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156 Nord- A m e r i k a. ÄöaS Nord-Amerika auf dic Ausfälle Englischer Reisenden erwiedert. Bei Gclcgcnheit der Bcuriheilung des bekannten Tocqueville'schen Werkes „De la flöinooraii,: an Xinäriczue" äußerl sich die s^ortk- smerican lievchw über dic ncncren Europäischen Reisenden, welche Amerika besucht und darüber geschrieben baden. Sie zeigt, wie sich das Tocqucvillc'schc Luch von diesen gewöhnlichen Beschreibungen un terscheide, und wie gerade darin sein bobcr Werlb liege. Hier macht das Journal nun einen gant besonderen Ausfall auf dic Englischen Reisenden, die, wie man sich allerdings leicht denken kann, in ihren Beschreibungen und Ansichten über Amerika ziemlich parteiisch, einseitig und daher nur zu ost ungerecht sind; ja, cs will die Spuren und Gründe der Antipathie, welche noch immer zwischen den Bewohnern beider Länder eMin, gerade in jenen Mißverständnissen und Parteilich keiten der Englischen Reisenden erkennen, die ihre heimischen Vorurtheilc auch jcnscil« des Atlantischen Meeres mit hinüber dringen. „Herr von Tocqueville", sagt die kovis^v, „spricht von dem bit teren Haß der Amciikaner gcgcn England. Liesen Ausdruck finden wir doch etwas zu stark. Gewiß, jene feindselige Stimmung, welche durch die Kriege zwischen beiden Nationen erregt worden, hat sich mit der Zeil und durch andere lindernde Einflüsse nach und nach gelegt, und zu lenem bcsligcn Nationalhaß, welcher z. B. die Griechen und Türken, die Irländer und Engländer, die Russen und Polen, die Spanier und Portugiesen seit Jahrhunderten von einander trennt, ist hier auch nicht der geringste Grund vorhanden." „Gleichwobl kann man nicht leugnen, daß noch immer, wcnn auch nicht Haß. doch cinc sehr starke Portion Unmuih und Erbitterung von Seiten Amcrika'S gegen Großbritanicn vorherrscht. Diese gereizte Stim mung aber wird fast durch nichts Anderes erzeugt, als durch die krän kenden Schriften einer Menge Englischer Reisenden in Amerika; und durch dic rücksichtslose Nnttrstühung, mit der Lie gcachtetsien litera rischen Blätter Englands jederzeit für diese Bücher offen sind, wird sic nur zu sehr genährt." „Wenn man aber hier etwa von der cigenlhümlichcn Reizbarkeit der Amerikaner und dergleichen spricht, so sieht man durchaus falsch. Auch Herr von Tocqueville verfällt in den gewöhnlichen Jrrlhnm der Reisenden, dem Bolkc deS Landes eine solche Reizbarkeit zur Last zu legen, und gerade bei dieser Gelegenheit läßt er jene vortreffliche Ge wohnheit fahren, sich unparlciisch, ohne Vorurlhcile den äußeren Bcod- achtungcn hinzugeben, und nimmt ohne Weiteres eine von jenen scha. len, abgenutzten Phrasen der Touristen an; aber wenigstens deutet er aus den einzigen Umstand hin, weicher dieser Anschuldigung einen Schein von Wahrheit giebt. Gerade bei uns beschäftigt sich nämlich eine viel größere Masse des Bölkes mit Lese», als in irgend einem an deren Lande, wcnn cS auch freilich nur die obenauf schwimmenden, gerade für cincn fast unglaublich billigen Preis zirkiilirenden Tages-Er scheinungen find, die fast von aller Welt verschlungen werden. Man weiß cs ja: gerade dic skandalöse Klalsch-Kronik jener Reisenden in uuscrem Lande giebt ihren Werken eine blitzschnelle Verbreitung, ganz nach derselben lraurigcn Erfahrung, daß die schlechtesten, nichtswürdig- sten Blätter, welche ihre Spalten mit nichts als Prrsvnlichkeilcn, Klatschereien und allerhand Geschichlchen von lebenden Personen ausül- len, weit und breit die pikanteste» und gesuchtesten sind. Darüber, wie über jene Libelle, stürzt fast Alles, was liest, mit Begierde der, und die. welche sich vor dem Buch selbst retten, müssen es doch zur zweiten Hand iii dc» Revuen, Magazinen und