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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumcrations- Preis 22j Sgr. (; Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für Las ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der PreuSischcn Monarchie. M für die Man vränumerirt auf dieses Beil-Ian der Aüg. Pr. SiaatS' Zeitung in Berlin in der Expedition (Motzten-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Acnucrn. Literatur des Auslandes. 100. Berlin, Montag den 21. August 1837. Mexiko. Michel Chevalier in Mexiko. Zweiter Artikel. In den Minen zu Neal del Monte, Avril IM. Zwei Monate hin ich erst in Mexiko und habe schon fünf Ncvo- lutionS-Vcrsuche erlebt. Insurreclioncn sind hier an der Tagesordnung, und man besagt sich damit, wie mit einem ganz gewöhnlichen Lcbcns- gtschäst. CS haben sich sogar mit der Zeil gewisse Regeln und Formen t"r diese Praxis scstgesieUl, in denen sie ganz geläufig vor sich gehl und von denen man wohlweislich nicht abweicht; sie sind bewahrt, wie Lie Spielregel» im edcln Triklrak und wie die Rezepte im bürgerlichen Kochbuch. DaS Verfahren ist einfach und Hal sich in seiner öfteren Wiederholung, man muß es sagen, so gutmlithig und unschädlich gestal- tet, wie ein Opcrngcfecht. Der erste Akt einer solchen Revolution heißt das Pronunciamiculo: ein Offizier hohen oder niederen Ranges, vom Lieutenant bis zum General, pronunzirt sich gegen die bestehende Ver fassung, gegen eine Institution, die ihm nicht gefällt, oder gegen was ihm sonst nicht beliebt; er versammelt eine Compagnie, eine Schwadron oder ein Regiment um sich, die sich fast immer mit großem Eifer zu stiner Disposition stellen. Nun kommt der zweite Aki, welcher nl 61-ist«, der Ausruf, genannt wird: es werden nämlich zwei oder drei Artikel aufgesetzt und darin die Grunde und Ler Zweck der Insurreclion pro- klamirt; ist Lieser Zweck wichtig und ansehnlich genng, so heißt es nicht ein Grido schlechtweg, sondern ein Plan. Der dritte Akt tritt ein, wenn Lie Insurgenten und die Anhänger der Regierung einander ge- gcnüberstehcn: sie scharmutziren von weitem, gehen vorsichtig um ein ander herum und befühlen sich, ehe sie es zum Kampfe kommen lassen. Im vierten Akte wird man endlich handgemein und schlägt sich, jedoch nur nach der neuesten vervollkommnclern Rcvolutionsmacheckunst, das heißt, sehr gelassen und in ehrerbietiger Distanz. Am Ende bat die eine Partei geschlagen und die andere ist geschlagen worden: mehr will man nicht. Ist man geschlagen worden, so depronunzill man sich; bat man geschlagen, so marschirt man aus Mexiko. Der sünste und letzte Akt besteht unveränderlich darin, daß der Sieger im Triumphe zur Hauptstadt einziebl, ter Besiegte sich mit allen KriegeSehren zu Bera Cruz oder Tampico einschiffl und mit heiler Haut davougeht. Der erste Ausstand, den ich hier zu Lande Vorgehen sab, war von einem Infanterie-Lieutenant angestisict, der i» einem Dörfchen bei Acapulco, an der Küste des Süd-Oceans, in Garnison lag. Sein Prommciamiento ging dahin, daß man alle Fremden aus dem Gebiete Ler Republik wegjagen sollte. Er konnte aber nur ein kleines Häuslein Leute sammeln, sah sich bald von überlegenen Streitkräften eingeschlossen und erklärte, daß er sich depronunzire. Er bat um Gnade und erhielt sie: denn, so sagte er, er seh durch schlechte Ralhschlägc verführt worden und überdies zur Zeit, wo er sich pronunzirle, nicht ganz nüchtern gewesen. Der zweite Ausstand war das Werk zweier Sergeanten. Bisher hatte man noch kein Beispiel erlebt, daß Unteroffiziere sich auf diese Laufbahn eingelassen hätten; aber diese Beiden halten es ihren Vorge setzten abgesehen und gemerkt, daß eben keine Gefahr bei dem Revo lutions-Geschäft wäre. Also machten sie guten Mulhes ihr Pronun- ciamienlo, und zwar zu Gunsten der Eenlralisation gegen das Föderaliv- Svstem, welches man, beiläufig gesagt, sehr zur Unzeit auS dm Ver einigten Staaten nach Mexiko herüber verpflanzt hat. Sie hatten auch einen Plan, — denn als simple Unteroffiziere wußten sie sich etwas Lamil, eine recht kunst- und regelrechte Revolution einzulcilen, — und Lieier Pia,, bestand darin, den General Santana, den gegenwärtigen ^easidenten der Republik, zum Diktator zu machen. Sie bemächtigten sich des Forts San Juan d'Ulloa, welches die Citadelle von Vera W^st kostspieligste Bauwerk der Spanier in der neuen Sie arreiiricn den Oberst-Kommandanten, griffen die Statt an und nahmen noch rie Forts San Iago und Concepcion weg; als sic aber vor die Kasernen ruckten, fanden sie bei den Soldaten Widerstand und mußten sich in die Citadelle zurückziehen, von wo sie auf die Stadl schossen. Ibr Grido fand aber wenig Anklang in der Republik, nicht etwa als ob man sehr an der Föderativ-Bersaffung