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ser habe nun excipirt, daß die Zahlungszeit noch nicht eingetreten sey, weil er noch keinen Pro, ress gewonnen habe, oder auch dem Richter über lassen, die Klage als unschlüssig zu verwerfen. In beiden Fällen habe Protagoras mit sei ner Klage abgewiesen werden müssen, und Evathlus den Proceß gewonnen. Darauf hätte Protagoras den Evathlus aufsneue verklagen, und sich auf jenen von diesem ge- wonnenen Proceß gründen sollen. Nun mußte Evathlus obnfchlbar zur Zahlung condemnirt werden; in der That läßt sich wider diese Ein leitung der Sache nichts einwenden. Ader, fährt der Herr Verfasser fort, wenn nun Evathlus den ersten Proceß nicht selbst z^f^t hätte? Das war Bedingung der Zah lung dcf zweytet? Hälfte. Ein Sophist, sagt der Herr Verf., würde auch hier ein Mittel haben. Protagoras stellt einen dritten an, wel cher dem Evathlus einen Proceß, den die ser dritte nothwendig gewinnen muß, zu führen anträgt, was dieser den Gesetzen nach nicht ausschlagen darf. Hac nun Evathlus als Sachwalter den Proceß gewonnen, so ist die Forderung deS Protagoras zahlbar, und klagbar. Wider Chicanen ist oft daS einzige Mittel, wieder zu chicaniren. DaS sogenannte Recht der unverschuldeten Nothwehr hat von Seiten der Moralität nichts wider fick. Aber noch bleibt hier eine juridische Seite übrig. Wie nun, wenn Evathlus dein P ro- rsgvras exespriorem 6oli opponirt, und an- fü rrt, er habe den dritten blos angestellt, ihm je nen Proceß zu übertragen, damit er ihn gewin nen, und dadurch schuldig werden möchte, dem Protagoras das rückständige Honorarium zu bezahlen. Und dieser muß das einräumen. Auf der einen Seite kann man sagen, der Protago ras habe durch jene List den Evathlu6 wider seinen Willen in die Lage gesetzt, einen Proceß zu gewinnen, um ElwaS zu bezahlen, was er ohnedaS nicht schuldig war. Das sey aber dem Protagoras nicht zugekommcn. Auf der an dern Seite hatte aber doch EvathluS gezeigt, daß er genug gelernt hatte, um einen Proceß tu gewinnen, und daS war der Geist des Ver sprechens, nach dem ersten gewonnenen Processr den Protagoras zu bezahlen. Die Billigkeit spricht für den letztem Grund, Aber das strenge Recht dürfte für den erster» sprechen. Die Stoik- ker unter den römischen Rcchtsgelehrten wurden wohl den Protagoras abgewiescn haben. Ein zweites Beispiel für richterlichen Scharf sinn ist folgendes. Dem Weltberühmten Waffen träger Lancto ksn8s, als Statthalter einer In sel — die aber auf dem festen Lande lag— wird folgender Fall zur Entscheidung vorgetragen. Jenseits einer Brücke stehet ein Galgen. Wer die Brücke passiven will, muß eidlich angeben, wohin er wolle, und was er da zu verrichten ha be. Wenn er cs falsch angicbt, wird er an jenen Galgen gehangen. Ein Wandrer gicbt auf Befra gen, wohin er über die Brücke gehen wollte, zur Antwort, er gienge nach diesen Galgen, um sich daran hängen zu lassen; die Richter, welche da waren, um über die Beobachtung des Gesetzes zu wachen, und darüber zu entscheiden, sagten:, las sen wir ihn gehen« so hat er eine Unwahrheit ge sagt, und er sollte gehangen werden; lassen wir ihn aber hängen, so hat er die Wahrheit gesagt, und er sollte nicht gehangen werden., Sancho entschied also: man sollte den Theil des Wanderers, der gelogen hätte, hängen, und den andern Theil laufen lassen. Die Richter antworteten, wenn der Wande rer zerthcilt wird, so stirbt er. Nun, wenn das ist, sagt Sancho, so muß man ihn laufen lassen. Denn meinHerr, (Vernicht minder berühmte Don Quixote L Bancks) hat mich ge- gelehrt, wenn die Sache zweifelhaft sey, wäre es des, serloszusprechen, als zu verurtheilen. Der Herr Verf. entscheidet abermals scharfsin nig, es habe nicht vom Wanderer abgehangen, ob das, was er gesagt habe, wahr scyn werde, oder nickt. Darum sey er nicht mit der gesetzlichen Todes strafe zu belegen gewesen. Dafür aber, daß deS er Gesetzes gespottet habe, würde ihm eine angemessene willkührliche Strafe ganz zuträglich gewesen seyn. Hierher gekört noch der merkwürdige Proceß über den Esels-Schatten in Wielands Abderittn. Die Hauptsache bey aller Entscheidung über Wahrheit und Unwahrheit kömmt darauf an, vor allen den Punkt zu treffen, um den sich die Sache dreht. Er ist jederzeit nm ein einziger.