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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- Prei» 22; Sgr. ff Lhlr.) vierteiiabrlich, 3 Thlr. sür ins ganze Jahr, ohne Er höhung, in alle» Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränunireirt auf diele« Reiblatt der kUlg. Pr. Staat«' Zeitung in Reelin in der Erpedition (Mohren-Straße Ne. Z4); in ter Prooin; so wie im Auslände bei den WoMbt. Pog-Aemtcrn. 66 Berlin, Freitag den 2. Juni 1837. Spanien. Die neuere Spanische Literatur. Diejenige Gattung von Poesie, welche man allein romantisch nennen kann, Pat keine andere Wiege gevabt, al« Spanien. Ais der Römische Genius erstarb und in einem neuen volkslhümlichcn Idiome die einzige Speer seines früheren Lebens zurückiieß, als das kriegerische Christl,nimm des Südens, mil einem mvstischen Risicxc gefärbt, cme zugleich fpmbolische und abenleucrliche Poesie erzeuglc, da sangen die Romanischen Völker ihre Kriegsihaten und Liebeshändel in ganz neuen, zarten, dem Allerthum völlig unbekannten Weisen; etwa« Morgcnläudi- fches mischte sich in die AUegoricen. Ein großartige« Symbol schwebte über dem Ganzen; die göttliche Jungfrau, eine himmlifche Blume, ein tröstender Stern, diente dem schwächeren und verehrten Geschlechte, das durch seine Schwäche göttlich wurde, als Typus. Aber wie seltsam! Nachdem diese Poesie dem übrigen Europa den Ton angegeben, ist sie in Spanien von selbst wieder eingeschlammerl. Heutzutage zieht Europa die Pyrcnäische Halbinsel am Schlepptau nach sich; der romantische Hauch kommt au« Norden; im Norden sucht Spanien seine Begeisterung, seine Verjüngung; aber es erhält nur eine falsche und erkünstelte Romantik, während ihm seine eigenen Erinneruu. gen, feine Vergangenheit, seine schönen Romanzen den wahren Fond romantischer Erregungen, dessen die Völker de« Norden« sich bemeistcri, wieder verschaffen könnten. So wechseln und wogen die geistigen Einflüsse hin und her; so borgen Völker bei Anderen j die einst von ihnen geborgt haben. Vom tSien bis zum lülen Jahrhundert schuf Spanien das Französische Theater, die Literatur und die Künste der Niederlande, fast alle Dra men Europa «. Man sand diese bewundernswürdige Nation überall wieder, in Besanyon und in Mexiko, in Neapel und i» Wien; sic versügle über Alle«, unterwarf sich All««. Kaum ein Jahrhundert spä ter war sie nur noch eine Mumie, mu ihren geweihten Papyrusrollen umwickelt; eine lange Periode hindurch von Allen nachgeahml, wurde sie die Nachahmerin allcr Völker. Diese Nation, deren Don Quixote so populair geworden, wie die Bibel, folgte nur »och den Spuren Ita liens, dann Frankreich« und endlich England«. Die Meisten der jetzt lebenden Spanischen Literaten geben ihre Werke in der Fremde heraus. Ein Spanier, der an der Expedition de« Margue« de la Romana nach Fünen Lbeil nahm, ist in Schweden geblieben, wo er jetzt seine Werke drucken läßt. Martine; de la Rosa hat sein« Dramen in Pari» auf- sübren lassen. Dou Tclesforo de Trueba Hal in England, wo er als Flüchtling verweilt, die Schöpfungen Waller Scclt's und Hazlitt'S mit Glück nachgeahml. Selbst die Künstler Spanien« verlassen ihre Hei mat; Gomis „nd Huerta geben dem Pariser Publikum ihr Talent al« Komponisten zum Besten. Unterdessen sind