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468 Einwohner. 24,88« 26,121 27,177 28,003 im Jahre 1822 1828 1834 1837 Dit Bevölkerung von Eens innerhalb der gegenwärtigen Sladt- mauern kann sich höchstens noch um KM) bis ISA) Seelen vermehren. Zwar können noch einige Häuser neu gebaut oder erhöht werden, aber es ist nicht wahrscheinlich, daß die städtische Bevölkerung jemals mehr als 30,006 Seelen betragen werde. Wa« jetzt vor sich gehl, ist die Bildung einer äußeren Stadl, deren politischer Einfluß, ja deren bloßes Daseyn unbezwcifcll einmal die Niederrcißung der Wälle der allen Stadt herbeisühren wird. Durch ein kürzlich erlassenes Gesetz ist zwar der gegenwärtige Umkreis der Stadt von neuem sanclioniri worden, aber das alte System wird gleichwohl durch die unbeschränkt gebliebene Zulassung »euer Ankömmlinge sorlwäheend untergrabe». Tausende von Einwohnern, die der fortschreitende Wohlstand unvermeidlich herbei- sührl, werden sich rings um die Stadt ansiedeln und dürften eines Tages, mit denen vereinigt, die im Kanton Genf die Befestigungen der Stadl nichl gern sehen und deren Interessen durch die gegenwärligen Einschränkungen verletzt werden, auch in den Beralhungcn der Republik de» Sieg davoulragen, und zwar um so eher, als cs in der Tbal sehr zwciselkasl erscheint, ob man eine Stadl vcrlhcidizcu kann und soll, wenn sie in riner anderen Stadl cingcschachicll ist. Das mit dem 30stcn d- M. zu Ende gehende Abonne ment wird Denjenigen in Erinnerung gebrächt, die in dem regelmäßigen Empfänge dieser Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen. Verhältnis der Zunahme. ISI 201 208 215 Mannigfaltiges. — Janin's neuester Roman. Der geistvolle Feuilletonist läßt sich von Zeit zu Zeil immer wieder verlocken, auch in einem größeren Werke vor dem Publikum zu erscheinen, wiewohl er in der Regel damit zu scheitern pflegt. Die Blitze und Witze, die zur reichen Ausstallung eines Journal-Artikels Krafl und Originalität genug besitzen, sind zur Erwärmung und Fesselung der Leser eines Romansj einer Darstellung des menschlichen Herzens und des Seelenlebens, niest ausreichend. Darin milerscheidtt sich ja eben der Humor vom bloßen Witz oder v.>g>rit, daß jener auch den frivoleren Seilen des Lebens den Ernst und die Bedculung abzugcwinum weiß, während dieser gerade das Heilige und den Ernst ins Frivole hcrabzieht. Jean Paul macht uns einen Sicbenkäs, einen Nikolaus Markgraf, zu unauslöschlichen, lieben Gestal ten; Janin dagegen kann uns selbst große historische Charaktere, wie Mirabeau oder Baruavc, durch seine witzig-krasse Darstellung für alle Zukunft verleiden. Darum aber verschwinden auch seine Romane eben lo rasch, als sie entstanden sind. Bon seinem „OIu'nnn sie dravvoee dessen pikante Borrede und Einleitung noch vor kurzem so viel von sich sprechen gemacht, ist jetzt schon nicht mehr die Rede, und sein „kodier Esel", sein „Baruavc", seine „Beichte" sind längst vergessen. Sei» neuestes Produkt dieser Art hrißt: „hin cnouc zinnr ch-ux amnnrs" (Ein Herz für zweierlei Liebe) und bewegt sich um ein Ec- schwisicrpaar ü I.iRiila-Christine. Zwei junge Mädchen sind eben so, wie die Siamesischen Zwillinge, körperlich mit einander vereinigt. Sie haben zweierlei vollkommen schöne Gestatten, aber nur Ein Herz; zweierlei Willen, zweierlei Wcltansichlen, aber doch nur Eine Zärllich- kcir, Ein Empfindungsvermögen, Herz und Verstand haben hier also Gelegenheit, in eine Kollision zu kommen, wie i» keinem anderen In dividuum, und diese Kollision hat Herr Janin wunderlich erdacht und benutzt. Beide lieben, Jede aber, nach ihrer besonderen Weise, die äußere Welt in sich auszunehmen, einen Anderen, und doch ist in ihrem gemeinsamen Herzen nur Raum und Empfindung für einen Einzige». Man bat Mühe, in diesen seltsamen Konflikt, in diese Unter scheidung zwischen Liebe