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und es sind deren osl sehr ernstbasle mir der National-Repräsentation verknüpft. Dec Depulirte des Departements ist durch seine Vollmacht einer Menge von Trübseligkeiten ausgesetzt. Die Leute seiner Provinz betrachten ibn wie einen Geschäftsmann, einen Agenten, welcher ihnen als Mittelsperson dienen und bei jeder Gelegenheit Beistand leisten soll. Sie bedienen sich seiner ohne Bedenken und obnc Rückhalt, vermöge ihres Rechts als Wähler. Als ein Opfer dieses undcscheiteneu Miss brauchs, gehört der Depulirte sich selbst nicht an, seine ganze Muße wird ihm durch Besuche entzogen; die Gesuche und Aufträge jeder Art, die ihn bestürmen und oft mit sich selbst im stärksten Widerspruche sink, rauben ihm alle seine Zeit. Das Ungemach des Depulirten beginnt mit seinem Erwachen. — Er durchläusi die Morgen-Zeitungen, befragt das politische Barometer und sieht sorgfältig nach, ob sein Name nicht im „Oorsoire" oder „Oharirari" zwischen zwei Witzen gekreuzigt ist. Bald kommen nun die Besuche einer nach dem anderen; jeder hat etwas zu bitten, bald für sich selbst, bald für die Provinz. — „Und unsere Brücke?" sagt der Eine; „Sie batten uns eine Brücke versprochen, und wir warten noch immer darauf. Wir stehen noch unter dem Regime der Zähre, wie im Mittelalter. Die Negierung achtet uns, wie es scheint, sehr gering, da sie nicht einmal die Kosten einer einfachen Brücke bewilligen mag. Uebrigens kann die Gemeinde in etwas für die Kosten auskommen, und das Departement kann ein Mehreres thun. Bringen Sie die Sache ins Ecleis; es ist die Ihre eben so gut als die nnsrige. Bei jeder Wahl stimmen wir sür den jenigen Kandidaten, der uns die Brücke verspricht, und wenn die Zeil des Depulirten um ist, so haben wir keine Brücke und stimmen sür einen Anderen. So geht das Ling seit zwanzig Zähren fort, und wir sind entschlossen, es so sortgehcn zu lassen, bis dip Brücke erbaut ist. Die Kammer soll, wie man sagt, auszclöst werden; desto besser, es ist ein Bortbeil mehr sür uns. Denken Sie wohl daran; wir werte» nur sür Sie stimmen, wenn mir dabei über unsere Brücke gehen können; müssen wir aber aus der Zähre über den Fluß setzen, um unS zur Wahl zu begeben, so stimmen wir sür Ihre» Mitbewerber. Da jedoch der Lau der Brücke einige Zeil erfordert, so sind wir mit einer Verordnung zufrieden, die uns ihre baldige Erbauung zustchert. Kommen Sie also nicht anders, als mit dem Nnnileur in der Hand." — „Mein Herr", sagt ein anderer Abgeordneter aus der Provinz, „Frankreich wird jetzt mit zwei Eisenbahnen auSgestallet, eine dieser Bahnen wird sich von Paris nach Marseille erstrecken; wir verlangen, daß sie durch unsere Sladl gehe. Aus Sic kommt es an, daß uns die Regierung in die Liste eiulragl und die Genehmigung desjenigen Pla nes gewährt, in welchem untere Sladl einbegriffen ist." — „Aber liegt ihre Stadt nicht aus einem Berge?" — „Allerdings, allein was lhnl das? Ebnet nicht die Zudustrie die Berge? Die Wissenschaft wäre sehr erbärmlich, wenn sic sich durch ein so jämmerliche« Hinderniß ausballen lassen wollle." — „Ein noch schwierigerer Puukl ist der, daß die Bab» nolbwendiger Weise eiuru großen Umweg machen müßte, um Sie auf- zusuchcn. Sic licgm ganz außer der Richtung. Die jetzige Landstraße, welcher auch die Eisenbahn in unserem Departcmlut so ziemlich folg,» würde, gcht, wie ich glaube, in einer Entfernung von fünfzehn Stunden bei Ihnen vorbei." — „Es ist wahr, daß die Unter-Prästklur von B. Lurch besondere Gunst die Chaussee erhallen hat, aber Zcdem das Seine, und jetzt ist die Reihe an uns. Ueberdies ist es unser« Stadl wohl wcrlh, daß man ihrethalben einen Umweg von sunszehn Slunden macht. Es ist eine in mebrsachen Beziehungen iulereffanlc Sladl. Man Hal darin so eben ein Römisches Grabmal euldeckl, da« die Bewunderung der Alteithümler auf sich zieht. Mau wird nölbigcn Falls noch andere entdecken. Sic sehen, daß Wissenschasl und Kunst untere Sache be günstigen. Wir rechnen aus Sie. klebrigen« muß ich Sie benachrich tigen, daß Sie sür die nächsten Wahlen einen Mitbewerber haben, der uns