die Dramen eine« Alexan der Aumas und die Lustspiele eine» Scride das Einzige, was in Ma drid Beifall siudce. Weisen wir nun einige Blicke auf die Liste der Spanischen Schriftsteller, die, von dem übrigen Europa zu wenig gekannt, vermöge ihrer Thätigkeit und Ausdauer noch jetzt Spanien zur Ehre gereichen. Je dünner die Sterne an Spaniens Horizonte gesäel sind, desto unge rechter wäre c«, sie au« den Augen zu verlieren. Zuvörderst nennen wir Quintana, de» Verfasser der „Bicgra- phieen berühmter Spanier". Dieser gewisse,ihaste Geschichtschreiber ist zugleich ein anmuthiger Dichter; man bat von ihm Oden aus die Ent deckung Amerika's, die Erfindung der Buchdruckerkunst und die Kuh- Pocken-Zwpsung. Nur kurze Erwähnung verdienen: Heredia, ein aus der Insel Cuba geborener Dichter, von dem man, ausier Original-Dramen, die in Mexiko ausgesührl werden, auch ziemlich mittelmässige Uebersetzungen der Werke Racine'« und Voltaire« besitzt — Burgo«, der Horazen'S Oden, und Hermosilla, der den Homer übersetzt Hai; endlich Goro- stitza, ein in Mexiko geborener humoristischer Dichter. Diese Schrift steller haben wenig Kraft, Neuheit und Farben-Frische. Nicacio Gallego, ein Domherr zu Sevilla, Hal zwei berühmte Elegieen versaßt, tic eine auf den Lod einer Gemahlin Ferdinand «, und die andere auf da« Madrider Blutbad vom Jahre I8U8. Dc» Albert» Lista, Ne- dacleur der Gazeta de Madrid, ein ausgezeichneter Dichter und Mathe matiker, beschäftigt sich gegenwärtig mit einer Uebersetzung der Geschichte de« Herrn von Sögur. Noch müssen wir de« unglücklichen Vega ge denken, der die Scribeschen Stücke für da« Spanische Theater bearbeitet bat. Von seinen eigenen Lustspielen rühmt man besonder« „Marcela, pdlr welche von den Dreien?" Er lieferte auch für da« Feuilleton der Gaccta viele launige Artikel, die er mit Figaro unterschrieb. Sein Selbstmord au« hoffnungsloser Liebe zur Königin ist durch die Zeitun gen bekannt worden. Drei Minister: Martinez de la Rosa, der Dramatiker; Graf Toreuo, der jetzt a» Spaniens neuester Geschichte schreibt; und end lich Don Angel de Saavedra, haben sich den Wiedcr-Erweckcrn der Spanischen Literatur beigescllt. Saavedra, jetzt Herzog von Rivas, kann der Waller Scoll des heutigen Spaniens heißen : er hat den Stoff zu seinen veistsizirlcn Romanen der alten Spanischen Romanze entlehnt und etwas von dem melancholischen Interesse der nordischen Balladen mit hincingewcbl. Echo» vor Saavedra Halle man zwar nicht ganz i» derselbe» Weise, aber doch wenigste»« schon auf der Bahn des Wahren und Naturgemäßen, einige Schritte gewagt. Eine dec Poesie ungünstige Periode batte doch den Genius des Melendez Val dez nicht unterdrücken können, dessen leicht beschwingte, onmutbige und elegante Dichtungen dem Gemüihc sehr wohl thuu. Do» Angel de Saa vedra ringt moderner bivilisation entgegen, giebt uns aber nur einen durch die alte Eastilianische Romanze modisizirten Wiederschein des Englischen Ruttr-Roman«. Seine Werke verkünden ein nicht gemeine« Talent, bewegen sich jedoch ganz außerhalb der GesühlSkrcisc, in denen sich die heutige Gcsellschasl, besonder» aus der Spanischen Halbinsel, besiiidet. Dou Angel de Saavedra ist der jüngste Sohn de« verstorbenen Herzog« von Riva«, eine« Spanischen