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158 Kummer, da« Verlangen, — kann den» da« Alle» ein Mißgeschick nicht aufwiegeu? Kann ein solche« Meer von Süßigkeit einen Tropfen Galle nicht verhüllen? Edler Herr, ich mag zum Schluß wohl rufen: 8pvü vt lm-tunu valet«. Die Herrin, auf die ich hoffte und ver traute, ist von binnen gegangen, und für mich bat sie nicht einen Ge danken des Mitleids, nicht eine Rücksicht auf Alles, was zuvor ge wesen ist. Nun könnt Ihr mir thnn, was Ihr beliebt. Ich bin des Lebens müde und wünsche meinen Tod mehr, als meine Feinde danach verlangen; und :önntc ich für die sterben, um derentwillen ich sterbe, ich wollte mich in Leben und Tod für den glücklichsten Menschen ach ten. Der Eurige, Namens und Titele nicht würdig. W. R." Zur nämliche» Zeit aber, wo er diesen Brief schrieb, batte er eine von Elisabetb's Ehrcndamen verführt und stand im Begriff, sich ins Geheim mit ihr zu vermöble». So wenig sich Räleigb aus Worten ein Gewissen machte, so wenig macht cr's ans Thate» ... All sein Reichthnm war aus die übelste Weise erworben, und auch als Seeheld war er cigenllich nur ein See räuber; denn wäbrend des liessten Friedens zwischen England und Spanien ließ er nicht ab, Spanische Besitzungen und Schiffe zu plün dern und zu kapern. Als er mit Vollmacht der Königin als Gouver neur einer Englischen Kolonie nach Virginien ging, betrug er sich dort auf hie unredlichste und ungehörigste Weise gegen die armen Indianer, und bei der Hitz- und Rücksabrt, so wie bei seinen übrigen Streif- zügen, nahm er jede Gelegenheit zu Raub und Plünderung an den Spaniern wabr. Doch thal er nicht diesen allein die Ehre an, „son dern", sagt Soutbev, „durch die Gunst der Königin und unter dem Schirm verkehrter Gesetze gelang er ibm, und er machte sich kein Ge wissen daraus, manchen Raub vom Gute der Kirche an sich zu brin gen. Als Doktor Caldwell von dec Königin zum Bischof von SaliS- burp ernannt wurde, trennte sie von der Pfründe die reichen Lände reien von Sberburnc nebst Park und Schloß und schenkte diese »ntima des BiSlbumS .hrcm Günstling." Es muß indessen hinzuge- siigl werden, daß der Bischof selbst mit der Beraubung ganz zufrieden war; seine Einwilligung hierzu war die Bedingung, unter welcher er die Pfründe erhielt, und er hätte wohl noch manches größere Stück fahren lasse», um den Rest zu bekommen. Die merkwürdigste, abeuteuerlichste und zugleich gewissenloseste N»< lernebmung Raleigh'« war die Expedition nach Süd-Amerika, um das fabelhafte Eldorado auszusuchen. Da dieses sich nicht finden ließ, über fiel die Flotte mitten im Frieden die Spanischen Niederlassungen. Nach Len klarsten, unleugbarste» Borschrislen des Völkerrechts hatte Raleigh hierdurch sein Leben verwirkt. Da er überdies wenig oder gar keine Beule nach Hause brachte, so wurde er vom Hose und vom Volke sehr kalt empfangen. Dem beschloß er nach gewohnter Weise enlgegenzu- treien mit frechen Lügen und eiserner Stirn. Wir lassen Southey erzählen: „Raleigh wurde nach seiner Zurückknnst bei Hose nicht vorgelassen, auch beim Volke fand er nicht Gunst noch Beifallsruf, weil er keine Leute mitgebrachl; seine Erzählung von den Reichlbümern des Landes, wohin er gefahren, fand keinen Glauben. Er ließ ein Buch ausgeben unter dem prahlenden Titel: „Die Entdeckung des großen, reichen und herrlichen Königreiches Guiana, nebst einem wahrhaftigen Bericht von der großen goldenen Stadl Manoa, so bei den Spaniern Eldorado heißt, auch von de» Provinzen Emeria, Aromaja, Amapaja und anderen Landschasle» nebst ihren Flüssen; gesehen und beschrieben von Sir Wailer Raleigh." In der Vorrede und Dedicalion nahm er den Mund voll ungeheurer Versprechungen, die aber den nölbigen Kredit weder verdienten, noch fanden; im Gegentbeil, die Erfahrung von seiner Reise, die mit lauter Verlust endete, kühlte den Enldeckung«ei/er und Len habsüchtigen Unternehmungsgeist