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336 da; den Ebaraklcr sciinr Heldin und damit zugleich die Einheit de; gruzcn Gedichtes zerstört. Die Jungsrau wird von Liede sür den Eng- ländcr Lionel ergriffen, und irdische Zärtlichkeit windel ibr das Schwere ein« den Händen, da» sie im Namen Galle; sübrt. E« cnlspinnl sich hicrau« eine Reihe van Scene», die an und für sich lrcfflich sind, wie man es van Schiller erwarten darf, und besonders ein nnnachabmlich schöner lyrischer Monolog — ader da« Interesse ist gebrachen, und die Handlung eilt van da an in Sprünge», inmitten der ausfallendsten historischen Unrichtigkeiten, eurer innerlich unwahren, ganz in die Lust gcdaulen, ins Melodramatische spielenden Katastrophe zu. Wenn Schil ler'« dramalrsches Genie im Kampfe gegen die Unfügsamkeit diese« Staffes in die dramatische Farm unterlegen ist, ss kennen wir rin« wähl berechtigt finden, ans unserer Meinung zu bestehen und, so lange wir nicht durch die Thal augenscheinlich widerlegt werden, zu behaup ten: Johanna d'Arc ist keine Heldin für da« Drama, wohl aber ein vortrefflicher Gegenstand für ein Evo«, da« in der Französischen Lite ratur gewiß nicht ausbleiben wird.") Nur einige Worte, so diel der beschränkte Raum gestattet, über dir Art link Weise, wie Maler und Bildhauer die Jungfrau voll Orleans dargestellt haben oder darstellen könnten. An Motiven und Sujets für den Pinsel und den Meißel, an erhabenen Momenten, an lebendigen Gruppen für die Darstellung dielet ihre Geschichte lansendfachen Stoff, welchen ganz neulich die Maler Delaroche und Henri Scheffer zu zwei Eowposilionrn benutzt haben. Das Bild van Delaroche Hal sehr wenig Verdienst: auf einem Strohlager eine starke und plump gerochene, ziemlich indolent ausschrndc Mädchensigur, und ihr gegenüber ein Geistlicher, der ein sehr grimmiges Gesicht macht — das kann uns weder gefallen noch ergreift::. Nur insofern verdient der Versuch Dank, als er ter erste war über diesen von krn Französischen Geschichts-Malern ganz unbenutzt gelassenen Gegenstand; hoffentlich bricht er zu erfolg reicheren Studwn die Bahn. Henri Scheffer hat die Jungfrau ans dem Scheiterhaufen gemalr, und obwohl diese« Bild sich weder durch die Douresflichkcit der Zeichnung, noch durch Harmonie und kräftigen Ton der Farben empfiehlt, so liegt doch der Eomposilion ein poetischer Gedanke zu Grunde, und e« ist rin Ausdruck darin, der, indem er da« Herz rührt und gewinnt, auch da- strengere Urthcil bestich!; doch läßt e« noch immrr viel zu wünschen übrig, auch wenn man über die Idee und Anordnung mit dem Künstler völlig einverstanden ist. Das schönste unter allen Werken, wozu lie Heldin von Domremv in neuerer Zeit schöpferische Kiinstlcrseelen begeistert Hal, ist nicht etwa die Tragödie von Alerandrc Soumet oder die zebnle Messcnicnue von Casimir Deiavigne — wir holen diese Beiten hier nach, weil wir sie vorher unter den Dichtern beinahe vergessen hätten — sondern unstrei tig die einfache Statue, die jetzt im Museum zu Versailles ausgestellt ist. Die Jungfrau steht ausrecht und drückt mir über die Brust ge- krenzte» Hanken ein Schwert, kessen Griff al« ein Kreuz geformt ist, an« Herz, während ihr Haupt sich aus die Klinge nieder,„igr. Diese Stellung ist eben so schön als sinnig, und gewiß mit nicht geringem künstlerischen Talent gewählt; die Sansimulh und die Krall, die Ent- fagnng und ter Helkenmulb, die Frömmigkeit unk die Tapferkeit sind hier svrubolisch in Gin« verschmolzen; der historische und der persische Charakter der Gestalt tragen und durchdringen einander, und der Be schauer fühlt sich von dem Ausdruck des Woblabgeschloffenc» und Voll ständigen in de»t Kunstwerk befriedigend angesvrochcn. Es gehört nicht bloß ein sichere« und geschmackvoll kurchgcbildc'c« künstlerisches Gefühl dazu, die Idee so ans ihren einfachsten und anschaulich beredtesten Ausdruck in ter Form zurückzusühren, sonder» auch eine Beriraniheil mit allen Hülfsmitteln der Plastik und