den verschiedenen Teilungen wicdcrfiuden. Daher jene allgemeine wcilvcrbreiiete Erbitterung, die durch solche Bücher erregt wird." „Ein Amerikaner, der in England reist, würde sür ein ähnliches Schmähwerk imtcr zehn kaum einen Leser von jener Klasse finde», welche in Amerika all den Schund dcr Presse verschlingt. Die Indi viduen aber, welche in beiden Ländern solche Werke durchlescn, werde» gewiß überall ganz gleich davon berührt werden. Wenn cin Engländer, welcher einen Amerikaner gastlich ausgenommen, das Vertrauen drr Gastsreundschast schmählich verrathcn und Alles, was am geselligen Hcerd ohne den geringsten Zwang und Verdacht gcthan und gesprochen wurde, ,n einem Journal groß und breit abgednickl und vor der gan zen Welt ausrosaunl fände, er würde sich wahrhaftig bei einer solchen Gelegenheit ganz eben so gcbcrden, wie cin Amerikaner in einem ähn lichen Fall zu jhun pflegt. Oder hat sich elwa der Ton dcr Englischen Kritik gegen Fürst Pücklcr-Muskau durch philosophische Gleichgültigkeit und Schonung ausgezeichnet? Hat sie etwa hier die Persönlichkeiten und Klatschereien, mit welche» die Blätter dieses Schriftstellers angesüllt find, ruhig übersehen?" „Ja, auch ein Amerikanischer Schriftsteller über England, der sich rin wenig revanchiren und Gleiches mit Gleichem vergelten wollte, ist dafür nicht wenig angezapft wosdcn. Las surchlbare, lange, und spitze Horn des Lullen (Job» Bull s) hat sich vierzig Jahre lang in Joua- iban'S Seite lies eingebobn, und wenn der arme Dulder unter dieser wem nur cin wenig muckst, so schrei: schon ganz Europa über sein mür risches, unfreundliches Wesen. Kommt dagegen Bruder Jonatha» den anderen Tag in einem nnüderlcgte» Augenblick mit dcr Absicht, auch nur die geringste Vergeltung anSznüben, so ist die ganze Albemarlc- Slrect in' der heftigsten Ausregung." „Was nnS betriff», so können wir diese unverschämte Zügellosigkeit, ans welcher Seite des Meeres sic sich auch zeigen mag, durchaus nicht billigen, und nimmermehr sind wir im Stande, zu begreifen, wie sich Englische oder Amerikanische Herren und Damen gerade als fremde Reisende, oder vielmehr als Schuldner, die sich durch mannigfache Gast- sreundschasl und Gefälligkeiten verpflichtet sind, von all den gewöhn lichen Schranken der guten Erziehung losmachen können, die jeder in seinem Vaterlande von Stadl zu Stadt Reisende mit Ehrfurchl zu achten weiß." „Doch außer dieser Verletzung des Vertrauens und der undankba ren Vergeltung dec Gastsreimdschaft, die so sehr zu rügen ist, finden wir bei manchen von diesen Touristen noch etwas weil Aergercs. Es giebt nämlich Leute, welche ganz erpreß mit der offenen Absicht die Reise unternehmen, zu Hause einen politischen Effekt zu machen, und die also auf jede Weise Stoff zur Herabsetzung und Verleumdung un seres Landes suchen oder, was bei solcher Absicht ganz dasselbe ist, er finden. Die Verfasser solcher Bücher haben eigentlich den größten Schaden gelhan, sie Haden am meisten dazu beigetragc», jene Stim mung hervorzurufen, welche Herr von Tocqueville etwas übertreibend Haß gegen England nennt. War doch unter der Negierung Lud wigs XlV., als der König den ganzen Staal repräsenlirle, eine be leidigende Devise aus einer Medaille, die nicht einmal von ganz sicherer Authentizität war, unter den Ursachen des Krieges, mit welchem dieser Monarch Holland beimsuchte." „Die innerste menschliche Natur war zu allen Zeilen, wie auf bei. den Seilen des Allanlischen Meeres, stets dieselbe, und es hieße wahr lich, die Kraft und Wirksamkeit der Englischen Presse verkennen, wcnn man behaupten wollte, daß die verschiedenen Führer und Mitarbeiter derselbe», sobald es ihnen cinsällt, zwischen den beide» Ländern Miß- verständuiß und Erbitterung zu erregen, auch nur im Geringsten ihr Ziel verfehlen würden." Bibliographie. Pli» nist rvorlst an<l tüv nacv. sDie alle nnd die neue Well.) Reiscdcmerlungcu auf einer Tour durch Europa. Bon Orville Dewcp. 