gewaltig ab." Das ganze Buch von Raleigh war eine große schändliche Lüge. Herr Southey drückt das sehr mild aus; er spricht von den „abflchl- liche» Uebenrcibungen" seines Helden, von seinen „Bemühungen, die Welt zu täuschen",' von seiner „geringen Gewissenhaftigkeit"; er giebl ibm Schuld, daß er bei seine» Bestrcbnngcn, eine neue Expedition nach Gniana zu Wege zu bringen, „auf Wahr oder Falsch kein sonderliches Gewicht legte." Man kannte indessen Raleigh s Charakter in ganz England; Jeder wußte, wie verstellt, wie lügenhaft, wie durch und Lurch liederlich er war; Jeder mißtraute seinen Schanspielerkünsten. Southey sagt: „Weil er nie recht gerade zu Werke ging, traute man ibm auch in wichtigeren Dingen stets eine krumme und betrügerische Politik zu." Gs war aber noch viel ärger; man konnte sich wirk lich nicht genug vor ihm hüten; er war der abscheulichste, lreuloseste Mensch. Es würde die Leser ermüde», wenn wir bei all den schlechten Künsten und Kniffe» dieses Mannes verweilen sollten, den man un« in manchen Büchern, Und namentlich auch in Walter Scott s „Keml- worth", als einen lugendbafte», mißhandelte» Helden bewundern lehrte. Eilen wir zu seinem Ende. Die große Kunst, sich Feinde zu inachen, »erstand er noch besser, als Esser; doch glückte es ihm, so lange Elisa- Leib regierte, den Sturm abz»Kälten. König Iakob empfing ihn sehr frostig und entzog ibm das Amt, welches er bei Hose bekleidete. Um sich zu rächen, ließ Raleigh sich in ein Komplott ein, von dessen Zweck wir nichts Näheres wissen; alle Zeitgenossen und Schriftsteller sind darüber einig, daß es ei» verzweifelter Streich war. Man sperrte ibn in den Tower, wo er einige Jahre zuvor mit roher Freude seines Feindes Haupt sollen sehe». Die Untersuchung nahm schnell ihren Laus, die Beweise galten als überzeugend, und cs erfolgte ein Todes- Urtbeil. Mehrere seiner Mitschuldigen wurden wirklich enthaupiet; ibm selbst ließ der König »»verdiente Gnade widcrfabren, .er blieb als Ge fangener im Tower. Seine Güter, und namentlich die Ländereien von Sberburnc, wurden eingezoge»; dagegen setzte der König der Ladv Raleigh ein Geschenk von 8M0 Pfund aus, für die damalige Zeit eine sehr große Summe. Ueber zwölf Jahre blieb Raleigh kingesperrt, und kies waren sürwabr die zwölf unschuldigsten Zabre seines Lebens. Seiner Gemahlin und seiner Dienerschaft war cs rcrstatlet, ihm Ge sellschaft zu leisten. ES ist bekannt, wie Raleigh nach seiner Freilassung eine» letzte», unsinnigen und ungeschickten Plan ausbeckle: eine abermalige Expedi tion nach dem Spanischen Kontinent von Amerika. Ließ sich König Iakob von der Zunge des Abenteurers beschwatzen? es scheint beinahe. Die Expedition scheiterte bekanntlich vollständig. Raleigh verlegte sich auf seine alte Praxis, Seeraub gegen die Spanier zu treiben; aber der König nahm es strenger mit ihm. Zwiefach des Todes schuldig, erst wegen versuchten VerratbS, dann wegen Bruch des Völkerrechts, wurde Raleigh bei seiner Rückkehr nach England fcstgenommcn und hinge- richiet. Wir nehmen von dem gehaltreichen und wichtigen Buche Soutbev'« freundlich Abschied und empfehlen cs nicht bloß künftigen Geschicht schreibern als ein wohl zu nutzende« Hülssmittel, sondern auch vornehm lich den Lesern, die bei Hume und dem Heer seiner Nachtreter nach etwa« nahrhafterer Speise begierig geworden sind. Bibliographie. 'I'ravols in Oreie. — Von Rob. Pashicy. 2 Bdc. 42 Sb .lolmsonnmn». — Ein Nachtrag zu BoSwcll « Leben Johnson'«. 24 Sb Viitsnnia. — Die sittlichen Verhältnisse Britischer Seeleute. Von dem Geistlichen John Harris. 