Volltext Seite (XML)
196 Hirsche, Büffel und Elcnlhierc waren verschwunden. Dem Systeme Rcd-Iackcl's gemäß, bälle sein Volk ibnc» nachziehen sollen; gleichwohl blieb er, aber er weigerte sich, die Institutionen und Beschäftigungen anzunebmen, die allein noch seinen Stamm vor einer frühen und schmählichen Ausrottung bewahren konnten. Man muß aber auch geheben, daß die Mishonaire ihrem Berufe nicht immer gewachsen sind: es fehlt ihnen oft eben so au Talent, als an Kenntnissen, oder sie zeigen einen übel berechneten, an Fanatismus glänzenden Eiser. Der Landessprachen unkundig und genölhigl, auf Dolmetscher sich zu verlassen, die vom Cbristenlhum nichts wußten, brachten sie ihren Zuhörern nur allzu ost ganz andere Eindrücke bei, als ihre Absicht gewesen war. „Was habt Ihr ihnen denn gesagt?" fragte ein Missionair den Dolmetscher, der seine Rede eben übersetzt batte. — ,,„Jch sagte ihnen, Ihr hättet von dem Großen Geiste eine Botschaft an sie."" — „Das war nicht der Inhalt meiner Predigt", versetzte der Missionair im Tone des Unwillens; „sagt ihnen, ich seh ge- komme», um den einzige» wahren Goll und ein künftiges Leben zu verkün den!" Der Dolmetscher gehorchte. „Run, was habt Ihr jetzt gesagt?" — „„Ich habe gesagt, daß Ihr ihnen von Manito und dem Lande der Geister etwas mahlen wollt."'" Der Prediger wußte vor Aerger nicht mehr, was er entgegnen sollte, und gewiß bat noch mancher Missionair mit seinen salbungsvollen Ermahnungen ein ähnliches Schicksal. Es giebl aber noch eine andere Ursache, die den Europäischen EivilisirungS-Plänen hemmend entgegentritl: die Gränzcn werden bestän dig von einer Art Abenteurern beimgesuchl, deren Projekte durch die Unwissenheit der Indianer am besten gefördert werden; diese Leute lassen sich's eifrig angelegen sev», diejenigen in Mißkredit zu bringen, weiche an der Wohlfahrt des unglücklichen Stammes arbeiten wollen. Der Stamm der Seneca'S zerfiel mit der Zeit in zwei Parteien, die christliche und die heidnische. Im Jahre 1827 waren die Christen zahlreicher; und Red-Iackct wurde durch NalbS-Beschluß seiner Würde als Häuptling, die er seit dem Siege über Corn-Plant bekleidet, förm lich verlustig erklärt. Diese Entscheidung kränkle ibn lies, und er reiste nach Wasbinglon, nm bei dem Große» Later (dem Präsidenten) dar über Klage zu sübren. In Wasbinglon wendete er sich zuerst an den Obersten Mackenney, der das Bütcau der Indianischen Angelegenheiten leitete. Dieser Beamte war durch seinen Agenten von Allem, was unter den Seneca'S sich zugelragen, wohl unterrichtet. Nach dem gewöhnli chen Händedruck hob Red-Iackct also an: „Ich habe meinem Later Etwas zu sagen." — „„Und ich"", cunworlcic der Oberst, „„habe Dir auch Etwas zu sagen; dies will ich zuerst thun und alsdann Dich anhören."" Ler Oberst erzählte nun Alles, was zwischen beiden Theilen sich ereignet batte, und vergaß dabei keinen der einzelnen Umstände, durch deren Zusammenwirken die offene Feindschaft entstanden war. Er suchte den Red-Iacket zu überzeugen, daß Nachgiebigkeit und Duldsam keit von seiner Seile ihm die Würde und Macht eines Häuptlings ge sichert haben würden. Als Mackcnnev seine Rede schloß, wendete sich Rcd-Iackel, dessen scharser und forschender Blick die ganze Zeil üder auf dem Sprecher geruht, gegen den Dolmetscher und sagte, mit dem Finger nach den Wohnsitzen seines Lölkes deutend: „Unser Vater hat ein langes Auge bekommen!" Dann schritt er zur Vcnheidigung seiner Handlungsweise und leerte die Schale seines Grimms auf die Schwarz röcke (Missionaire) aus. Ma» kam endlich überein, daß Rcd-Iackel nach Hause gehen und in einer zu diesem Zwecke berufenen Versammlung erklären solle, er wolle die Streitaxt vergraben und seinen christlichen Siammesgenoffen die Ausübung ihrer Religion nicht verwehren. Er thal dies, indem er zu gleich sür sich und einige Gleichgesinnte uni das Privilegium nachsuchie, den, Glauben der Vätcr treu biciben zu dürfen. In Folge Lieser Er klärung wählte man ihn cimnülbig wieder