2 Bdc. New-Jork. Oz>on convoirts. (lieber Mönchs- und Nonnen-Klöster, namcntlich aber über deren Unzulässigkcil in republikanischen Staaten.) Bon T. Dwight. New-Z ork. Xote« »» tba äVi^cansin territarv. — Von Lieutenant Albert M Lee. .4,neriran nraturz'. (AuSgewählte Reden berühmter Amerikaner.) Philadelphia. llmtar)' öl' Pox»--. (Geschichte von Teras.) Bon D. B. Edward. PH« worb« <>s öenj. b ranlelin. (Franklin'« Werke.) Herausgege- ben und mit Anmerkungen begleitet von Jared Sparks. Band l und 2. — Boston. Mannigfaltiges. — Maria Stuart. Zu den interessanten Allenstücke», die in neuerer Zeit über diese unglückliche Königin pnblizirt worden sind, kommt nun auch der Briefwechsel, den sie mit ihrem Gesandten Giascow in Paris, während ihrer Gefangenschaft, geführt hat. ES haben sich diese Briefe bisher in einer Privat-Bibliothek in Paris befunden, und die in dieser Hauptstadt erscheinende ..liavix- rotrnszu-otivo" Hal dar Verdienst, sie zuerst an das Licht zu ziehen. DaS.knurnal sias Oöbats Hal indessen bereits vor zwei Jahren aus das Vorhandenschu dieser Korrespondenz ausmerksam gemach». Dic Königin stellt sich auch darin ganz in der Weise dar, wie wir sie bereits kennen, nämlich bald als ein kindisch spielendes, kokettes und putzsüchngcs Wesen, bald aber auch als eine gcmütbvolle, Frankreich, ihr zweites Vaterland, mit wahrhafter Schwärmerei liebende nnd kochst bcdanernSwerlhe Frau, die ihr Unglück mit Fassung und Seelcngrößc trägt. — Bulwer und der Verlag dcr Klassiker. In Bezug auf dic in Miseren, lctzien Blatte gegebene Nachricht über Bnlwers „Zeitge nossen" wird uns die Berichtigung, daß dic unter dcr Firma „Verlag Ler Klassiker" seil kurzem etabl'irle Stuttgarter Buchhandlung das genannte Biilweischc Werk in einer Deutschen Uebersctzung, und zwar mit dem Hinzufügc» angekündigt habe, daß der Verfasser sich gegen sie anheischig gemacht, das Englische Original erst in vier Jahren zu pu- blizircn, so daß die Deutsche Buchhandlung allerdings bis dabin gegen jede konkurrircnde Uebersctzung geschützt wäre. Nach dem indessen, was wir von Englischen und »amcntlich von Bulwerschen Honoraren wissen, ilt cs kaum glaublich, daß ein Deutscher Verleger, dcr nur auf sei» eigenes und nicht auch auf das Cnglhche Publikum angewiesen ist, bei eincrNolchcn Spcculation seine Rechnung finden würde.' Bulwer müßte in einem solchen Falle um so mehr auf das höchste Honorar bestehen, als er ja riSkirte, daß einer seiner Landsleute dic Dcutschc Ausgabe seines Bnchcs zurück ins Englische übersetzte, bevor er noch daS Original selbst publizirt hätlc. Ja, eine solche Speculation, besonders von Sei ten Englischer Journale, ist um so wahrscheinlicher, wenn die „Zeitge nossen" nach den uns vorliegenden Proben, aus kurzen Charakteristiken ä la Labruvüre bestehen und daher auch zur Mfttbeilting von Frag menten oder einer pikanten Auswahl vollkommen geeignet sind. Nach allem diesen möchte man daher das angckündigtc Werk viel eher für einen neneii „Waladmor" halten, den Wilibald Aleris bekanntlich dem Waltrr Scott mit solchem Glücke nachgebildel bat, paß er wenig stens in Deutschland eine Zeit lang für das Werk des Schottische» Unbekannten wirklich angesehen wurde. Das mit der heutigen Nummer zu Ende gehende Abonne ment wird Denjenigen in Erinnerung gebrächt, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blätter keine Unterbrechung erleiden wollen. HerauSgegebcn von der Redaktion der Allg. Preuß. Staat«-Leitung- Retigir» von 3- Lebman». Gedruckt bei A. W. Hayn.