44 Sh. ^.nti-ÜIammou. — Von zwei Geistlichen. Sh. Spanien. Winter-Lexgliügungcn in Madrid.") Man muß die Spanier in Hrer Häuslichkeit, in ihren Familien kreisen beobachten, wenn man ihre guten Seiten und ihre trefflichen Eigenschaften kennen lernen will. Hier nur geben sie sich selbst. Denn so sebr auch seil zwcihundsrt Jahren die Herrschaft der Inquisition und die Macht der Fwstcrniß das moralische Gewicht des Staate« ver nichtet bat, ist doch, wunderbar genug, das Individuum von dicscm verderblichen Einflüsse srci geblieben. Bei jedem anderen Volte wäre unter solchen Umständen der National-Charakter gewiß völlig auSge artet; Dumpfheit, Versklavung und Käuflichkeit würden seine Merkmale geworden seyn; aber in Spanien war das Fundament so solide, daß selbst das chevalcreskc Wese» des Mittelalters noch nicht ganz verwischt ist. Das Einzige, was die Umstände herbeigcsührt haben, ist, wenn man sich so ausdrücken darf, eine Art von Getheillbcit in dcc öffent lichen Moral, eine Getheiltheit, vermöge deren, in Folge eines still schweigenden Einverständnisses, da« Aüerschlimmste und das Allerbeste in derselben Person sich nedcu einander finde» kann. So kann z. B. der seile Beamte, der bestechliche Richter, in seinem Hause cin höchst achlnngSwerlher sicherer Man» sey», dem Ihr Euer Geld nugezLhll an- verlraüeu dürft. Gemeingcist giebl es freilich in Spanien nicht; nach dieser Seile hi» ist jede Regung unterdrückt, jedes echt menschliche Ge. sühl erstorben; wendet Ihr Euch aber nach der anderen Seite, zu dem Gastsreunde, dem Familienvater, so werdet Ihr entzückt seyn über den Adel, die Enzfachheil und das Wohlwollen, die Ihr bier anirefft. Was dem Fremden, der in Madrid ankomml, zunächst in die Augen sällt, ist die Art und Weise, mit der man hier de» Uebcrbringer eine« Empscblungsschrcibcns ausnimmt. Die Franzose» gelten im Allgemeinen für sehr höflich, aber gegen dir Spanier sichen sic in dicscm Punkte doch zurück. Ist man einmal einem Spanier empfohlen, so sieben er und seine Zeil uns völlig zur Verfügung. Zunächsi bietet cr Euch sein Hans förmlich an, und cs giebl in dieser Beziehung eine sichende For mel: casa e»t:> u In ckmzn>sioion «Io I-steck; was sogar mehr als bloße Formel ist, denn Ihr tönnl kommen, wann Ibr wclll, und Ihr werkel immer dieselbe freundliche Ausnahme finden. Und wenn sie auch in ihrer gewöhnlichen Ruhe nickst immer viele Umstände bei Eurer Be- wirlhung machen, so könnl Ihr doch wenigstens sicher seyn, niemals ungelegen zu erscheine» und niemals als ei» Ungelegener bchandcll zu werden. Im Sommer sieht man sich fast nur im Prado; hier stell! man sich vor, und hier stallcl man seine Visilen ab. Die Promenade im Prado, die Cigarre und da« Gefrorne bilden nebst den Slicr-Rennen fast sämnuliche Sommcr-Vergnügnngcn. Im Winter aber ist der Prado kein angenehmer Ort mehr; denn ungeachtet seiner südlichen Breite ist doch die Kälte in Madrid beinahe unerträglich. Lie hohe Lage der Stakt — KOO Metres über dec Mecresflache — und die Nähe des Gebirges machen, kaß die Kalle hier eine ganz besondere Inlcnflläl Hal. Ma» frierl in Madrid bei vier Grad weil mehr, al« in Pari« bei zwölf. Vom Guadarrama her weht ein so scharser Wind, daß cr un« die Brust förmlich durchlchneidel, und wenn man sich »ich«, besonders so oft man gegen den Wind gehl, sorgfällig in seinen Mantel einhülll und den Mund mit dem über die Schuller geworfcnen Ende verdcckl häll, so riekirl man eine Lungen - Entzündung, an der man in wenigen Tagen gestorben seyn kann. Zuweilen sreilich kommen auch einige hei- -tere, warme und sonnenhelle Tage, die jene Ei«-Temperatur ein wenig unterbreche»; dann glaubt man sich mit einem Mal im Monal Mai, und es ist, als ob die Bäume ausschlagc» müßte»; alle Welt gebt an diesen Tage» aus, und die Leute aus dem Volk legen sich aus offener Straße an de» Mauern und aus den Slnsen des Trottoir« bin, froh de« Leben«, froh ihrer Sonne, dieser unschätzbaren Freundin, diese« köstlichen Schatzes, den keine Revolution ihnen rauben kann. Solche Tage sind jedoch höchst selten, und mit dem Eintritte de« Winter« macht der sorta» unwirlbbare Salo» des Prado« den Abend-Versamm lungen, den Tertulias, Platz. *) Nach dem Journal kiek» DclsstK.