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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Präunmerations- Preis 22 ; Egr. (; Tbtr.) vlerltliäbrliw, Z THIr. sür daS ganze Jahr, ohne Er de düng, in, allen Tbellcn der Preudisiden Monarchie, Magazin für die Man rrdnumeriri aui dieses Bei, iaii der AUg, Pr, StaatS- geitung in Berlin in der Erpedilion (Mohren-Straße Nr. Z4); in der Prooinz so wie im Auslande bei de» Wohlldbl. Post - Aemiern. Literatur des Auslandes. 39 Berlin, Freitag den 31. März 1837. Persien. Persische Begebenheiten. Vom Baron I. von Korff. U. Der Kaimakam, das Lager und das Heer des neuen Schahs. Der erste Schrecken, den die Nachricht von dem Tode des Schahs verbreitet batte, verlor stch nach einigen Tagen. Die Perser gewöhnten sich allmaiig an die Vorstellung von dem Ableben eines Mannes, dessen Name im Laufe von vierzig Jahren fast dem Namen Allah'« gleich gestanden. Muhamed-Mirja, Sohn des verstorbenen AbbaS-Mirsa, früheren Thronfolger« de« Persischen Reiche«, war, nach dem Lode seines Vaters, von seinem Großvater Feth Ali Schab als Nachfolger erwählt worden. Mit diesem Titel lebte Muhamed«Mirsa in LabriS als Verwalter von ganz Aderbidschan und als Befehlshaber aller rcgu- lairer Truppen. Einige Tage nach Eingang der Todes-Nachricht hielt er in seinem Paläste einen Selam (ein Lever). Alle bei seiner Person angestelltc Hofbeanue, die Geistlichkeit, die Vorsteher der Kaufmann schaft erschienen, um den, neuen Schah Glück zu wünschen. Der junge Monarch, aus dem Thron sitzend, hielt eine kurze Rede, in welcher er seine tiefe Trauer über das Ableben seines Großvaters aussprach und erklärte, daß er gesonnen sey, stch bald nach Teheran zu begeben, um die Jügel der Negierung zu übernehme». Am Abend de« nämlichen Tages liefen au« Teheran ziemlich un erfreuliche Berichte ein. Sclli-Sultan, einer der ältesten Söhne des verstorbenen Schab«, der in Teheran lebte, erklärte stch nach dem Tode seines Vaters zum Schah und wollte unter keiner Bedingung etwas von dem gesetzmäßigen Thronfolger büren. Zu den vielen Thorheitc», die stch dieser Fürst während seiner kurzen Herrschaft zu Schulden kom men ließ, gehörte auch sein Schreiben an Muhamed-Schah, in welchem er diesen aussordertc. ruhig in Tabri« zu bleiben, ihm zugleich alle von seinem verstorbenen Vater ihm ertheiltc Würde» bestätigte >md die Ver sicherung hinzufügle, daß er, sein Herr und Gebieter, in Erfüllung des Willens feines Vater«, ihn, Muhamed, als seinen gesetzlichen Nachfolger anerkennen werde. Dieses Schreiben und andere Prival-Bcrichte, denen zufolge Selli-Sultan den Staatsschatz mit vollen Händen »erlheilte, um sich Freunde zu machen, beuuruhigleu Muhamed einigermaßen und veranlaßten ihn, an die Beschleunigung seiner Abreise zu denke». Aber es muß hier bemerkt werden, daß die Perser viel denken, zehnmal mebr sprechen und fast nichts lhim. So war e« auch hier der Fall, wo doch, j» Folge der Umstände, rasch und kräslig gehandelt werden mußte. In Persien ist e« unmöglich, da« kleinste Geschäft ohne ungebeuren Zeitverlust zu beendige». Es giebt kein Ereigniß, welche« im Stande wäre, de» Perser von seinen Gewohnheiten abzuziehcii. Kei» Gespräch hübet ohne drei Pfeifen Tadack, eine Taffe Thee und eine Taffe Kaffee statt. Nachdem man stch satt geraucht und getrunken Hal, kann man erst, wenn »och Fest übrig ist, zum Geschäft schreiten. Wir müsse» dem Leser jetzt eine sehr merkwürdige bandelnde Person Vorfahren — den erste» Minister und Rath de« neuen Schahs; eine Perfon, die sich j„ dieser Eigenschaft schon bei Abbas -Mirsa befand; einen Mann, wichtig wegen seine« Einflusses aus die Angelegenheiten von ganz Persien und aus die Handiungen seiner Regenten 'in ihrem Privatleben; mit einem Won Mirsa.