schuld abiragen zu wollen. Es schallt aus Italien ein Name herüber, der einen guten Klang durch ganz Europa zu bekommen verspricht Dieser Name ist RoSmini. Der Abbate Antonio Rosmini lebt und lehrt in Turin, wo er bereits im Jahre I8ZV seinen Kuovn 8»Ma, d. h. seinen „Neuen Versuch über den Ursprung der Ideen" bcräll-zugcben anfiug. In den bürgerlichen Unruhen jciie« und des folgenden Jahres konnte sich jedoch eine neue wissenschaftliche Erschei nung kaum bemerklich machen, und so blieb sie im Bereiche seines Lehrstuhle« und seiner Freunde. Gegenwärtig ist jedoch in Mailand eine zweite Auslage des I>unv» 8»Mo. und zwar in vier Bänden, erschiene,i. Der Versuch Hal sich Bahn zu machen gewußt und kündigt sich nunmehr zugleich al- dcn Vorläuscr einer „Psychologie", eine- „Systems der Moral", eines „NalurrcchtS" und einer neuen „Untersuchung über die Natur de- Schönen" an. Uns Deutschen wird Herr Rosmini wohl kaum etwa« noch nicht Gekanntes bringen, aber in Italien ist sein Buch mit Recht als die Morgcnröthe cincr neuen Sonne begrüßt worden, von der man eben sowohl Licht als Wärme erwartet. Sein IXuovo ist nicht« Andere«, al« die Wissen schaft de« Absoluten auf dem Standpunkte der Deutschen Philosophie. Die beiden ersten Bände geben eine historische Zusammenstellung alle« dcsscn, was bisher über diese Wissenschaft gedacht und geschrieben wor den; der dritte entwickelt des Verfassers eigenthümliche Theorie, und der vicrlc endlich führt zu neuen, aber für jetzt erst angedcutcten Schlußfolgerungc» au- dieser Theorie, so wie zu einer Bekämpfung Cousinschcr Prinzipicn und derjenigen einiger neuerer Deutschen Phi losophen. Herr Rosmini knüpft unmittelbar an Kant'- Kritik der reinen und dec praktischen Vernunft an und hat sich dadurch von selbst in eine gewisse Parallele oder Opposition zu den Nachfol gern Kant'- auf dem Gebiete der Deutschen Philosophie gestellt. Er will cs sich auch kcineSwegeS nehmen lassen, ein ganz neue« System gegründet zu haben, obwohl er nur mit dem Materiale weiter gebaut, da« ihm von Kant überliefert worden. Intuition, transcendcntale und empirüchc Erkeuntniß bilden zwar auch die Grundlagen seiner Lehre vom Ursprünge der Ideen, aber die Eintbeiluug und die Anwen dung, die er diesen Begriffen giebt, ist eine von der Kantischen Philo sophie allerdings sehr verschiedene, und so dürste e« wohl auch bald die Deutsche Kritik der Mühe wcrib finden, von dem neuen Wissen schafts-Apostel in Italien Notiz z» nehmen und ihn bei uns einzu- fübren. Riosmini selbst hat ganz kürzlich, als Erwiderung aus eine Schrift dc« Grafen Maminni, eine kleine Abhandlung herau-gegeben, die al« Leitfaden dazu dienen kann, nm mit den neueren Forschungen i» Italien bekannt zu werden. Sie führt de» Titel „Ueber die Er neuerung dcr Philosophie in Italien" (II stinnnvainentn etc.) und ist ebenfalls in Mailand bei Pogliaui erschienen. Redigirl von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.