Granden. Trotz der allgemeine» Entsittlichung de« Spanischen Adel«, gehören ihm doch die meisten jetzt lebenden Eastilianische» Dichter von Bedeutung an; die Schreck nisse, welche Saavedra i» seiner Jugend umgaben, hatten ihn vor dem gesahrvollcn Einflüsse dec am Spanischen Hose herrschenden Sitten be wahrt. Er griff im Befreiungs-Kriege zu den Waffen und erhielt in ter Schlacht bei Lcaua eilf Wunden, darunter ei»«» Lanzenstich, der ihn ganz durchbohrte. Man ließ ihn für lott auf dem Schlachtfelds liegen, und er kam nur wie durch ein Wunder davon. Sollten die Spanier wirklich erst harter Prüfungen bedürfe»/ um Alle« zu sevn, wa« sic seyn können? Wir wollt» ttnfere» Dichter weder mit Ignaz voll Lovola vergleiche», der »ach fürchterlichen Leiden der Stifter üne« mächtige» und furchtbaren Ord«»« wurde, noch mit Cervantes, dessen Schickel ein ähnliche« wie da« unsere» Dichter« gewesen. So viel ist sicher, daß Saavedra erst zum Dichter wurde, nachdem er den Tod in ter Nähe gesehen halte. Seine Tragödie „Lanuza", zuerst ausgesührl im Jahre 1820, verdankte ihre» Erfolg de» Jeil-llmstänccn. Sie ist eines jener angeblich historische» Elücke, die den Leidenschaften de« Augenblicks schmeicheln und außer ei» paar Eigenname» nicht« Wahre« enthalte». So ver wandelt Addisson i» seiner Tragödie „Cato" die Römer in Whig« und Tories de« löten Jahrhundert«: eine abgeschmackte Metamorphose, die aber stet« Beifall findet, wen» Parteien im Kampfe mit einander sind, und wen» das menschliche Leben nicht mehr so, wie c« ist, son dern nur mit Rücksicht aus eine Factiou betrachtet wird. Als Ferdinand wieder zur Regierung kam, mußte unser Dichter da« Vaterland verlasse» — ei» Unglück, welche« die Entwickelung seines Talente« noch förderte. Er wurde in England mit dem Genius eines Scott in.d Crabbe befreundet; er studine in Frankreich Böranger und Victor Hugo. Lie leichte, glänzende, mehr äußerliche Poesie des Schot tischen Baronet« üble ans unfcren exilirtrn Spanier den mächtigsttn Einfluß. Er war verständig und unbefangen genug, um da« Nichtige de» großen Streite« zwischen Klassikern und Romantikern einzusehe», und enlwars den großartigen Plan, eine nationale Literatur z» schaffe», di« von steifrm R-gelnjwang und barbarischer Willkür glvich west ent- seriit sevn sollte. Nach seiner Rückkehr wurde Saavedra Minister de« Innern unter der Königin Christ»!«- Wa« hat die letzte Revolution au« ihm ge macht? Wir wisse» es nicht; der Name de« Poeten ist uns weder auf der Liste der Opfer, noch aus ter der Exaltado'S zu Gesicht gekommen. Vermuthlich hat «r in seiner Znrückaezogtnbtst bei dec Mus« Trost ge sucht und, de« politische» Treiben« überdrüssig, i» die heitere,, Gebilde de« Rillcrlhum« sich gerettet. Der „Arabische Findling" (el mono expa8ilnj, welcher j» Malla begonnen und in Pari« bcc»digt und ge druckt worden, giebt Saavedra de» vornehmstr» Anspruch aus den poe tischen Lorbeer. Die Nachahmung der verstflzirlen Romane Walter Scott « ist in dem „Findling" Saavedra'« überall sichtbar. Wir finden hier denselbcn unterbrech«»«!, wellenartige», leichten, jedem Gedanken sich anschmie, genben Rbvlhmus, dieselbe Mischung von Einfall und hoher Poesie, dieselbe Genauigkeit in Schilderung der Ocrllichkesten und ter Kosiume,