-Adul-Kasslm, Kaimakam und Ata- bev, d. h. Statthalter und Rathgeber. Man denke stch einen Mann von mittlerem Wuchs, etwas korpu lent, mit dimkelbraun'en immer blinzelnden Auge», ziemlich großer und breiter Nase, dünnem rölhlich-schwarzen Bart, zwei aus ter Oberlippe hervorfpringende» Zähnen, und man wird einigermaßen wissen, wie der Kaimakam ausgcsehcn bat. Sein Anzug war immer nachlässig, und 'eine Art, Speise zu sich j» nehmen, höchst unsauber; »ach jeder Mahl zeit komue man eine ganze Mustcrkarlc von Speise» aller Art sammeln, die auf dem Wege zum Munde aus Bari und Anzug liege» geblieben waren. Es war schwer, in der Schöpfung etwa« Widerlichere« zu sehe», N« diesen Mann, der im Reiche eine so ausgezeichnete Rolle spielte. Seine Handlungen machten sich immer durch fast unglaubliche Seltsam keiten bemerkbar^ Alle«, was in Persien an Vorurtheilen vorhanden war, fand sich in seiner Person vereinigt. Interessant war e«, zu hören, wie er fein Essen bestellte. Wenn man ihm ei» langes Vcrzeichniß der Speist« brachte, von denen er auswäblen sollte, was ihn am meisten ansprach, nahm er einen Rosenkranz i» die Hand und looste danach vor jedem Gericht; traf er bei den Abtheilunge» der Kügelchen aus eine gerade Zahl, so wurde das Gericht, als das gesundeste sür den Tag, erwählt; von den Speisen, die aus eine ungerade Zahl sielen, purste gar nicht die Rede scyn. klebrigen« war der Kaimakam in der That einer der gescheidtesten Männer in Persien und würde cs sogar auch in Europa gewesen sehn. Ehr- und Geldgeiz bildete» freilich die Grundlage seines Charakter«; er befriedigte beide im vollsten Sinne de« Worte«, indem er Pich zum wichtigsten Mann im Staal gemacht hatte, den Wille» des Schah« be herrschte und, wie man sagte, eine jährliche Einnahme von 100,000 Dukaten sich schuf. Ganz Persien haßte den Kaimakam als einen bösen und raubsüchtige» Menschen: die Art, wie er stch von allen Seilen bestechen ließ, übertrifft jede Beschreibung; daher sagte man auch, daß fcme zwei unter der Oberlippe hervorragenden Jähne alle Ein künfte von Aderbidschan verschlängen. Seine Schlauheit war außer ordentlich. Augenzeugen versicherten mir, daß er, nach einer Einladung des Englischen Gefandlen, zu einer Unterredung über eine wichtige An gelegenheit, in welche er stch nicht mischen wollte, acht Stunden im Hause des Gesandten zugebracht und jede nähere Berührung de« in Rede stellende» Gegenstandes zn vermeideii gewußt hatte Er begab sich nach 2 Uhr Nachmittags dabin; den Anfang machte, wie gewöhnlich, die Bewirlhung; al« Alles abgetragen war, bat er den Gesandte» um einige füßc Limonen und dann nm Melonen; nachdem er stch ziemlich lange Zeit gelassen, um diese zu verzehre», stellte er sich sehr unwohl und bat um Eclaudniß, sich aueruben zu dürscn, indem er versicherte, daß er nach einem halben Stündchen Schlaf' bereit