Volltext Seite (XML)
160 die Quelle seines wunderbaren Wohlstandes ist; man lasse sich dort erzählen, wie seine Bevölkerung so schnell aus mehr als SO,OVO Seelen angewachsen ist. — Saint-Slienne erinnert an eine andere, zwar weni ger bevölkerte, aber durch ihren Reichlhum, der die Schöpsung zweier Männer war, noch mcrkwürdigrre Stadt, ich meine Neuchatel, die kleine Hauptstadt des Schweizer Kantons, wo es nur der vereinigten Wirksamkeit der Herren Purp und Pourtalüs bedurfte, um aus den Bergen und in den Thälern dieses Ländchens die größten Schätze ausjttbäufen. Der erste von diesen beide» Männern, dessen Geburtsort Neucha tel sich immer mit Stolz nennen wird, wanderte i» seiner Jugend nach Ostindien, nm daselbst sein Glück zu suchen. Ostindien boi damals, im vorigen Jahrhundert, gleich Süd-Amerika und den Antillen, einem lhäligen, unternehmungslustigen Europäer die schönsten Aussichten auf Glück und Reichlhum. Aber unserem jungen Reisenden ging es an fangs schlecht; er verlor sein bescheidenes Handelspäckchen und kam in seinem Unglück auf den Einfall, an die Obrigkeiten seiner Hcimalh zu schreiben und sie als ein Neuchateller Stadtkind um Hülfe und Unter stützung zu bitten, damit er sich andere Handelswaaren anschaffen könne. Seine Wünsche wurden erhört, und als er in seinen Hoffnungen und Bemühungen durch neue, unglückliche Umstände betrogen wurden, schrieb ec zum zweitenmal nach Hause und wurde auch diesmal wieder reichlich unterstützt. Bo» nun an folgte das Glück Schritt für Schritt ollen seinen Unternehmungen, es schien, als ob er die Menschen und die Dinge nach seinem Belieben beherrsche, und mitten in der Trunkenheit >o außerordentlicher und fast wunderbarer Erfolge, da er schon Ban- auier des Königs von Portugal geworden und mit mannigsachcn Ehren, Orde» und Würden belade» war, erinnerte er sich noch immer der ersten Dienste, die ihm seine Vaterstadt Neuchatcl geleistet. Lie zahl reichen Spenden und Geschenke, die er während seiner Laufbahn hinge- schickt, schienen ihm noch nicht genügend; um die ganze Schuld seiner Dankbarkeit abzutragen, wartete er bis zu seiner Todesstunde; da setzte er in seinem Testament die Stadt Neuchatcl zur universalen Erbin seines Vermögens ei», das aus mehreren Millionen bestand, wobei er jedoch keineswcges vergaß, auch seine unzähligen Verwandten reichlich zu beglücken. Mil diesem Testament verband der Wobltbäter eine Be dingung, welche den Werth desselben verdoppelte: er verordnete die Gründung einer großen ErziehungSschule, damit auch künftige Genera tionen, durch ausgezeichnete Studien dazu vorbereitet, das Glück und den Wohlstand Ncuchatels befördern könnten. Diese fürstliche Freige bigkeit eines Kaufmanns Hal ihre Früchte getragen und wird auch ge wiß noch in der Zukunft die schönsten Resultate liefern. Was Herrn PourtalnS betrifft, so verbreiteten sich dessen Handels- Operationen über die beiden Hemisphären; er war der Nebenbuhler des Hope'sche» Haudlungshauses und der Vorläufer der Rothschilds, und auch sei» Andenken wird in Neuchatcl mit Stolz und Ehrfurcht bewahrt. Man kann seine verschiedenen EomptoirS, aus welche» niel'r als zwanzig Millionairc bervorgegangen sind, mit dem Zelic kcs großen Alexanders von Maccdonien vergleichen; hier, wie dort, sind die Stell vertreter und Nachfolger des große» Mannes in seiner Schule gebildet worden und haben sich in sein Reich gclbcilt. Angenommen, Herr von Pourtalös hätte einen sehr bescheidenen, gettügiamen Sinn gehabt und ein ruhiges, ungestörtes Leben ohne Arbeit und Sorgen mehr als Alles geliebt, was wäre aus den Commis, deren Zukunft er geschaffen bat, was wäre aus der Bevölkerung geworden, welcher er durch dic Macht seines Beispiels einen reichen Kreis von Arbeit und Tbäligkcil hinterlassen? — Dieser rastlose, .unermüdliche Mann fand nur in dcr Arbeit Rube und Heiterkeit; wie oft war er nach mehreren schlaflosen Nächten, nach einer Postreise vou zweihundert Meilen, in Hamburg oder in London angekommc», um