rine besonnene Meisterschaft in dec Behandlung de« Stoffe«, wenn mau den Gedanken so festhallen und seiner in der Ausführung Meister bleiben will. Beides ist der Künstlerin — unsere Leser wissen schon, daß e« die Prinzessin Maric, die zweite Tochter König Ludwig Philipp'« ist — n> hohrm Maße ge lungen, und die Ausführung steht hinter der Erfindung nicht zurück. Einige Unerfahrenheit, die sich in ganz klcinrn bekculnngslosen Detail« kund giebt, kommt gegen die erhabene Schönheit de« Ganzen, gegen Vir ruhige Würde dieser Stellung und gegen d,e Reinheit der Züge dieses Antlitze« gar nicht in Betracht. Co einstimmia war das Lob und die Bewunderung, welche die Beschauer vor dieser Elalne äußerlen, daß jeder Verdacht einer berechneten Schmeichelei verschwindet, und daß man der Prinzessin mit roller Ausrichligkeit zu dem Werke Glück wün schen kann, womit sie die Bildhauerkunst bereichert hat. Die Schrift der Herren Michaud unk Pcujoulat wird Dichtcrn und Künstlern, die dem Leben der Junasrau von Orleans Stoff zur Darstellung zu enllel'nen wünschen, nicht minder zu Gute kommen, al« Freunden ter Geschichte, die sich ohne die weüschichlige Mühe de« Nachschiazen« ter Quellen zu unterrichten wünschen. An des Abb,' ') „Grau, Freund, ist alle Theorie", wäre man versucht, dem Franch- stschen Kritiker hier mmrusen. Was bedeutet „unterleaen sevu", einem Er folge gegenüber, wie ihn Schiller'S „Jungfrau von Orleans" aus der Deut scheu Bühne gesunden hat und noch täglich sinder? Hat doch Schiller'S dra matische Dichtung eie Heldin in Deutschland vovulairer gemacht, als selbst i» ihrem Vatcrlaude. lind ist ste von Lem Deutschen Diebler nicht schon gan; so ausgesaht worden, wie sie jent erst die Franchstsche Kritik darstellt? Die Liebe Johanna'« .;» Lionel bildet unstreitig eine eben so voetische als dramatische Evisode, und mochte mau auch den Ausgang des Stuckes weni ger abweichend von der Geschichte wünschen, so rundet er doch das roman tische Gemälde aus eine befriedigende Weise ab. Nicht etwa wie ein Melo drama, vier Wochen, oder wie ein Nauvach'sches Trauerspiel, ein halbes Jahr laug, sondern seit sechsunddreihiq Jahren ununterbrochen und mitte» unter allen Ueberrestunaen einer auüacarreteu Bühne ist die „Jungsrau von Or leans" ein Neblingsstuck des Deutschen Publikums geblieben. Nur zwei Moiartsche Meisterwerke, „Dott Juan" und die „Zauberflöre , lind IN dieser Zeit eben so ost ietwa rrn Mal) auf dem Berliner Theater gegeben worden, lind dennoch sollte Johanna d'Arc keine Heldin für da« Drama >c»n und Schiller ste nicht dramatisch ausgefaßt haben? HtrkMSgcgeben von der Redaktion der Mg. Preuß. Staat«-Zeitung Lenglct DusccSnoh in Shsiemsucht befangene, schleppende und geistlose Darstellung denkt jetzt wohl ohnehin kein Mensch mehr; aber auch die Ilistnire iie üonunv ü'^ro von Lebrun te Charmetles wird an Kürze und Gediegenheit, da« Buch von BcrriatSainl-Prir an Gründlichkeit und von alle» Hypothesen entfernter lbaisächlicher lSrnauigkcit durch gegenwärtige „üintice " übertroffen. Der Stil ist von philosophischer Prälcnsiou eben so weit cnlscrnt wie von der trockenen Einfall, wo durch Baranle den „ngläudigen Spott abzuwehrcii für nölhig hielt. Die geschichtliche Wahrheit wirk gegen die Anmaß,tilgen der Orthodoxie, der poetische Gehalt gegen den ausdöriciiden Skeptizismus in Schutz gciiommen, und es läßt sich tcm Ganzen die größte Vollständigkeit und Gewissenhaftigkeit nachrühmen. Ehaudes-Aigue«. (bi. <l. I'.) Bibliographie. Oicliannairu lustcwüzvo siöüucalion. — Von Delacroix. Bb. I. 8 Fr. h Inrrnoe at so« vioissitucke» 1218 — I7W. Von Delecluse. 2 Bde. I« Fr. Oucumens slolislieiues sur les Iiüziitaur elo. sie ffbarseille. 1828 — 183', kxamrn eritiuue «les rövnlulinns ü'bisvagne «le 1820 ü 1823 el sie 1836. 2 Bde. 18 Fr. Orsons et iiiuckeles ste litlerulure sacrec. — Von de Grncude Erste Lsg. I-ea Oornelia. - Von Marie. .3 Bde. I'lnn ü'uue Hil>li<sihcgue universelle. — Von Marlin. 