zum Häuptling, und er be hielt diese Würde bis an seinen bald nachher ersolgtcn Tod. Was diesen ausgezeichneten Wilden hauptsächlich gegen das Cbri- stcntbum einnabm, war die moralische Verworfenheit so vieler Weißen in seiner Nachbarschaft. Einst bcanlwoitcle er einen Vorschlag zur Gründung einer Mission bei seinen Siammesgenoffen mit folgenden merkwürdigen Worten: „Eure Ziebe ist schön und gut; Ich aber gebe Euch diesen Rath: gebt und versucht einmal Euer Bekchrungswerk ci» Iabr lang in der Stadl Buffalo; die Weißen dorr bedürfen der Schwarzröcke mehr als wir. Ist es Euch nach Ablauf eines Jahres gelungen, sie besser zu machen, bann kommt und predigt auch hier; es joll Euch unvcrwcbri sehn." Ein Reisender, der den Red-Iackct im Iabre 1820 sah, beschreibt ihn als einen Mann von ungefähr sechzig Jahren. Sein Wuchs war nicht hoch, aber seine Haltung gerade; er batte eine edle Gestchisbil- dnng, ein schönes Auge und eine hohe gewölbte Stirn. Sein Anzug bestand aus einem blauen Iagdhembe, blauen Strümpfe», sehr zierlichen Moccasin'S/ einer rochen Jacke und einem Gürtel von derselben Farbe. Die erste Frage, die er an den erwähnten Reisenden richtete, war: „Seyd Ibr ein Spekulant, ein Sheriff, oder ein Schwarzrock?" Als dieser ihm bemerkt balle, er käme nur, um seine Bekanntschaft zu ma cken, wurde Red-Iacket zutraulich und eröffnete ihm seine Gedanken über allerlei Dinge mit großer Offenheit. Er sagte unter Anderem: „Ich bezweifle nicht, daß das Christenlhum sür die Weißen gut sevn mag; aber die rotbfarbigcn Lcute sind eine andere Raxe und bedürfen einer anderen Religio». Ich glaube gern, daß Jesus Christus ein wackerer Mann gewesen, und daß seine weißen Mörder die HLllen- strafe verdient»; aber die rothe» Leute sind an diesem Verbrechen ganz unschuldig gewesen. Der Erlöser ist nicht uns geschickt worden, die Bibel eben so wenig, und die Büßung der Sünde» ist nicht für uns geschehen. Hätte der Große Geist auch die rochen Leute zu Christen erkoren) so würde er ihnen, wie den Weißen, eine Offenbarung gemacht haben; nun aber dies nicht geschehen ist, sieht man deutlich, daß ec sie beim Glauben ihrer Väter lassen wollte." Red-Iackct bemühte sich, so lang cr lebte, vergebens, die Unab hängigkeit seines Stammes zu erhalten. Seine Grundsätze und Meinun gen bliebe» bis zum letzten Aihemziige nnerschültcrl, seine Geisteskräfte ungeschwächl. Wie alle Indianer, liebte er berauschende Getränke, denen er bei mancher Gelegenheit sogar übermäßig zusprach, obschon cr im Ganzen sehr einfach und enthaltsam lebte. Seinen Tod fühlte cr ein paar Monate vorher, »nd er spielte oft mit der Ruhe eines Weisen darauf an Er besuchte alle seine liebsten Freunde, Eine» um den An deren, in ihren Hüllen und unterhielt sich mit ihnen auf die eindring lichste und rührendste Art von dem Zustande scincs Volkes. „Bald werde ich Euch verlassen", sprach cr; „wcnn ich ivdt bin und Ibr meine Warnungen uichl mehr hört, so werden die weißen Männer mit ihrer List nnd Habsucht obsiegen. Viele Winter hindurch habe ich dem Sturme Trotz geboten; aber nun bin ich ein alter Baum, der nicht ferner stehen kann. Meine Blätter sind abgcsallen, meine Zweige ver wittert, und jedes Lüstchen schüttelt mich. Bald wird mein alter Stamm danicderliegen und der Fuß unserer iriumvhireuden Feinde keck darauf treten; denn ich hinterlasse Keinen, dcr einen solchen Schimpf von uns abwehren könnte. Glaubet nicht, daß ich um meinetwillen bekümmert bin; ich gehe zu den Geister» meiner Väter, wo kein drückendes Alter mehr ist; aber mein Herz blutet, wenn ich meines Volkes gedenke, das bald nach allen Richtungen zerstreut und auf immer vergessen sev» wird." Dann gab er genaue Anweisung, wie man über seine häuslichen Angele genheiten verfügen und ibn beerdigen solle. Seinen letzten Willen in Be treff der Beerdigung wiederholte cr auf seinem Sterbelager. „Begrabt mich", sagte er, „an dcr Scite meines Weibes nnd sorgt dafür, daß die Leichenfeier dem Herkommen unseres Volkes