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Wöchentlich erscheinen tret Nummern. Pränumeration»^ Preis 22j Sgr. Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Tbcilcn her Preuliischcn Monarchie. Magazin für die Man pränumernt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS, Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Poji-Aemtern. Literatur des Auslandes. LO Berlin, Mittwoch den 26. April 1837 Italien. Alessandro Manzoni's Ideen über literarische Kritik. 1) Wer ein literarisches Werk beurtheilcn will, bat die Elemente jur Begründung seines Unheils in dem Werle selbst, nicht außer dem. selben zu suchen. Aus drei Punkte, meine ich, kommt cs hierbei an. Es sengt sich nämlich: was bat der Autor beabsichtigt? bat er etwas BernünsligcS beabsichtigt? endlich, hat er seine Absicht erreicht? Wer sich über diese Borsragen binwezsctzt und über jedes - Produkt nach Regeln aburtbeilc» will,' deren Richtigkeit und Mgemeingüttigkeit kcincs- wegeS feststes,i, ja vielleicht geradezu bestritten wird — nun, der setzt sich der Gefahr aus, verkehrt zu nrtheilen, was sich übrigens unter dem Monde häufig ereignet und Gottlob nicht viel zu sagen Pat. 2) Die Menschen haben mancherlei Mittel erfunden, einander das Leben schwer z„ machen, und eines der scharfsinnigsten besteht darin, daß man über jeden beliebigen Gegenstand zweierlei Behauptungen aus- gesonnen Hal, die einander schnurstracks zuwider lausen uud gleichwohl beide für unfehlbar gelten sollen. Dergleichen Port man, wo von den größten, wichtigsten Interessen uud Fragen die Rede ist; kein Wunder, wenn auch bei Gelegenheit einer so unbedeutenden Sache, wie die Poesie, solcherlei Maximen sieißig ausgenschi werden und der Dichter den schwer zu befolgenden Nath vernimmt: „Sey originell, aber nimm Dir bei Leibe nichts heraus, wovon sich bei den großen Dichtern der Vorzeit kein Beispiel findet." Dergleichen Vorschriften dienen nur dazu, dem Poeten feine .Kunst ohne Nolls mühselig zu machen, und schneiden ihm alle Aussicht und Möglichkeit ab, sich "über die Idee, und Ausführung seines Werles zu rechtfertigen, — eine Rechtfertigung, die schon ohnedies genug erschwert wird durch die Geneigtheit des Publi kums, sich über Einen, ter sich um seiner Verse willen der Haut wehrt, lustig zu machen. 3) Wer an einer verkehrten Meinung fcsthält, bedient sich zu ihrer Darlegung iu der Regel umwundener Phrasen und Metaphern, die wahr oder falsch sehn können, je nachdem man sic nimmt und anwende«. Ler klare und bestimmte Ausdruck würde die Jrribümcr uud Wider sprüche aus ihrem Verstecke treiben. Man bat in solchem Falle, nm die Unwahrheit einer Meinung oder Behauptung auszudccken, nur aus den Punkt hiuzuweisen, wo jene Ambiguität zum Vorschein kommt. 4) Eine Behauptung ausstellcn, die mil den begründeten oder für begründet geltenden Ansichten der angesehensten Männer im Widerspruche st'bt, ohne zugleich seine eigenen Gründe beizubringen, ist immer miß lich; mindestens muß man versprechen, diese nachträglich zu geben. 5) An einem umfassenden, bedeutenden, inhaltsreichen Werke die Fehler izachweisen, die man darin entdeckt zu haben glaubt, das Vor zügliche aber und Wcrihvcllc darin mit Stillschweigen übergehen — ein solches Verfahren ist vielleicht streng genommen nicht ungerecht, aber ganz gewiß unbillig: es ist auch nicht human. Man fall an einer Sache, die mehrere Seiten hat, nie bloß die ungünstige bcr- vorheben- st) Nicht allein der Anstand, sondern auch Religion und Gewißen machen es zur Pflicht, wo ein Streit unvermeidlich ist, ih„ nicht auf lieblose Weise zu führen, sich jeder niedrigen Waffe und jeder Verletzung des Zartgefühls auch im xjf„ des .Kampfes zu enthalten. 7) Nie fühlt man sich ^„r Verfechtung der eigenen Meinungen, zur Darlegung der eigenen Ansichten lebhafter angespornt, als wenn man fremde, entgegengesetzte mit Geisi, Anstank und Anmmb Vorträ gen, mit Sachkcnntniß und dem Ausdrucke tiefer Uebcrzeugung durch führen hört. 8) Nur die Unwahrheit ist frivol, und zwar in jeder Bedeutung deS Wortes. ll) Der rhetorische Stil, wie er von den Meisten verstanden und geübt wird, führt nicht geringe Nachtheile mit sich und verleitet zu schweren Versündigungen gegen Logik und Moral. Einer der häu figsten dabei vorkommenden und am meisten auffallenden Fehler besteht darin, daß man das Gute oder Böse an einer Sache mit Ueberlreibung bervorbebt und den Gegenstand a«S seinen natürlichen Beziehungen und Verbindungen beraiisreißt; dabei kommt, wenn auch nicht gelogen wird, immer ein großer Theil der Wahrheit zu kurz. Aus einem Komplex von Wahrheiten Eine willkürlich und auf Kosten der übrigen geltend machen, heißt den ganzen komplex entstellen oder gar zu Grunde rich ten, wobei denn diejenige, welche der Redner unter seine Protection genommen, mit verloren geht. Gleichwohl schenken Biele solchen rhe torischen Kunststücke» Beifall und preisen als Kraft und Energie des Geistes, waS im Grunde nichts Anderes ist als Schwäche, Einseitigkeit, Unfähigkeit, einen Gegenstand von allen Seiten und Beziehungen mit einem Blicke zu überschauen. I« ) Populair sollte nur heißen, was dem Volke zur Belehrung und Besserung, nicht, was seinen Leidenschaften und Borurtheilen zur Nahrung dient. II) Wer unS in Zweifeln ausbält, macht uns Pein; wer uns im Klaren aushalt, macht un« gleichfalls Pein — nur pflegen wir die letz tere Langeweile zu »dnnen. 