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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerativnr- PreiS 22i Sgr. (^ Thir.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt aus dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeiluitg in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie ini AuSlande bei den WohUSbl. Post - Lemter». Literatur des Auslandes. 61. Berlin, Montag den 22. Mai 1837 Italien. Torquato Tasso's Handschriflcn in Rom. Erster Artikel. Man Hal bereit« vor längerer Zeil erfahren, daß eine Menge un- gedrucklcr Gedichte und anderer Papiere Torquato Tasso'S und mehrerer in seine LcbenSschicksale verflochtener Personen sich im Besitz de« Grafen Alberti zu Rom befinden.") Nach vieljährigem Harren hat derselbe sich endlich entschlossen, eine Auswahl dieser Dokumente, mit geschichtlichen Erläuterungen versehen, durch den Druck bekannt zu machen. Da« erste Heft liegt vor nn«,°°) bevor wir aber aus dessen Inhalt, wie aus diese Manuskripte im Allgemeinen näher eingchen, wird es nöthig scy», in der Kürze anzusühren, was Tasso'« Biogra phen über dessen vcrhängnißoollcn Aufenthalt am Hofe zu Ferrara berichten. Zu Ende de« Zahrc« 1505 trat Torquato Tasso, der sich durch seinen drei Jahre srüber erschienenen Rinaldo schon einen glänzenden Rus erworben halte, in einem Alter von 2l Jahren in den Dienst des Kardinal« Ludwig von Este. Dessen Bruder, Herzog Alfons, feierte eben damals seine Bermälung mit Barbara von Oesterreich, Toch ter Kaiser Ferdinand'« I.; uuvcrheirathet waren seine beiden Schwestern Lucrezia und Eleonore, jene 1334, diese 1333 geboren, nebst Anna von Guise,-Töchter jener Rnnöc von Valois, denen religiöse Ansichten Gegenstand so vieler Zwistigkeiten waren. Eleonore war unwohl, al« Tasso zu Ferrara cintras; erst nach einiger Zeit war es ihm vergönnt, sic zu sehen. Von beiden Fürstinnen wohlwollend auf- genonnnen, scheint der junge Dichter sich seinen Empfindlinge» ohne Rückhalt hingegcbcu und bald ein Verhällniß angcknüpft zu haben, da« den Gang seine« ganzen Leben« bestimmte. Zu Ende des Jahre« 1370, als Lucrezia nach Urbino verheirathet ward, begleitete er den Kardinal nach Pari«, verließ ihn aber daselbst, eine«, wie man glaubt, durch die Hugenottischen Angelegenheiten veranlaßten Mißverständnisse« wegen, schon im Laufe des nächsten Jahres und kehrte nach Italien zurück, erst nach Rom, dann nach Ferrara, wo der Herzog ihn auf die Bille der Prinzessinnen unter die Zahl seiner Edellemc ausnahm. Hier vollendete er großenthcil« da« Befreite Jerusalem. Die ersten Unannehmlich keiten am Hofe begannen nm 1373. Tasso, lcidenschasilich, reizbar, eifersüchtig, unstäl, vergaß in Dingen, welche sich auf seine geheimsten Herzen«-Ängelegenheilen bezogen, die nöthigfle Vorsicht. Halbe Ent deckungen gaben Veranlassang zu ärgerlichen Auftritten. Eine« Abends — es war dcv !7. Juni 1377 — wurde Tasso in den Gemächern der Herzogin Lucrezia, die sich wieder in Ferrara befand, verhaftet und im Palast selbst bewacht. Nach einigen Tagen nahm Alson« ihn mir sich nach seiner Billa Bel Niguardv; von dort wurde er am II. Juli „als ein Geisteskranker, der sich hcilcn lassen müsse", j„ d,s Kloster S. Francesco gesandt, entfloh am 20. Juli, keime im März de« fol genden Jahres nach Ferrara zurück, entfernte sich