7i Fr. L^nopsis »le la nouveile sture lies environs üe Ilaris. — Von 'Maral. Fr. Oe I'aiiinite ües lanzues celtiuues avcc le 8anscril. — Von Pictet. 8 Fr. Vo)aze «ie la zrrincesse liebelte sie IliediftichnurF, «iueliess« liOiIösns. — Von Vcron. Oe cltuteau sie Isierrelomls. 1804. — Von Bernier 2 Bde. 18 Fr. lievories «laus les mnntagnos. — Von Mak. Botin. 2 Bde. 13 Fr. Vo)ages sux (-noroooaloos elc. — Von Bristol. 8t- Origines <Iu üroit h'ranlwis. — Von Micheiel. 7, Fr. Oes Xlhöunonnos. — Gedichte von Paillrl. 3 Fr. Mannigfaltiges. — Hanin gegen Bnlwer. Wahrend man ibm in Denlschland Ebrentempel errichtet, während mail hier Werke von Bulwer bewunden, die cr gar nicht geschrieben hat, kündigt man ibm in Frankreich einen Krieg aus Leben und Tod an und nennt ibn, wie cs Janin im loui- nui «les Oelmts vom 3. Juli lhut, „einen Man», der sich in seinem Lande einer gewissen Eelcbriläl erfreue, und der eine große Anzahl von Romanen geschrieben, dw wohl, wenn man nicht etwa von vor» herein dagegen kingciwmmen seh, einen Vergleich mit den schlechteren Ro manen von Victor Ducange aushallen könnten." Was eigcnliich diesen Krieg entzünket, haben wir noch nickt herausgebrachl; vermuthlich bat Bulwer den Pariser Feuilletonisten irgendwo angegriffen; zum Vorwand aber ist die „Herzogin von Lavalliere", da« bekanntlich in der Geburt verunglückte Drama de« Englischen Schriftstellers, und der darin ange fochtene Ruhm Ludwig'« XlV. genommen. Janin ist mit cincmmale ein wütbendcr Parteigänger des 8iöolv »le Onnis XIV. geworden! „ES ist unmöglich", sagt er, „den Ruhm und die Liebeshänkel de« größten König«, der jemals einen Thron geehrt (!), auf empsindlichcrc und zugleich unschuldigere Weise zu beleidigen, al« es hier geschehen ist." — Nun, wir erinnern nn«, von Herrn Janin selbst, und zwar erst ganz kürzlich in seinem Bericht über da« iir Pari« zur Aufsührnng gekommene Drama: „Die letzten Augenblicke eine« großen König«", Dinge über Ludwig XIV. gelesen zu haben, die nicht minder stark al» die drastischen Dcclamaiioncn waren, die sich Herr Bulwer über diesen Monarchen gestaltet hat. Aber Herr Janin meint, ein Eng länder habe darum doch nicht da« Recht, den Ruhm de« großen König« anzugreifcn. „Es giebt", drückt cr sich ciwa« massiv ans, „sogar in Ebaienlon Dichter, die vernünftiger denken unk schreiben würden, als Herr Bulwer." Wie gesagt, wir wissen nicht, was den Krieg eigentlich entzündete. Wenn aber cine literarische Macht mir solchen Keulen ans die andere losschlägt, so muß noibwendig ein gewal tigerer Enlzweiungsgrunk da sehn, al« un« hier vorlicgt. Wir mögen Herrn Janin nicht durch alle Baitericen seiner Bomben- und Gra- ualcn-Kritik selgcn und setzen daher hier nur noch de» Schluß der selben her: „Nnn genug", ruft er, „von jener Elowncrei! E« ist leichter, so abgeschmackte« Zeug zu vergessen, al« es zu verzeihen. Ich bin gewiß lein Parteigänger desjenigen, was man die dramatische Kunst von Fraukrcick im litien Jahrhundert nennt; jch finde sic viel mehr in jeder Beziehung ganz unwürdig unserer alten Bübne, welche die sicherste und unantastbarste Seite unsere« literarischen Rnbme« bil det: aber wahrhaftig, wir liefern Meisterwerke, wir sind lauter Corneille'« und Racine'« im Vergleich mit dieser „Herzogin von Lavalliere", diesem grotesken Werke, in welchem da« ganze I7ie Jahrhundert aus die selt samste und schauderhafteste Weise entstellt wirk. E« war freilich nicht« Geringere« nölhig, als der Name Ludwig'« XIV. und das Gedächwiß der heiligen Lavalliöre, serncr die Bedeutung einer Scene, welche der Schauplatz Shakespeare'« gewesen, und endlich die volilische Stellung de« Herrn Bulwer, um un« zu zwingen, mit solcher Aufmerksamkeit ein Stück zu lese», da« unter allen Beziehungen, mit Rücksicht sowohl auf Geschichte, Gedanke, Stvl, Erfindung unk Jtilercsse, al« auf Form, Poesie, Drama, Komödie und Witz, weit weniger unsere Indignation, al« ilnser Mitleid verdient." Redigiri von I. Lehmann. Gedruckt bei W. Hahn.