12) Was einem systematisch gewöhnten Geiste fehlerhaft erscheint, braucht es darum noch nicht zu sehn; andere Augen sehen anders. 13) Wir haben ein natürliches Interesse daran, gewisse Dinge in Ebrcn zu halte». Wenn nun Jemand gerade deswegen geneigt ist, alles Schlimme zu glaube», was'man jene» Dingen nachsagt — be weist er dadurch seine Unparteilichkeit? ich denke, ganz was Anderes. 14) Laßt sich ein vergleichendes Nrthcil über zusammengesetzte, um fassende Gegenstände in Worten kurz und einfach auSdrückeu, so muß cs desto sorgfältiger und vorsichtiger geprüft werden. Den», was sich so einfach verhält, das find nicht die Dinge selbst, sondern cS sind nur unsere Gedanken über die Dinge. IS) ES läßt sich gar nicht sagen, wie groß die Autorität eines Gelehrten voll Profession bei seinen Zuhörern ist, wenn er ihnen dc- monstrirl, was sic seiber schon zu wissen glauben. England. HaUam'S Europäische Literaturgeschichte. Henry Hallam hat sich durch seine größeren GeschichlSwcrkc be reits vielfache Verdienste um die Englische Literatur erworben. Sein Werk über das Mittelalter Hal gewissermaßen Licht und Ordnung 1» dieses bis dahin mit großer Unkenntniß behandelte Gebiet der Eng lische» Geschichtschreibung gebracht. Die Britischen Historiker des acht zehnten Jahrhunderts sind mit der „Barbarei" des Mittelalters recht eigentlich barbarisch il»,gesprungen; Hallam gab zuerst das Beispiel einer Darstellung, wie sic eines wissenschaftlichen Zeitalters würdig war. Sein zweites großes Werk, die V erfass»ngsgescbichte voll England, bat die wesentlichsten Schwierigkeiten ausqchcllt, an denen bisher jeder Versuch zur genauen und sicheren Feststellung des Ursprunges der Bri tischen Verfassungs-Elemente gescheitert war. Ganz kürzlich bat er nun ein drittes Werk hcrausgegeben, und zwar von eben so wichtigem und noch umfassenderem Inhalte, als die beiden vorigen, seine „Einleitung zur Europäischen Lileraturgeschichlc des ISten, löten und I7lcn Jahr hunderts"") — also eine Darstellung der raschen und glänzenden Ent wickelung, wodurch die Europäische Menschheit sich cmS den Fesseln der Sklavcecj und auS der Nacht des Aberglaubens zu der Höhe ihres ge genwärtigen weltdeberrschenden und weltcrlcuchtenden Standpunktes er hoben bat. Herr Hallam ist durch Geist und Gelcbrsamkeil ganz der Mann für eine solche Aufgabe, fleißig, sorgfältig, gewiffenhasi, streng unparteilich. In seiner Vortragsweise und seinem Urtheilc ist etwas Grundehrliches, wozu der Leser aus der Stelle Vertrauen gewinnt; mit Einem Worte, Herr Hallam ist aus dem besten Wege, für das Publi kum seiner Zeitgenosse» eine Autorität zu werden, auf deren Zeugniß in historischen Dingen man sich beinahe instinktmäßig verläßt. Sogar wo voliiische Beziehungen und Neigungen inS Spiel kommen, weiß unser Autor — obwohl ein eifriger Whig und, wo cs über Feudalwesc» und Bischöfe zu Gericht geht, ungezügelt in seinem Redefluß — die Tugend der historischen Unparteilichkeit zu wahren und seinen schärfsten Eiser zu löblicher Mäßigung herabzustimmen. Daß er anderen und vor nehmlich Deutschen Forschungen bei seinem Merke viel zu verdanken Hai, giebt Herr Hallam bei jeder Gelegenheit zu. und gewissenhaft giebl er auch immer die Quelle a^, aus der er geschöpft bat. Der vorliegende erste Band des Werkes beginnt mit einem kurz- gefaßten, aber sehr praktischen catalnAue raisann,! der hauptsächlichsten Sammelwerke über Europäische Literaturen. Dann wird die Geschichte der Kämpfe und Bestrebungen, durch welche die Intelligenz sich von den Fesseln der Unwissenheit und von der kirchlichen Bevormundung losgernngen bat, im I3ten Zabrhundert ausgenommen und mit lehrreichem Eingehen auf die merkwürdigsten und anziehendsten Umstände und Em- zelnheiten bis in daS löte Jahrhundert herabgesührt. Mit dem Zabre I8SV schließt dieser erste Band ab. Für eine kritische Würdigung der Vorzüge oder Jrrlbümer in einem so großartigen und ausführlichen ') lotraSoctlo» t« rke I»k«r-a°r- os kueap« ja tkc ILtd., 16»! t7<k evvtvrie» »7 keor^ Vol. I I^oväou,