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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prännmcration«- PreiS 22; Sgr. s' Ulr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da- ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Tdcilen der Preußischen Monarchie. Ltteratu 7V. Nord-Amerika. Miß Martineau in Nord-Amerika.") Bei keiner Ari von Büchern geht die vorgefaßte Meinung, die Stimmung, die Eingenommenheit des Verfassers so unmittelbar in die Darstellung über, wie bei Reisedefchreibungen. Miß Harriet Martineau schildert uns in ihrer hier angezeigten neuesten Schrift den Zustand der Gesellschaft in Nord-Amerika nach den Eindrücken und Erfahrungen, welche sie aus ihrer Reise durch den. größten Theil des Gebietes der Bereinigten Staaten gesammelt hat. Es wäre zu wünschen, daß alle Verfasser ähnlicher Schriften ihre Vorliebe und ihr Vorurtheil so offen und ehrlich zur Schau trügen, wie Miß Martineau. Ma» weiß gleich, woran man mit ihr ist. Man mag sie in ihren religiösen und poli tischen Ansichten des Irrlhums zeihen, aber man kann ihrem Eharatler die Achtung, ihren Schliffen die Werihschätzung nicht versage». Lies ihr jüngstes Buch ist lehrreich, doppelt lehrreich, weil die Verfasserin — sie bekennt es mit eigene» Worte» — ihre Reise mit einer großen Geneigtheit anlrat, die demokratische» Institutionen Amerika s in der Nähe zu bewundern, weil sie die republikanische Verfassung für das Ideal aller StaalS-Formen hält, und weil sic deffeimugeachlel, um der Wahrheit uud dem bessere» sittlichen Gefühl treu zu bleiben, mit Schmerz, mit Unwillen und Abscheu von den Ausartungen und Ver derbnissen des Amerikanischen Lebens berichte» muß. Ihr Herz ist voll Mitgefühls für die Leidende», sie ergreift mit edler Wärme die Partei der Unterdrückten und eifert mit moralischer Geißel gegen das Löse und gegen die Bösen. Dabei zeigt sie Beobachtungsgabe und Scharf sinn, letzteren vielleicht im Uebermaße, so daß wir kcineswegeS alle die allgemeine» Folgerungen unterschreiben möchte», wozu sie durch ihre Auffassung und Zergliederung Ler Thalsache» gelangt. Mil einem Worte, ihr Buch ist eine der bessere» Schritte», ans denen wir uns über den gesellschaftlichen Zustand der Nord-Amerikanischen Freistaaten unterrichten können. An welchen innerlichen Mängeln die gepriesene politische Vcrsaffung dieser Freistaaten krankt, wie wenig bei dem lärmenden politischen Trei ben und Verhandeln auf feste und rechtschaffene politische Grundsätze gegeben wird, und wie der große Haufe sogenannter Patrioten lediglich aus Triebfedern der Leidenschaft, des Vorurlheils und des mäkelnde» Eigennutzes bandelt, darüber höre man Miß Martineau selbst. ES ist die Rete davon, mit welcher Geschmeidigkeit und Unterwürfigkeit Jeder, der sich un, rin Amt bewirbt oder sich in dem erworbene» behaupten will, den Meinungen und Vorurtheilen seiner Konstituenten huldigen muß, mil Ansgebung aller selbstständigen Ueberzeugung. Bei dieser Ge- legenhcil sagt sie: „Es ist natürlich, daß ein Bewerber, um die Stim men der Majorität in einem gewissen Bezirke zu gewinnen, sich über bestimmte Hanplpunkle und über besonders wichtige Gegenstände, die während der Dauer seines Mandates zur Erörterung oder Vollziehung kommen können, zu den Ansichten und Wünschen dieser Majorität be kennt. Jetzt aber ist eS dahin gekommen, daß ein Kandidat sich an heischig mache» muß, zu behauptest und zu leugnen, zu genehmigen und zu verwerfen, zu reden und zu schweigen, Alles nach dem Willen der Majorität. Dies hat zur Folge, daß die achtbarsten und trefflichsten Männer sich entweder gar nicht um ein Amt bewerben mögen oder in der Bewerbung gegen solche durchsallen, die weniger Charakter und Gcwissenhasligkcit besitzen. Leute solchen Schlages benutze» da»» die Amtsgewalt zur Erreichung selbstsüchtiger Zwecke und tragen durch ihr Beispiel, ihren Einfluß und ihre Umtriebe vollends dazu bei, alle poli tische Moral und Gesinnung bei ihren Konstituenten zu untergraben. Ich habe ost politische Gespräche zwischen reisenden Amerikanern ange- börl, aber cS dauerte lange, ehe ich begreifen lernte, was die Leute meinten. Da hieß cS, A. habe bei der und der Gelegenheit so und so volirt, und nun fing man an zu erklären, warum: nämlich um den B. zu verpflicht,n, da B 'S Einfluß dem C. in einer gewissen Angelegen heit entscheidend nützen könne; C. habe auch, falls die Sache glücklich von Statten gehe, dem Sohne, dem Bruder, dem Neffen von A., oder auch den Konstituenten LcS A. in der und jener bedeutenden Stadt, gewisse Bonheile zugesagt. Solche Motive eigennütziger Berechnung legt man jedem politischen Volum und überhaupt Allem unter, was öffentlich gethan und gesprochen wird; man giebt sich nicht eher zu frieden, als bis mau einen solchen Zusammenhang ausfindig gemacht hat. Daß Jemand sein Volum lediglich ans vernünfliger Ueberzeugung und nach bestem Gewissen, ohne Neben-Absichlen, geben könne, daran '1 kooietv in bk"rtb-4mert,a. Nv Harriet ^tartlneau. .