zum zweitenmal heim lich 3 Monate später, ,ras am 23. Februar 1570 wiederum i„ Ferrara ein, und wurde bald darauf in da« Jrrcnspital S. Anna cinqcspcrrl, da« er erst im Juli 1580 verließ Es ist unnotbig, hier ein ost behandelte« Thema wieder berüh ren und von Tasso'« Jnirignen mit der Gräfin Laura Peperara von Mantua, mit der Gräfin von Scandiano und anderen Frauen zu reden. Aber cs komm! daraus an, festzustellen, daß de« Dichter« Leidenschaft für die Prinzessin Eleonore von Este Erwiederung fand und die Ur sache de« Vorgehen« seine« Wahnsinn« und seiner siebenjährigen Gesan- genschgft war. Wa« der Biograph Scrassj wohl wußte, aber au» ängstlicher Rücksicht aus alle Weise zu umgehe» sucht; was Rosini in. seinem etwas weitschweifigen aber sehr lescuswerlhen 8azgiu «uzli amori Ui laW0, e sullu cauuc sie!)» «na ziri^innia auf eine, wie un« dünkt, überzeugende Weise darthut, wird durch die schon genannten Handschristen ganz außer Zweifel gestellt. Es würde zu weil führen, wenn wir hier von Tasso'« Gedichten an die Prinzessin aus führlich reden wollten. Manche derselben, deren Urschrift vorliegt, sind gedruckt; viele sind me bekannt geworden. Man weiß, daß ein Theil her Poesiecn, unvorsichtigerweise vom Dichter Anderen milgetheilt, ver- *) Die erste Nachricht vo» diesem Funde haben wir bereit« in Nr. v« des „MagaunS" vom Jahre lAr gegeben Urnloserittl loediti m ed altri vre^evott documeotl per »ervlre sila div^rak» del inedezim«), pmxeduti ed ttlustrLti dal sollte ML- rt»no Xlkerti, o PukIiUoati cvo luoirioo» e faesimili per vura di H. Vevtiluooi I. t.uco, 18Z7. fol. xr. breitet und selbst gedruckt wurden, daß man ihnen zum Theil schon da mals, zum Theil später, falsche, manchmal lächerliche Ucberschristen gab, um persönliche Verhältnisse nicht zu sehr bloszustellcn. Ueber diesen Umstand verbreitet Rosini sich mit dem nöthigcn Detail. Die Eigen schaften, welche man in Tasso s läugstbekannlcu lyrischen Gedichten fin det, treten uns auch in diesen wieder entgegen; neben der Ueberkünfle- lung, dem Pomp der Worte, dem Aufwand'an Metaphern und Allego - riecn, welche im Allgemciucn die Jtaliänischc Lyrik bezeichnen, wahrer Ausdruck des Gefühls, Leidenschaft, überraschende Gegensätze und Poin te», »nd große Meisterschaft des Verses und der Sprache. Mehrere, die über Lasso geschrieben, haben sein Verhältnis; zu Eleonoren in Zweifel gestellt oder wohl ganz geleugnet, dagegen ein solche« zu ihrer Schwester angenommen. Das; er zu der Zeil, wo er die Erstere kennen lernte, gegen Lucrezien'S Reize nicht gleichgültig war und ihr auch nachmals zu huldigen fortsuhr, gehl au« diesen Manuskripten hervor, so wie die Art und Weise, wie Eleonore in ihren Briefen sich aussprichl, daraus hindeulct. Wie die meisten Frauen ihrer Zeit, waren die Prinzessinnen in weiblichen Arbeiten sehr geschickt. Lucrezia verfertigte einst für den Dichter eine Stickerei, von welcher später noch die Rede scvn wird, und deren hier nur gedacht werde, uni zur Erläuterung eines der Briese Eleonoren'« zu dienen, welche sich durch eben so große Feinheit de« Gefühls, wie Schärfe tc« Verstandes, durch Klarheit und Anmulh vor alle» auSzeichncn und zum Theil wahre Meisterwerke sind. Nachdem Tasso sich die Gunst der Prin zessin erworben, scheint es an Mißverständnissen zwischen ihnen