sich daselbst eine ganze Woche lang mit dcii verschiedensten Angelegenheiten zu beschäfti gen, wobei er sich kaum zwei Stunde» Schlaf gönnte! Gleich Napoleon mußte er rings um sich lauter Mensche» mit eiserne» Muskeln haben; aber freilich halte» diese da»» auch nicht die geringste Sorge mehr, er sicherte ihnen die glänzendste, unabhängigste Stellung. — Derselbe Man» gewöhnte sich, trotz seines ungeheuren Vermögens, in allen seinen Le- ocnsverhältniffcn an die größte Einfachheit und Genügsauckeil, an eine Oekonomic, die nichts mit dem Geiz zu thun halte; denn sie vertrug sich vielmehr sehr gut mit jener höheren freigebigen Großmuth, durch welche erst eine weise Sparsamkeit gewissermaßen geadelt wird. Als er eines Abends i» seine Wohnung kam, fand er im Vorhof einige Laienbrüder von dem Hospiz des Sankt Bernhard, die in dic Tbälcr binabgcstiegcii waren, um dasclbst für dic gräuzenloscn Bedürf nisse einer so unbeschränkten Gastfreundschaft, wie sic das Hospiz ge währt, Unterstützungen und Spenden zu sammeln. Sie fanden weder eine Lampc, noch sonst ein Licht, und Herr von Pourtalös war ge- nöthigl, die sammelnden Brüder zu führen. Auf den Ruf des Herr» erschien eine Magd, und indem sic am Feuer Licht anzünden wollte, warf sie ein Zündhölzchen weg, welches sic vergebens den Kohle» ge- nähert Halle. — „Was machst Du da!" rief Pourtalös in strengem Tone, „die andere Seite ist ja noch brauchbar." Er hob das Hölzchen auf und brauchte cS mit Erfolg. Man kann denken, mit was für Ge sichtern dic beiden Brüder sich einander ansahen; stumm und in ihren Hoffnungen bitter getäuscht, erwarteten sie traurig dic Rückkehr dcs ver meinten Knausers; aber wie waren sie crstaunt, als dcr reiche Neu- chatcller zurückkam und einen schwere» Sack mit SOO Schweizer Livres in der Hand mitbrachlc. „Hier ist'meine Gabc für das Hospiz", wandle er sich an sie, und Jene stammelte» in ihrer Verwirrung einige unzu- sammcnhängende Danksagungen. — „Aba, ich verstehe Euch, Ihr könnt Euch mein Betragen nicht zusammenrcimen; aber eben dadurch, daß ich von jeher selbst dic beiden Spitzen eines Zündhölzchens nützlich anzuwcndc» wußte, kann ich Euch heute für Euer Hospiz diesen Geld- sack geben." Ein andermal sah er einen seiner Commis, den er besonders liebte, eine Feder, deren Spitze fast ganz abgenutzt war, als unbrauchbar weg- werfen. Ein Blick des Herrn brachte den jungen Man» außer Fassung; er erinnerte sich an eie Geschichte vom Zündhölzchen und suchte ver gebens, sich mit dem schlechten Zustand eincr alten nutzlosen Feder zu entschuldige». Herr von Pourtalüs hob sie stillschweigend auf, las seine Zeitungen und Papiere weiter, und als sich unter de» Briesen riner aus Bordeaux fand, in welchem einer von seinen Korrespondenten, ihn um eine Frist für eine Summe von hunderttausend Franken bat, deren Abzahlung zur Bcrfallzeit ihn ruinirl hätte, wandte cr sich an den Commis: „Ich will Ihnen zeigen, wie man diese Feder noch brauchen kann", und schrieb nun einen Brief, worin cr für die Schuld noch ein Jahr lang Frist gab und dcm Schuldner einc» neuen Kredit eröffnete. I» diesen Zügen stellt sich der Charakter des Mannes vollkommen heraus, ein Charakter, der sich immer gleich blieb und der ibm die Achtung seiner Konkurrenten in so hohem Grade verschaffte, das; man oft dic Eröffnung einer großen Messe verschob, bis er selbst angelangl war. Uebrigens machte ihn diese Ehrerbietung kci»eSwege« eitel und bochmüthig, so wie er wieder aus der anderen Seile, wenn man ihn; die schuldige Achtung und Rücksicht fehlen ließ, sich durchaus nicht gleichgültig oder schwach und nachgiebig bewies. Als z. B. in Amster dam eine Coalition seiner Nebenbuhler sämmlliche gesalzene Fische auf gekauft balle, rächlc er sich dadurch, daß er alle Fässer und Tonnen, die er in Holland finden konnte, für sich in Beschlag nahm; i» einigen Stunden war diese ungeheure Operation vollendet. Da kamen zwei Tage nachher seine Gegner zu ihm, ihn um Verzeihung zu bitten; es