angemessen seh. Hüllt mich in ein Gewand, wie es weine Väter trugen, damit ihre Geister sich freuen, wcnn ich komme. Laßt ja durch keine Weißen mein Grab machen; gestattet nicht, daß sie mich bis ins Grab verfolgen!" Er starb am 20. Januar 18Z0. Mit ihm verloren die Seneca'S die letzte Stütze ihrer Nationalität. Der in der (siegend residircnde Misfionair nahm Red-Iackel'S Leichnam und ließ ihn christlich bestatten — ei» Verfahren, durch wel ches er hinlänglich bewies, daß cr weder den Willen eines Sterbenden zu ehren, noch die Gefühle der Indianer, die bei der Feierlichkeit un- lhätige Zuschauer scpn mußten, zu schonen verstand. So srüh schon trat der Fuß dcr weißen Männer aus den Staub des großen Häupt lings, wie cr selber mit prophetischem Geiste vorhcrgesagl balle! Mannigfaltiges. — Chateaubriand. Der Russische General-Lieutenant Michai- lowskv - Danilewsky erzählt in seinen intcreffanlen Memoiren aus der Zeil de« Wiener .Kongresses und dcr beide» Feldzüge in Frankreich") solgendc zur Ebarakierisirung des genannlc» Französischen Schriftstellers besonders geeignete Anekdote: „Als sich der Kaiser Alexander im Iabre 1814 in Paris befand, war das Sprechzimmer des Kaiserlichen Gene ralstabs-Chefs täglich von Leulen angcsüllt, die Gesuche au den Kaiser zu richten ballen. Unter denselben befand sich auch ein Mann, der, indem er zu mir herantrat, die Vcrmulbung gegen mich auSsprack, daß mir vielleicht sein Name nicht ganz unbekannt sepn dürfte. Es war dcr berühmte Chateaubriand. Er fetzte mir den Gegenstand ausein ander, der ibn eigentlich bergeführt babe, und schloß seinen Vortrag mit der Bitte, daß ick ibm doch aus Rücksicht auf seine unbegränzte Erge benheit für den Kaiser ein Andenken an denselben auswirken möchte. Ich bat den Herrn Vicomte, sich darüber etwas deutlicher zu cxpliziren, und nach vielerlei Redensarten und Wendungen betbeuertc er endlich: „b,a inoinclra clöcoralion russe in» renstra beuoeux. — Theater im Elsaß. Die sogenannte seine Well in Straß burg, Colmar und Mühlhausen gehl zwar vorzugsweise ins Theater, wenn Französisch gespielt wird, aber gedrängt voll und von lebendiger Theil- nahmc an den Vorstellungen durchdrungen ist dcr Schauplatz nur dann, wenn die Deutsche» Schauspieler hinkommen. Lust »»d Leben atbmen wir ja nur mit der Muttersprache so recht in vollen Zügen, und noch ist keine Aussicht vorhanden, daß die ehrlichen Elsasser ihr kräftiges Deutsch als Muttersprache aufgcbcn. Im Winter lassen sich die Straß burger von einer Französische» Truppe unterhalten, aber »ach Ostern hält die Deutsche Schauspieler-Gesellschaft des Herrn Hehl aus Basel ihren Einzug, und diese macht dann in der dem Theater ungünstigeren Jahreszeit in dcr Regcl vicl größere Einnahmen, als ihre Vorgängerin. Dcn meisten Zulauf baden die Opern und die Wiener Lokal-Possen, deren Witze häufig aus dem Oestcrreichischcn i» den Elsässischen Dialekt übersetzt werden- Weniger Anklang findcl das böbere Drama, das eben ausschließlicher an die gebildeten Stände sich richtet, die jedoch mitunter läppisch genug sind, sich ibrcr Deutschen Abkunft zu schämen, und daher auch oft von der Deutschen Literatur weniger wissen, als die Franzö sischen Franzosen, ihre Halbbrüder in Paris. Zn Mühlhausen, wo Herr Hehl mit seinem ziemlich starken Personale ebensalls einige Vorstellun gen gegeben, babe» besonders Beethoven s „Fidelio" und „des Adlers Horst" (von Gläser) sehr gefallen. Aber auch selbst die Auberscken, Boieldien'schen und andere Pariser Opern hört man dort von den Deutschen Sängern und ihren kräftigen Chören viel lieber, als von den schwachen Stimmchen der Franzosen. ") Denkwürdigkeiten aus den Jahren 1«14 und 1815 Von dem ehemali gen Flügel-Adjutanten des Kaisers Alerander, A. Michailowsky-Danilewsky, General-Lieutenant und Mitglied des Senats. — In Riga und Dorpat sind von diesem Werke Deutsche uebersetzungen angekündigt worden. Herausgezeben von der Redaction der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.