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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeiativns- Prei« 22j Sgr. (j Tblt) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er. Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt «ns diese« Beibtatt der Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Auslände bei dm Wohllöbl. Poff-Aemtern. Literatur des Auslandes. 94. Berlin, Montag den 7. August 1837. England. Engländer auf dem Kontinent. Aus Ralph Re stieß") Meinungen und Bekenntnissen. Bon Capilain Marryat. London, im Juni 1837. Hat man erst fremde Lander gesehen, wie muß Einem da Atles in England so gedrungen und reichhaltig erscheinen, von dem kleinsten Spielzeug der Kinder dis zur Säule des Herzog« von Jork. Wenn ich mit einem Tischler reden darf, alles Ausländische ist Nürnberger Tand. Rede mir Einer vom Palais-Royal, von der Rue-Richelieu und dem Glanz der Pariser Läden — nur 2N0 Schritt der Regent- Street, von Howell und Jame«'« an, sind hinreichend, sie mit Sack und Pack anszukauscn, und geben vielleicht noch einen Ueberschuß, dessen Werth dem Rest der Französischen Ausstellungen glcichkommt. Doch bei dieser inneren Gediegenheit und Substantialiläl sind die Dinge auch etwa« schwerfällig, und die Folge davon ist, baß wir in London zu wenig Raum, zu wenig Lust zum Athmen haben: wie sind zu dicht verpackt; es lhäten uns Gärten Noch mit recht viel Bäumen, um die mephilische Luft der Hauptstadt zu absorbircn, denn was unsere Lungen nicht annehmcu, da« ist für die Begetalion sehr förderlich. Da man aber in dieser Welt nicht Alles haben kann, was einem Noth thut, so wird's vor der Hand schon ebne Gärten gehe». Welche Masse von diesen Reichthümern verbreitet sich jetzt im Lande! und, Gott seh Dank, ich glaube, sie werden jetzt etwas besser verwendet, als srüher bei jener lächerlichen Manie, die zwar gegen Vollblütigkeit sehr heilsam feyn mochte, aber uns doch gar zu grausam und nutzlos geschröpft hat. Die Eisenbahn-Speculationen haben viele Millionen verschlungen, unb da« ist ein ganz gut angelegtes Geld — denn selbst wenn man annimmt, daß in einigen Fällen die Erwartun gen der Spekulanten getäuscht werden sollten, so ist doch das Geld immer im Lande geblieben, und während es eincSthcilS vielen Tausenden Arbeit unb Nahrung schafft, werden anderentheil« nur die Produkte von England selbst verbraucht. Zn diesen Speculationen, in der schnellen Produzirung dieser ungeheuren Summen zeigt sich recht die Größe Albion s. Unternehmungen, vor denen fremde Regierungen mit Schrecken zurückbeben würden, kommen hier durch die Bereinigung weniger Indi viduen zu Stande. Doch wen» man von fremden Ländern spricht, muß man nicht vergessen, Amerika auSzunebme»; denn ich glaube, wenn e« nöthig wäre, eine Eisenbahn nach dem Monde anzulegen, sie würden sich dort gleich daran machen. Und nun zu meinen Aufträgen und Bestellungen. Welche lange Liste ist das! Als erster Artikel stehen obenan — zwei Kanarienvögel, denn die letzten zwei sind an einem schönen Morgen todl gefunden worden, kein Mensch weiß, wie; Saamen und Wasser war genug da (der Diener nämlich halte den Käfig damit versehen, nachdem er die Thierchen durch seine Sorglosigkeit verhungert gefunden), und folglich konnten sie doch nicht aus Mangel an Nahrung gestorben seyn. Ich bin ein Feind aller sogenannter Schooßthierchen, denn sie liegen Einem sehr zur Last, und wenn sie sterben, dann geht erst da« Jammern los. In den „Feueranbetern" läßt Moore seine Hinda sagen: „Nie pfleqte ble Gazelle ich Mit Augen groß und schön, Kam sie tu mir und liebte mich, So war'S um sie gefchehn " Nun war Hinda ganz vernünftig, außer darin, daß sie sich für beson der« unglücklich hielt. Fast Jeder, der sich solche Thierchen hält, wird eine ähnliche Geschichte, wie Hinda, erzählen können. Ich erinnere ">>ch, wie uns einmal ein Kanarienvogel krepirle und meine Jungen« deshalb in großer Betrllbniß waren; um sie zu zerstreuen, machten wir ihnen einen papiernen Sarg, legten den Verstorbenen hinein, nähten st"*" Derk,, daraus und gruben ein Loch im Garten; dann steckten wir die Kleine» jn xj„ige alte Reste von Trauerkleidern, die wir finden konnten, und dielten eine lange Prozession nach dem Grabe, wo der Bogel feierlich bestallet ward. Diese« kleine Schauspiel machie sie ganz entzückt; den nächsten Morgen sprang einer von den Jüngsten zu mir heran und sprach: „Oh P^g, wann werden Sir denn sterben?" Kuriose Frage, dachte ich, da ich die gestrige Prozession schon längst vergessen halte. „Warum fragst Du danach, mein Kind?" — „Nun, ich freue mich schon auf den Spaß bei Ihrem