die Eisenbahn feierlich versprochen Hal." Nach dies«« nur Lokal-Interessen belrcffenden Gesuchen präsentirt sich eine Dame; sie ist gewählt gekleidet, ein melancholischcr Ausdruck mall sich in ihren Zügen, sie setz! sich mit einem Senszer nieder und blickt schmachtend umher; dann erklärt sic die Ursache ihre« Besuchs wie folgt: „Sie sehe», mein Herr, eine unglückliche Frau vor sich. Ach! Schaupiele und Romane baden nicht so unrecht, indem sie die Frauen mit tramizen Farben schildern. Unser Leben besteht wahr lich au« Thronen. Balzac kennl uns vorircfflich! auch trage ich ihn dafür in meinem Herzen. Indessen, mein Herr, bitte ich zu glauben, daß ich keine Dreißigerin bin, ich werde den eilsleu des nächsten Mo nat« erst neunundzwanzig Jahre alt. Aber jede« Alter bat sein« Plage. Bei den verbeiratbclin Frauen wartet da« Unglück nicht auf die Zähl der Jahre. Ich gehöre reichen, aber verblendeten Aeltern an. Sie haben mich ausgropsert. Jung und ohne Erfahrung, warf man mich in die Arme eine« bereit« bejahrten Galten. Ich verlangte eine Serie,, die säbig zväre, mil ter meinigen zu svmpalhisiren; aber ach! mein Mann war um zwanzig Jahre zu alt, nm mich zu verstehn:. Beleihest Sie mtine Ausregimg, wenn eine Thräne meine Wange netzt,, Ein Opfer ter Ebe, pcrtangc ich keineswegc« die Emancipalion ter Frauen. Golt verhüte, daß ich eine solche Unltugheil beginge! Ich bin zu sehr Frau füv einen so sonderbaren Ehrgeiz- Ich weiß voll kommen, daß unser schwaches und zarte« Geschlecht nicht dazu da ist, auf die Wache zu ziehen und .den Staal zu regieren; ich verlange keine Ehrenbezeugungen, aber das Wobl der Frauen; ich verlange einen Hase», einen ZufluchtSorl, nm unser, durch die Stürme ehelicher Ver bindungen verschlagenen Barken in Sicherheit zu dringen. Dieser schätzende Hase», ist die Ebeschtikznig. Die Scheidung,äst:eilie, Garan- lic, di« Eb» obueiS»d«> ist »in-schreckliches Gestnguiß. Ich hab« über diesen Gegenstand eine Petition an die Kammer gerichtet; ich ..geMWM hoffe, mein Heir, daß Sie dieselbe mit Ihrem schönen Redner-Talent, mil Ihrem Einfluß auf Ihre Kollegen, oder wenigstens mil Ihrer Kngcl unterstützen werken." Der Depuline hülel sich wohl, eine Unterhaltung einznsädeln, welche nicht endige» würde, und verspricht nur, alle Sorgsalt auf die Schei dungs-Frage zu verwenden. Dic unglückliche Frau dankt ihm mit Ucberschwmglichkcit und sagt ihm beim Weggehen: „Ich will mich an alle Depulirte persönlich wcnbcn; schon seil acht Tagen mache ich Be suche, und es bleiben mir noch hundcnundskchSnnkneunjig Repräsen tanten zu besuchen übrig, aber mit Much, u:>d zu rechter Zeil cimn Fiaker, kommt man mil Allein zum Ziel." Das Kapilel der Petitionen ist eine« von denen, welche dem Dc- putirien große Unruhe verursachen und ihn lcbhasicn Bestürmungen aus- sctzt. Alle diese Leitte, welche jeden Sonnabend von der Kammer Gesetze, Pensionen, Verbesserungen, Privilegien verlangen, kommen vorher per sönlich oder Lurch Bevollmächtigte zu ihm, nehmen Le» Depulirte» bei Seite und begehren seine Stimme und seine Verwendung. Aber wir wollen aus die Bittsteller der Departement« zurückkommen, Lie voll Vertrauen auf ihre Wahlrechte crfcheincn und die zahlreichsten und thätigstcn sind. Kaum ist die Ebescheikungs-Dame verschwunden, so sieht unser Depulirtcr einen der Honoratioren dec Stakt, welche er vertritt, in sein Zimmer schreiten. „Wie lang«", ruft dieser, „soll ich noch aus mein Kreuz der Ehrenlegion warten? Ich kann sagen, ohne mich zu rühmen, daß ich einer der wichtigsten Männer im Departe ment bin, und mir sehll das Kreuz. Das ist lächerlich und setzt mich tausend Kränkungen aus. Neulich z. B. war ich bei dem Maire, wir spielten unser Vier eine Partie Boule, und ich war der Einzige, der keinen Orken battc! Ich war nach Verlauf von zehn Minuten cmsgc« bcuiell. Gewiß bin ich nicht so abergläubisch, kieseS Unglück dem Mangel eines rolhcn Bandes zuzuschrciben, aber als ich meine drei Mitspieler mit ihren Kreuzen geschmückt und mich allein jeder Aus zeichnung beraubt sah, empfand ich eine Mißstimmung unk ein Gefühl der Zurücksetzung, Las