hinge, sonder» weil ein Gesühl der Ermüdung und ein Bedürsniß der Ruhe jetzt bei allen einflußreichen Klaffen vorherrscht. Der Präsident der Republik ') Im Nolte geht die Sage, eS bade ruv Millionen Piaster gekostet. befand sich aus seiner Hacienda in der Nähe von Vera Cruz und rille herbei, die Empörer zur Unlcrwcrsunz zu bringen. Anfangs erklärien sie, nur weil» er sich zum Diklalor mache, würden sie sciiic Anlorilät ancrkcnuen. ES ercigncle sich aber der Unfall, daß Blanco, der eine von den beiden Sergcaulen, in dein Augenblicke, wo er an Bord der im Hafen liegenden Goclclic ,,drr Pfeil "'geben wolllc, um die Mann schaft der Negierung abspenstig zu machen, von einem Matrosen, der ihu begleitete, und der sich, wie ci» rechter Verräther im Melodram, in heimtückischer Absicht unter die Insurgenten eingeschlichen Halle, einen lödlltchen Hieb mil dem Beile erhielt. Der andere Sergeant, Penaflor, depronunzirle zwei Tage daraus, und damit war Alles gul; ich glaube sogar, seine Beförderung zum Capital» wird nicht lange auf sich war ten lassen. Dieselbe Citadelle San Inan d'Ulloa war der Schauplatz meiner drillen Revolitlion, von der aber nichts zu erzählen ist, da sic fast im Moment wieder unterdrückt wurde. Die vierte ist eben gegenwärtig im Werke und läßt sich gewaltig a». Der Mexikanische Kongreß, i» welchem die Unitarischc Partei dominirt, wollte nämlich jeden Widerstand gegen die CentralisationS-Pläne der Anhänger dcs Präsidenten im Voraus unmög lich machen und befahl durch ein Dekret, daß alle Lokal-Milizen ihre Waffen nicbeilege» und anstiescrn sollen. Die Ccntralisation wäre aller dings ziim Beste» dcs Landes erforderlich; aber der Staat Zacatecas, der Heerd und Hauptsitz dcs Föderalismus, hat sich gegen dieses Dekret prouunzirt, durch dessen Vollziehung natürlich alle einzelne Staaten der Willkür der in Mexiko residirende» Exekutivgewalt preis- gcgcbe» würden. Der Präsident rüstet sich so eben zu einem Feldzüge gegen Zacatecas.") Während dessen geht aber im Süden eine fünfte Revolution los. Der General Alvarez, der ein Truppen-Corps in der Gegend von Acapulco kommandirl, hat einen Grido erhoben und ver langt, General Santana solle als Verräther a» der Constitution zu Gc^ richt gezogen worden. — Ich reise von hier nach Bera Cruz, wo ich mich einzuschiffen gedenke; leicht möglich, daß ich nnterwegcs noch von ein paar neuen Insurrektionen höre, — ich würde wich so wenig dar. über wundern wie die Mexikaner selbst. Schweiz. Schleichhändler in der Schweiz. (Fortsetzung.) In jener kurzen Beralhung war offenbar über mein Schicksal ent schieden worden. Die Leute kümmerten sich nicht mehr um mich, son dern gingen, obne ein Wort zu sprechen, vor ugd hinter mir her und lösten sich im Tragen zweier Säcke ab, während ich unter der Last dcs dritten einbtikeuchie. Noch einmal wagte ich einen Versuch, ihnen meine Unschuld begreiflich z» machen; aber sie hörten nicht aus mich. Wahr scheinlich gab ich mir auch unnütz Mühe damit; den» ibr geübtes Ange mochte meine Unschädlichkeit deutlicher erkennen, als ich sie mit allen Bklbkurungen darzulegen vermochte. Nur der eine Umstand hielt noch ibr Mißtrauen wach, daß ich so vorsichtig einhergeschlichen war und be ständig um mich geblickt hatte. „Wenn Ihr's nicht auf uns absabl", war die Frage, „wozu Euer Lauschen und Spioniren? Ihr konntet ja gar nicht wisse», daß wir de« Weges gingen." Ich erklärte ihnen die Sache, wie ich unten im Wasser gesehen hätte, was hinter und über mir vorging. „Gilt ganz gleich", sprach dec Eine, der Böse von den Dreien, „ein ehrlicher Kerl oder keiner, Ihr könnt uns doch ver ¬ bandeln, und wir müssen sicher sevn. Marsch zu: dort im Busche wird die Sache Mil Euch richtig gemacht." Gewiß, es war ans mit wir, mein letztes Stündlein vor der Thür. Eine halbe Stunde hatten wir noch zu gehen, bis wir den Wald erreichten; in der Zeil lernlc ich begiessen, wie einem armen Sünder zu Mulde ist, den man zum Richt» vlätze führ», und ich sage jetzl au« Ersabrung: Es giedl keine Wimmere Todesqual, als diese Todeserwartung. Und wie viel besser war 7ch noch daran, als «in Delinquent! erstlich halleich meine Unschuld, — zweitens die Hoffnung, Jemanden zu treffen, der mich befreien köunle, — drillens endlich Halle ich zu meiner Rechten, hart am Wege, eitlen recht hüb schen Abgrund; er konnte gar nicht bequemer gelegen sehn, nkenn ich mich sammt meinem Sacke hinunterstürzen wollte. Da jedoch Niemand uns entgegen kam und der letzterwähnte Ausweg mir doch allzu verzroci- ') Dle Jnsurqenten von Zacatecas tlnd noch im Jahr« tkvo gefchla»«» und zur Unterwerfung gebracht worden, «otitdem ist au dir Steile «««§'" rativ.Berfallung eine andere, aus das Prinzip der Einbeit und Senwalitatian gegründete getreten