nicht gefehlt zu haben: man lese nur den bei Scrasfi (S. 180) mitgetheil- len Bries des Dichters an Eleonoren, mit welchem er am 3. Sept. 1573 von der Villa Eastel Durante au«, wo er lange Zeit in Lucre- zicu's Nähe verweilte, das merkwürdige Sonett: 8elogn<>, siol-il xunrricr begleitete. Eintl sandle er der Prinzesfl» in seinem Unmuch („per ulrnni ziarticolari clai czuali nnn oooorro tar Malta'') ein Buchlein Boccacio's. „Il I^chirinto cl'^mara" zum Lesen. Nach einiger Zeit stellte diese es ihm wieder zu, mit einer von ihrer Hand gefertigten Decke, deren Stickerei de» Porlicn« der Villa von Consa»- doli am Po darstellt, welche Eleonoren'« Licdliugs-Ausenlhalt war, und wo Tasso mit ihr glückliche Tage verlebt und wahrscheinlich die Epi sode seiner Oernsalemmo, welche die Geschichte Olind'S und Sophro- nieu's enthält, gedichtet batte. ,,Jch sollte zwar", schreibt sic ibm da bei, „Euch eil! Buch nicht wieder zustellen, das zur Ehre meine« Ge schlecht« nie hätte geschrieben werden dürfen; aber indem ich c« Ihuc und c« selbst ausschmücke, folge ich der Vorschrift de« Evangelium«, Böse« mit Gutem zu vergelten. Freilich bin ich in Handarbeiten nickt so geschickt wie meine Schwester Lucrezia, welche so schöne Dinge zu verfertigen und sic Euch so werlhvvll zu machc» versteht (—o sm ren- fierle tantn xraclito » V. 8.)." Tasso, der sogleich ein Madrigal in da« Büchlein hineinschreibt und der Geschicklichkeit der Prinzessin, vor welcher Arachne verstumme, wie der Wunde gedenkt, die feinem Herzen die Hand geschlagen, wclcke da« blinde Labyrinth so schön mache, daß nur der Tod ihn daraus befreien könne, greift die« in seiner Ant wort ans und bemerkt, Lncrczicn'« Geschenk sev ihm so willkommen, „zivrolm via» clalla ,»gnn -Unna 8meIIa ,li Vnstra kicoellrnra." In mehreren Briesen finden sich deutliche Spuren von Eifersüchteleien. — Eleonore schreibt, bcrichtcr, räth ihrem Geliebten in Angelegen heiten aller Art, während cr sich in Pesaro, i» Rom und anderwärts befindet. Sic giebt ihm Nachricht von Gefahren, die ihn von Seiten der Inquisition bedrohen. Sie tadelt ibn mehr denn einmal wegen seine« Benehmen«. Sic giebt ihm (1572) den Rath, ihrem Bruder Alson« sein Gedicht zu widme», worauf er sogleich eingeht und eine DedicationS-Oltave niederschreibt, die cr später bedeutend umändcrte, deren erster Entwurf aber nicht minder interessant ist — Tasso scheint der Prinzessin die an sic gerichteten Gedichte jedesmal mitgeiheilt zu haben. Auf einem derselben, wo cr von ihrem nicht mehr ganz jugend lichen Alter — la men vorela etä'' — und ihrem unscheinbaren A». zugc redet (es ist da« sch'öne Sonett: ..siiezl! anni acerbi tuni, purpuro» rosa", welches in den Ausgabe» die Ueberschrift: an die Herzogin von Urbino trägt, ursprünglich aber an ihre Schwester gerichtet war), be klagt sic sich scherzend in einer Randglosse, er nenne sic „vecehia e mal vesluta " Selbst Verse stellte er ihr zu (worüber wir durch ihre nicht verhehlte, aber da« Geständniß ihrer Schwäche enthaltende Miß billigung belehrt werden), wie die mehr denn freien Sonette: „prima callu fieltä vai mi vince8te" und „Vanns, cli me sionnia vittoria aveste", von dcneu Rosini mit Recht sagt, daß Pflichtgefühl, Ach tung und Liebe selbst es ihm hätten zuw Gesetz machen müssen, sic nicht zu schreiben. ,