und Zärtlichkeit sich bineinzufinden: aber gerade weil es unbegreiflich, unmöglich ist, macht es unserem Janin Vergnüge», diesen Konflikt mit seiner Eifersucht, sein-m Unglück und seinen Schmerzen, die am Ende nur durch den Tod der beide» Schwestern gesühnt und geheilt werden, recht Niederländisch auszuma- lcn. Cs ist auch darin das große Talent des Verfassers ganz unver kennbar, aber dies würde noch mehr an seinem Platze gewesen scvn, wenn er de» ganzen Stoff wieder zu einem Journal Artikel verarbeitet hätte; zu einem Romane, zu einem Kuustwcrke, war weder der Stoff noch das Talent ausreichend. — Goethe s Briefwechsel mit einem Kinde. Die neuesten Englilchen Blätter kündigen „l-nellre'« Dooresponrlonco »ich a clnlsi" als eine Erscheinung der nächsten Woche an, aber sic schütteln schon im Voraus den Kopf dazu- Die Uebcrsetzung ist in Berlin Veranstalter und gedruckt: sicht das nun nicht wie ausländische Waarc aus, die man aus den Englischen Markt bringen will, und noch dazu, um sie zu enorm hohen Preisen zu verkaufen? Zwei Bände find nämlich ange- kundigt, und diese sollen 30 Shilling slO Tbalcr) kosten, während drei äBanbe von Walter Scott, Bulwer oder Marrpat niemals mehr als 31 Shilling gekostet haben. Natürlich scheint das dem nachrcchncndcn Engländer etwas bedenklich. Er will sein Geld, sagt er, zur Bcrciche- rung des Anstandes nicht bcraeben. Zwar wird ihm crwiedert, daß der Ertrag zu einem Denkmale für Goethe bestimmt scv, aber wir habe» erst kürzlich bei Gelegenheit des Beethoven- und des Mozart.Dcnkmalcs gesehen, wie man ich England über solche Dinge denkt. Wir sürchts» daher auch, daß ^nolüo's ('nrrcspnnilonoo "'itü » nisilsi rin« schlechte Speculatian sehn wird, selbst wenn sich die Engländer für den Inhalt derselben mehr inkercssircn sollte», als es, allein Anschein nach, ter Fall sehn dürfte. Die verschiedenen Phasen, die diese Urbetsicht dardietet, finden in der Geschichte von Genf ihre nächste Erklärung. Im Jahre 1835 wurde die Stadt protestantisch und erklärte sie sich, auf alte Munizipalsceiheiien gestützt, als unabhängige Republik, indem sic die Autorität sowohl des Bisckose als des Herzogs von Savopcn nicht mehr anerkannte. Ihre Bevölkerung zählte damals nur 12—13,000 Scelcn, die sich io einem befestigten Umkreise.eingcschloffcn hallen, der zu jener Zeit zur S»t- wickelung des Eewerbfleißes vollkommen hinreichend war und der fast noch ganz so bis aus unsere Tage, ungeachlel sich die Bevölkerung seit dem mehr als verdoppelt bat, beibchaltcn worden ist. Die Anhänger des Katholizismus und der srüheren Behörde» wanderten zwar aus, sie wurden jedoch durch die von verschiedenen Ländern bereingekommenen Protestanten reichlich ersetzt. Ein ost scbc bluiigcr Krieg gegen den Herzog von Savopcn daueric mit kurzen Unterbrechungen achtundsechzig Jahre und brachte die junge Republik mehrere Mal a» den Rand des Verderbens. Enclavirl, wie sic im feindlichen Lanke sich befand, war sic einer unaufhörlichen Hungcrsnoth ausgesetzt, zu der sich von Zeil zu Zeil auch noch die Pest gesellte. Demnächst war auch der strenge Pro- lestanlismus jener Zeil den aus die Bedürsniffe des Lupus begründeten Gewerben nichl günstig; ja der Arbeil selbst nahm er dasjenige, was ihr den hauvtsäcklichsten Reiz verleibt, indem er die Genüsse unter- sagle, kie sich Jeder zu verschaffen wünscht. Aus allen diesen Gründen ist die Bevölkerung, ungeachtct des Zuflusses Französischer, Spanischer und Jlaliänischrr Protestanten, in anderthalb Jahrhunderten nur um 2000 Scelcn gewachsen. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß dieser Zuwachs erst gegen das Ende dcr Periode staltgesuudc» hat, nämlich nach dem Fnedensschluffc von 1603. Im folgenden Jahrhundert da gegen, von 1693 bis 1789, bat sich die Bevölkerung um 10,000 Scelcn vermehrt. Während dieses Zeitraumes war Genf von allen Mächten als freie Stadt anerkannt; die Uhren-Fabrikation war gleichzeitig nut mehreren anderen minder wichtigen Gewerben eingesührl worden; Künste und Wisseisichaslcn blühten eben so wie Handel und Industrie. Dcr Puritanismus, dessen Energie die Arme der Väter bewaffnet batlc, war nach und nach in de» Zustand eines sanfte» und duldsamen Christianis- mus übcrqegangc». Mil diesem Wohlstände hallen sich allerdings auch die Keime politischer Zwistigkeiten entwickelt. Lauge Zeit durch eine kompakte Aristokratie und durch den Einfluß dcr Nachbarländer niedergebalten, kann man es als eine traurige Wirkung derselben anscben, daß von allen wahrhaften Verbesscruilgc» die Aufmerksamkeit abgcwandl und viele Fragen des materiellen oder intellektuellen Fortschritte in Per sonen- und Partei-Fragen verwandelt wurden. Gleichwohl aber war Gens im Wohlstände. Da kam die Französische Revolution und warf ihre leuchtenden Brantsackcln in alle Nachbarländer und eben so auch in keil kleinen Freistaat. Nachdem hier erst einmal die alte Regierung gestürzt war, folgte eine Constitution dcr anderen; Revolutions-Gerichte wurden cingcsltzl, die besten Bürger vertrieben, ringekerkerl oder zum Tode verurlbeilt. Die Bereinigung ter Genfer Republik mil Frankreich im Jahre 1798 trug vollends dazu bei, dem Wohlstände der Stadt durch die Ungeheuern Auflagen, durch das Ioll-Svstcm und durch die Conkcripoon den Todesstoß zu gcbe». So sehen wir denn auch im Jabrc 1805 die Bevölkerung um 4000 Seelen vcrmindcrl gegen das Jahr 1789. Dcr Rcichtbum der Familien Halle in einem noch viel größeren Verhältnisse abgenowmen. Der Laus der Ereignisse gab der Statt Genf im Jahre 1814 ihre alte Unabhängigkeit wicdcr. Zwar verginge» »och einige Jahre, bevor sich die Nachwirkungen des Krieges, und des Mangels" verloren-; aber bald war die Bcvölkcruiig wieder im Junehmen. Lon dcr Keil an war die Zukunft der Stadt, wenigstens bis zum Jahre 1830, nichl mehr gefährdet. Landbau, Handel und Gcwcrbslciß prosperinen immer mcbr. Zahlreiche, der Wissenschaft, der Literatur und dcr Wobllbäiigkcit ge widmete Etablissements wurde» errichtet. Durch die Sparkasse und mehrere Hmidwerks-Vcrbindungen ist vorsorglichen Menschen ein Mittel a» die Hand gegeben, sich die Frucht ihrer Arbeit sicher zu stelle». Die Verwaltung hat, unbikiimmcrl um den Parleigcist, die wachsenden Ein künfte auf unwidcrsprschlichc Verbesserungen verwende» können. Frcmdc sind vvii aLcn Seilen herbeigeströmt, und die Genfer, wen» sic auch <i» isichk minder großer Anzahl auswandcrn, kehren koch, sobald sie Ver mögen gesammell haben, immer wieder zurück. stiller solchen Umständen sollte man .sich wunder», daß sich die Be- völkerr-ug dcr Stadt seit zwanzig Jahren um nichl mehr als 4000 Seelen vermehrt Hal; aber es darf nicht vergessen werden, daß der enge Umkreis von Mas eine unbeschränkte Ausdcbiiuug der städtischen Gebäude nichl verstauet. Der Grund und Boden in dcr Stadt wird mit 15 bis 20 Schwester Franken für den Fuß bezahlt, und cs ist nur noch wenig Raum vorhanden, der nicht mit Hausern bedeckt wäre. Die Lculr wohnen sich hier eben so nahe, wie i» den schlechtesten Stadtvierteln von Paris, in jenen Stadtvierteln, deren gewöhnliche Stcrblichkcils- Verbällnissc nur durch die Verheerungen der Cholera im I. 1832 a» Jntcnsitäl noch übcr'roffcn worden sind. In Genf ist die Bauart der Häuser beinahe dieselbe, und wenn hier die Sterblichkeit sehr gering ist, so kann man daraus abnehmcn, daß die Entbehrungen, Sorgen und alles das, was sonst noch im Gefolge des Elends in den schlechten Stadtvierteln von Paris ist, ganz andere und noch viel eingreifendere Ursachen dcr Sterblichkeit stnd^ als die schlechte Bauart und die An, Häufung der Wohngebäude. HcrauSgegebe» von dcr Redaktion der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hahn.