— Vgl den Art „Mannigfaltiges" >n Ar. 6r des „Magazins". Man pränumerict auf dieses Beiblatt der Ailg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Prooinz s» wie im Ausland, bei den Wohllöbl. Post-Aenttern. Standes. 1837. ««LWS denkt man zu allerletzt. Ich gab öslerS Männern, die ein Amt beklei deten oder eines suchten, meine Verwunderung hierüber zu erkennen; sie lächelten über meine Einfalt oder lachten wich geradezu aus. Da» schnitt mir ins Herz: denn in der Lbat, welche Erfahrung kann trüb seliger und niedcrschlagciider sev», als in einer Republik de» Glauben an politische Tugend erloschen zu finden?" — Das hätten wir der Verfasserin allenfalls voraussagen können, daß sic bei den Bürgern eines republikanischen Staates cbcn keine reinere patriotische Inicn- lionen finden würde, als bei den Unlerlhanen eines monarchischen. Die Selbstsucht der Individuen findet sogar in einer Demokratie, wie die Amerikanische, noch weit mächtigeren und allgemeineren Vorschub. In der Monarchie ist die Ehre, in ter Republik das Interesse das Prinzip aller Bestrebungen. Man ist geneigt, die öffentliche Meinung, die sich in der unum schränkt freie» Presse auSsvricht, als ci» Korrektiv für alle einreißende Mißbräuche anzuschen. Hören wir, wie cs darum sieht. „Ein Mann von schriftstellerischem Talent, der zu Washington lebt, schreibt Briese über die Staatsmänner des Kongresses und über die Politik der Cen tral-Regierung, läßt diese Briefe hier und dort, auf allen Punkten bi« in die entlegensten Winkel des UiiionSgcbietS, in den Zeitungen erschei nen und sic dann wilder in das zu Washington herauskommcnde Blatt der Regierung aufnehmcii, ^0 sie natürlich als Zcugmsse von dem Stande der öffentlichen MciNWig in den betreffenden Staaten und Distrikten aufgesührt und weidlich kommentirt werden. Da« Manöver ist übrigens gar kein Geheimniß. Eben so weiß Jedermann, daß die in den südlichen Slaalcn der Union erscheinenden Zeitungen ihren Lesern unzählige Vorgänge von nicht geringer Bedeutung gänzlich verschwei ge»; theil« wollen sic übcr gewisse Dinge nicht« mittheilcn, theil« dürfen sie nicht, denn kein Gesetz und keine Behörde vermöchte die Herausgeber vor der prompten Volks-Justiz zu schützen; man will über das greuliche Unwesen, das dort im Schwange gehl, durchaus die Wahrheit nicht verlauten lassen. Ich kann die unglaublichsten Dinge bezeugen, die sich im Süden dcr Union tagtäglich zuiragcn, und wovon keine Zeitung ein Wort sagt; hin und wieder verbreitet der Zufall da« Gerücht davon in größere Fernen. Zu Mobile waren, kurz vor meiner Ankunft daselbst, zwei Fremde, wahrscheinlich als Abolitionisten, von den zusammengerolleten „Gentlemen" ohne Urtbeil und Recht leben dig verbrannt worden. Keine Zeitung erzählte davon; viele Mo nate später las ich eine Erwähnung des Vorfall« in einer Zeitung de« Nordens, vom Hörensagen, ganz kurz und in ein paar Zeilen abzcser- tigt." — Kurz, die Presse unterliegt, neben der größten Liren; und Ausartung, zugleich der härtesten Tyrannei. ES ist eine Tyrannei der Mehrzahl: desto schlimmer, denn eine solche ist in jedem Augenblicke allgegenwärtig und läßt, der freien Verfassung zum Hohn, der Min derzahl nicht einmal da« Recht der freien Meinungsäußerung übrig. Auch in ihrer literarischen Beschaffenheit stehe» die meisten Nord- Amerikanischen Zeitungen auf einer verächtlich niedrigen Stufe; ihr Ton ist der rpheste, den man sich denken kann; für Geld sind sic zum schnödesten Unglimpf bereit. Ausnahmen sind spärlich; auch ist wenig Aussicht vorhanden, daß es mit dem Zeitungswesen besser werden könne. „Die wenigen Blätter, die sich zu ihrem Vortheil von der all gemeinen Versunkenheit unterscheiden, die von rechtschaffene», erleuchte ten und wahrheitliebenden Männern redigirt werden, — diese wenigen finden, leider! bei den Leser» nicht die verdiente Ausnahme und Gunst. Dcr erste beste junge Mensch") läuft in die Wildniß, wo kaum erst die Niederlassungen begonnen haben, setzt sich unter die Bauern und sudelt ein Blatt für die Dörfer auf ein paar Meilen in der Runde zusammen, da« denn freilich Abnehmer und Leser findet, so plump und roh und unvernünftig es sehn mag. Aber auch in den größeren Städten am Atlantischen Meere ist man gleichgültig gegen die besseren Journale, während die schlechtesten, pöbelhafteste» einer ungeheuren Verbreitung genießen; und die« ist wahrhaft traurig." (Schluß folgt.) Frankreich. Leiden eines Französischen Deputaten. Es giebt gewiß nicht« Ehrenvolleres, al« Frankreich in dcr Depu- tirten-Kammer zu vertreten; aber die Ehre Hal ihre Unannehmlichkeiten, ') LrempN xr-ti», der Nedacteur des „Obi" Oonlus vf Imkert?", welcher weaen Verletzung dcr jungfräulich!» Ebre eines Mädchens im Gesängniß ge- lenen, dann wegen Truthühnerdiebüabls >» Strafe verurtheilt worden, wa« ihn aber Alles nicht hindert; jetzt als Panegnrist der JacksSNschen Part« auszutreten r a g a z i für die r des Au Berlin, Montag den 3. Juli