Begräbniß." — „Sie sind sehr gütig, mein Theuerster." ') Ruhelos ES ist weit mehr Beistand in den Bögeln, als die Leute gewöhn lich glauben; davon weiß ich eine Geschichte z» erzähle», die sich bei dem Schieserbruch eine« Freundes zugetragen hat. Eine Drossel, die noch nicht wußte, wie sehr man sich vor den expansiven Eigenschaften des Schießpulver« hüten müsse, baute ihr Nest aus einer Stelle, wo gerade der Fel« von jenen Eigenschaften da« Meiste zu leiden hatte. Anfang« wurde sie durch die nach allen Richtungen fliegenden Stücke ungemein inkommodiit, wollte aber immer noch nicht ihren aukerwähl- ten Wohnsitz aufgebcn; bald bemerkte sie, daß jedesmal, wenn eine Ladung abgefeuert werden sollte, eine Glocke läutete, und daß aus dieses Zeichen sämmtliche Arbeitcr nach einem sicheren Punkt retirirlen. Wenige Tage daraus sah man sic, so oft sich die Glocke hören ließ, ihre gefährdete Stellung verlassen und »ach dem Zufluchtsort der Arbeiter binflicgen, wo sie dicht vor ihren Füßen hcrnntcrkam. Hier blieb sie so lange, bi« die Explosion vorüber war, und kehrte dann nach ihrem Nest zurück. Die Arbeiter, die die« sahen, erzählten es ihren Brvdherren, und auch die Fremden, die den Schieferbruch besnchlen, hörten davon. Diese Besucher drückten natürlich den Wunsch aus, ein so ausfallendes Zeichen von Beistand mit eigenen Augen anzusehen; da aber der Felsen nicht jedesmal, wen» Besucher kamen, gesprengt werden konnte, so läutete man bloß die Glocke, ohne zu schießen, was für einige Male ganz dasselbe Resultat herbcifübrtc. Die Drossel flog hinab nach dem Ort, wo die Fremden standen, bemerkte aber, daß man sie in den April geschickt, und ebenem wurde sie gerade in ibxem BrütungSprozeß gestört. Was war die Folge davon? Sobald sie von jetzt an den Glockenzug hörte, spähte sic erst über den FclSrand hinaus, um sich' genau zu überzeuge», ob auch die Arbeiter die Flucht ergriffen, und war dies nicht der Fall, so blieb sie ganz ruhig in ihrem Nest zurück, wobei sie wahrscheinlich im Stillen bei sich dachte: „Nein, nein, meine Herren, so geht das nicht; ich habe durchaus nicht Lust, mich bloß zu Eurem Vergnügen von meinen Eier» wcgstöbern zu lassen." Manche Bögel besitzen sogar eine gute Portion Humor, ganz vor züglich der Rabe. Ich hatte einmal so einen, der das boshafteste und kurzweiligste Thier war, das ich je gesehen habe. Sein größter Spaß war, sich in den Blumengarten zu schleichen, auf die Beete zu fliegen, wo der Gärtner eine große Menge von Saamen-Gatlungen hingestrcut, und die Stäbchen, die daneben in den Boden eingesetzt waren, herau«- zureißen und haufenweise zu zehn bis zwölf Stück aus den Fußweg hinzulegen. Hierüber war der alte Gärtner ganz wülhend, und er suchte den Raben wegz,»reiben, der übrigen« wohl wußte, daß er einen dösen Streich beginge, denn sonst würde er's eben nicht gethan haben. Bald kam ec zurück, um den Unfug von neuem zu beginnen, und wollte ihn nun der Alte, der nickt sehr schnell auf den Beinen war, wieder «egjagen, so hielt sich gewöhnlich der Rabe dicht an dem Rechen oder der Harke de« Gärtner« und tanzte rückwärts vor ihm her, indem er noch, so deutlich und vernehmlich wie ein Mensch, mit allen mögliche» mimische» Geberten zu singen pflegte: „I'ol sie rnl äe rnl! toi flv roi sie rol!" Der Bogel ist noch am Leben und treibt »ach wie vor seine alten verdienstlichen Praktiken, so oft er eine Gelegenheit dazu findet. Wenn er lange genug lebt, so hoffe ich, er wird noch einmal Witze reißen. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. I. Janin'S literarische Portraits. George Sand. (Schluß.) Kein Wunder, wenn dieser unverhoffte Eklat, dieser unerwartete Beifall unserem Autor ein wenig in den Kopf gestiegen ist- Biele waren weiser als er, minder eitel als ec, und haben fick gleichwohl dieses Rausche« nicht erwehrt. Just in dem entscheidenden Augenblick, al« seine Berühmtheit den höchsten Punkt erstieg, warf George Sand da« männlicke Gewand seines Geiste«, den Ernst und die Besonnenheit auf einmal weg und zeigte sich in dec säst berüchtigte» „Lelm" als ein von Leidenschaft überwältigtes Weib. Wir könne» leider diese» Roman nur als einen Flecken in de« Verfasser« dichterifchcm Lebenslauf be trachten. Weder an sinnvoller Erfindung, »och an Reichthum der Phantasie, noch an S>v> und Eleganz der Darstellung ist hier der Verfasser von „Indiana" und „Valentine" wiebexzucrkennen. Die Kühnheit ist hier sichtlich und absichtlich bi« zu dem verbammlicksten Uebermaße getrieben. Diese Lelia ist ein so widerwärtige«, abscheuliches Geschöpf, al« sich nur ersinnen läßt: eine Courlisane, ohne Herz —