mich meines kalten BlulS und meiner gewöhn lichen Geschicklichkeit beraubte; ich machte einnnkzwanzig unk verlor die Partie mit zehn. Dieser Verlust von Zehn an Männer mit Orken hat mich erbittert. Es ist wabrbastig zu arg, kaß ein Mann wie ich, kcr zwcihuttkcrlsunfzig Morgen Wald besitzt, kein Kreuz ter Ehrenlegion bat. Ich bin vielleicht der einzige Man» in Frankreich, der zweibnn« dcrtsunszig Morgen Wald besitzt und keinen Orden hat. Ist kaS Grund« Eigenlhnm nicht dic Grundlage des Throns und die Quelle kc« Bud gets? Sie fragen nach meinen Verdiensten? Meine Bäume, meiii Holz sind meine Bertienste. Und was noch mehr ist, ich habe mich stet« öffentlich als ein Anhänger dcr Regierung bekannt. Ich habe achtundzwanzig Mal nach den miuistriicllcn Umlauf-Schreiben meine Nummer abgegeben, Herr, was bedarf es mehr, um das Kreuz zu ha ben? Wenn ich darauf zu lausen wüßte, so müßte ich bereit« da« Eommandeur-Kreuz besitzen." Die Leute, die für ihre Privat-Interessen sprechen, sind weit schweifig; dec Depniirtc weiß rcchr wohl, daß die geringste Einwendung neue Ergießungen des Wortschwalls zur Folge haben würde; er Hörr daher stillschweigend zu, billigt durch Eebcrdcn und verspricht, wenn dic Ncdc zu Ende ist, sich ibätig sür das Krcuz bis chrcnwcrihen Herrn, der sich voll Hoffnungen für sein Knopfloch entfeint, zu verwenden. Ein neuer Landsmann erscheint jetzt, jedoch ei» Mann, dcr nicht nach Orken, sonkern nur nach Vergnügen hascht. — „Mein lieber Herr Repräsentant, wir sind zu den Feste» nach Paris gekommen, Und ich rechne in dieser Beziehung aus Sie, so wie Sie bci den Wahlen auf mich rechnen können. Ich habe meine Frau und meine drei Töchter hier, dic sich durchaus be, den Hof-Bällen zeigcn wollen. Sie wisst», kaß die Frauen auf diese Belustigungen sehr versessen sind, und da« ist sehr natürlich. Dic armen Weiber! Sie plagrn sich mir dcr Langrn« wcile kc« Haushalts, mil dcr Sorgc sür dcn Hccid; es ist billig, ihnen von Zeit zu Zeit einige Zerstreuung zu verschaffen. Ich habe auch meinen Sohu bei mir, Anatole, ein Kind von dreizehn Jahren, aber etwa« Außerordentliches sür sein Alter: er erhielt im vergangenen I-.brc drei Accessil'S bei dem wechselseitigen Unterricht, und ich rechne darauf, Sie in einigen Tagen besuchen zu können, um mil Ihnen wegen eines Slipendium« zu sprechen, da« Sie gewiß mil großer Leichtigkeit für meinen Anatole i„ einem der Gymnasien von Paris erlangt» werden; deshalb habe ich auch da« Kind mitgrbrachl, einen außerordentlichen Kopf, der einmal ganz Ausgezeichnetes leisten wird. — Ich denke daran, meinen Sehn später i» der Rribe der höhsren Staals-Beamten zu placiren, und möchle ihm gern dir vornehme Well zeigen, wünschte also, daß er i» die Einladung mil einbegriffen wäre, die Sic uns vrr- schaffen werden. Uebrigens ist Analole gut erzöge» und kein unartige« Kind, Las sich clwa über die Erfrischungen hcrmachl und sich auf die Präsenliricllei stürzt. Ich werde ihm im Vorau« fagen. wie viel Sluck Kuchem und wie viel Gla« Ei« er nehmen soll, und Sic werden sehen, daß er sich mil Anstand benimmk. Ich bitte Sie also um eine Familien- Einladung sür den Ball im Slabibausr, sür den Ball ter Nalionnl- Garke und sür Le» Ball in den Luilcrieen. Sie wissen, daß wir hin länglich eingerichtet sind, um überall erscheinen zu könnt». Meint Frau bat ihren Karneval-Schmuck milgebeacht, ihren btaiicn Turban und ihr Kleid von 8alin orange, dasselbe, welche« sie sich zu dem letzten Ball bei dem Präfekten mache» ließ. Was mtinc Töchter be trifft, so sind ««, ich darf e« mit Stolz sagen, junge Damen, die keine Gesellschaft verunzieren. Sie besitze» dic Anmulh n»d dcn Anstand ihre« Alice« und Kleider wo» glattem Erßpe, welche ihnen wie ein Handlchnh paffen: Ich zweifle nicht daran, ddß sie bemerkt werde» und dem Departement Edre machen. Und wer weiß, ob »ich, einig« Hof» leute von ihnen bezaubert werben. Mcm bat Herren vom Hose Hei« rachen nach Neigung eingebe» sehen, und meine Töchter baden Reize genug, um Eroberungen unter den Höber«» Stänken zu machen." Di« Einladungen zu Leu Hof-Fcstcn sind schwer» zu erlangen,