fehlte ihnen durchaus an allen Mittcln, ihre gesalzenen Vorräihc, dic in den Magazinen aufgehäusl lagen, sortzuschaffen. Nun, da dic Lccllon einmal gegeben war, mißbrauchte cr seine Vonheile keineSwcgcs, sondern begnügte sich, an den Einkäufen, die sie gemacht hatte», Theil zu neh men. — Bei seinem Tode hinterließ cr seinen Kindern gegen 40 Mil lionen: doch nach dcm Beispiel des Herrn Purp vergaß auch cr nicht, seine Vaterstadt Peuchatel mit einer besonderen Stiftung zu dolircn, und zwar mit einem Hospital, in welchem sämmlliche Kranke, die nicht aus dem Kanton gebürtig seven, o^ne Unterschied dcs Landes und der Religio», ausgenommen werde» sollten: gewiß rin herrliches Beispiel des großartigste» kosmopolitischen Edelmuihs von einem Manne, welcher sein ganzes Leben hindurch das schönste Muster der Universalität des Handel« in sich repräsentirte und, ohne jemals den höheren Wclt- Zntercssen zu schaden, doch damit jenen fonstrcbenden, nie ruhenden Ehrgeiz sür sich selbst vereinigte, ohne welchen ja nicht« Großes auf dcr Well geschehen kann. skov. i?r.) Mannigfaltiges. — Pariser Thcalcr und Bühnendichter-Honorare. Ein Französtsches Journal (!<- üloncio sirumaticzuo) berechnet, daß in Pari« mehr als 30,000 Familien vom Theater leben. Im Jahre k«ZS bat das Publikum dcr Französischen Hauptstadt nicht weniger als sechs Millionen Franke» sür fri»e Theater-Vergnügungen ausgegeben. Diese sechs Millionen sind unter Bühnendichter, Direktoren^ darstellende Künstler, Musiker, Kaufleute, Handwerker und endlich auch unicr die Armen vcrtbcilt worden, denen bekanntlich ibr Antheil an den Einnah men ebenfalls garanlirt ist. Seit dem Jahre 1809, also in 28 Jah ren, sind in Paris 8007 neue Stücke gegeben worden, worunter mehr als 4000 Vaudevilles. Die unfruchtbarsten Jahre waren 1809 mit 121 und 1814 mit 122 Stücken; am fruchtbarsten war das Jahr I83S, in welchem auf den 16 oder 17 verschiedenen Theatern von Paris 29« neue Stücke aufgcfübrt wurden. Liese haben in der Hauptstadt allein nicht weniger als 133,812 Franken 85 Cent, ihren Verfassern an Ho norar eingebrachl. In Bezug auf die Feststellung desselben bat jede Pariser Bühne ihren besondere» Tarif, »ach einem mit ter „dramati schen Kommission", die über die richtige Auszahlung der Honorare zu wachen bal, bestehende» Vertrage. So zahlt z. B. die große Oper sür jede der erste» 40 Vorstellungen eines Werkes 500 Fr. und sür jede folgende, wenn das Stück nur einen Akt oder zwei bat, 50 Franken. Die Ballette erhalten ein Drittbeil weniger als die Opern. Im Tbeatre Aranxais beziehen die Verfasser für ein vier- oder sünsakliges Stück de» eilstcn, für ein breiartiges den sechzehnten und für rin kleineres Stück bcn 24stcn Theil der Einnahme. Trotz dieses bedcutcnde» Ansätze« hat jedoch da« Tbeatre Fran^aiS verhältnißmäßig weniger an Honoraren zu bezahlen, als die anderen großen Bühnen, weil es häufig die älteren Stücke des sogenannte» klaisizchcn Repertoire giebl, die natürlich nicht honorirt zu werden brauchen. Inzwischen betrugen sei»e llrniG <I'a». teurs im vorigen Jahre doch 37,863 Fr. 39 Cent. Die komische Over, die gewöhnlich ein größere« und ein kleinere« Stück an jedem Abend giebt, zahlt für das größere 8^ und für das kleinere 6 Procent von der Brutto-Einnahme. Die vier größeren Vaudeville-Theater ge be» den Verfassern zwölf Procent von der Abendkasse ab, die dann verbältmäßig »ach der Anzahl der Akte unter dic verschiedenen Autoren zu verlheilcn sind. Die Theater der Porte St. Martin und „Gaite" zahlen nur 10 Prozent ihrer Einnahmen, weil sie mehr als jene Baude- ville-BUbnen aus Dekorationen und Kostüme verwenden müssen. Selbst der Cirkus des Herrn Franconi ist von dieser Abgabe nicht befreit, und obgleich hier im Jahre 1836 nur vier Monate gespielt worden ist, haben die Honorare der Spcktakelstück-Verfasser doch 6156 Fr. 5 Cent, betragen. Hcrausgczeben von der Redaktion der Mg. Preuß. Staats-Leitung- Redigirt von I. Lehman». Gedruckt bei A. W. Hayn.