seyn würde, zu sprechen, worüber der Gesandte wolle. Bi« dahin waren zwei Stunden vergangen. Mil dem Haupt an die Kiffen des Svpha« gelehnt, blieb der Persische Diplomat in unverändcricr Stellung ganze fünf Stunde» mit blinzelnren Augen liegen, während der Gesandte mit Ungeduld den Augenblick seine« Erwachen« erwartete Endlich geruhte der würdige Magnat, stch zu erhebe», und schritt, da er von de» Minarets das Geläute zum Abend-Namas (Abendgebet) hörte, zu», Waschen, zum Gebet, zu Entschuldigttugen gegen seinen Wirtb, daß er die Stunde versäumt habe, in welcher er sich zum Schab begeben müsse, und eilte davon. So war der Kaimakam. Sein Name diente als Schreckbild in ganz Persien; er halte jedoch großr» Einfluß aus Muhamed-Schah, der, so zu sagen, ein Werkzeug seine« Willens war. Die Hauplmachl de« Schah«, d. b. die regulairen Truppe» und dir Artillerie unter dem Befehl Emir-Nisam'S, befand stch damals in den Umgebungen von Eboi. Nachdem Mubamed - Schab beschlossen, sich nach Teberan zu begeben, sandle er Lmir-Nisam de» Befehl, mit den Truppe» nach LabriS zu kommen. Nach einigen Lagen erschien, an statt der Armee, ein Courier au« Cboi, mit der Nachricht, daß nicht im einziger Soldat sich von Ler Stelle rübren wolle, bevor man ihm nicht den ihm schuldigen Sold ausgezahll bade. Manche ballen seit fünf und sechs Jahre» keinen crbälle»! Diese Nachricht veranlaßte große Verlegenheit; die Kaffe de« neuen Schahs reichte nicht hin, und doch Hörle man allerwärl« das Geschrei: „Geld, Geld!" — Es war wirklich kein Geld vorhanden Die ganze Hoffnung beruhte auf dem unermeßlichen Reichlllum des Kaimakam«; dieser aber gab kein Zeichen des Leben« und stellte sich arm. Die Lage des Schah« war verzweifelt; es mußte jedoch ein Entschluß gefaßt werden. Das bekannte Persische Jnschallah (Goll wird helfen) half auch wirklich au« der Nolb. Es ward ein Courier an Emir-Nisam mit der Aufforderung abgeierligl, er solle die Truppen nach LabriS führen und ihnen versprechen, daß sie nach ihrer Ankunft befriedigt werden sollten — wodurch, da« wußte freilich Niemand. Jnfchallab, Ertl wird Helsen! Obgleich die Perser im Allgemeinen nicht gewohnt sind, ibrer Regierung viel zu trauen, so schien e« diese« Mal doch, al« ob Allah dem Schab Mubamed bülfrciche Hand leisten wolle: die Truppe» kamen und lagerten sich unler den Mauern von LabriS- Ich lade jetzt meine Leser ein, mich in da« Lager der Persischen regulairen Truppe» zu begleiten. Schon haben wir den Basar passtrt. Zwei Schritte weiter lieat da« Haus de« Bevlerbey von Täbris, Feth Ali Cban, der wahrscheinlich mit einem Becher Rum in der Hand für die Seele de« verstorbenen Padischah'S bettle. Seine Ferraschi lagen vor der Thür mil langen Slöckcn und warlele» auf den Befehl ihres Herrn, irgend Jemanden mil ihren Stöcke» die Fußsohle» zu erwärmen oder anstatt dessen von ihm Geld zu erpressen. Doch da sieht man schon die Stadtmauer; nur noch bei einer kleinen Anhöhe vorbei, wo die Rechtgläubigen ost ihren Namas verrichte», und man ist am Thor. Denjenigen, die nach Täbris reisen, dürfte anzuralben ferm, vorsichtig über die verfallene Brücke zu reiten, die über einen liefen Graben führl, und ihr Pferd weder mil de» Sporen »och mil der Peilsche zu reizen: im entgegengesetzten Fall könnte es ihnen gehen, wie eine»